Die Entstehung der historischen Biographie
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Kriege der Römer in ihrem eigenen Jahrhundert berichtet hatten: Kaikilios von
Kaleakte beschrieb den Sklavenkrieg (FGH 183 F 1), Alexandros von Ephesos den
Bundesgenossenkrieg (FGH II p. 917), Archias den Kimbernkrieg (FGH 186 T 1),
Herakleides von Magnesia (FGH 187) und Teukros von Kyzikos (FGH 274) die
Mithridatischen Kriege, Polyainos von Sardeis (FGH 196) den Partherkrieg des
Crassus, Sokrates von Rhodos (FGH 192 F If.) und Asinius Pollio von Tralleis
(FGH 193) die Bürgerkriege, und zwar jeweils als Spezialgeschichte.
Diese Form der Darstellung römischer Geschichte durch griechische Autoren
tritt neben der umfassenden Zeitgeschichte nach der Art des Polybios, Poseidonios
oder Strabon viel stärker in unserer Überlieferung hervor als die personenbezogene
Geschichtsschreibung, wie sie für Theophanes von Mytilene, den Anhänger des
Pompeius (FGH 188 F 1-4), Metrodor von Skepsis, den Historiographen des
Armenierkönigs Tigranes (FGH 184 F 1), oder Empylos von Rhodos, den Freund
des Brutus (FGH 191), bezeugt ist. Seit dem 2. Jh. n. C. liegen die Dinge genau
umgekehrt wie im 1. Jh. v. C. Zwar wurden auch damals Universal- und Zeit-
geschichte alten Stiles weitergepflegt. Dexippos und Asinius Quadratus im 3. Jh.
n. C. unterschieden sich in dieser Hinsicht wohl kaum von Strabon oder Dionysios
von Halikarnass. Daneben aber gab es eben auch die in den dafür geeigneten
Abschnitten als Kaisergeschichte angelegte Universal- oder Zeitgeschichte. Außer
Cassius Dio wäre hier ein gewisser Eusebios zu nennen, dessen Geschichte von
Augustus bis zum Tod des Carus i. J. 273 n. C. reichte (FGH 101) sowie ein sonst
nicht weiter bekannter Clemens (FGH 102), für den das Suda-Lexikon ein Buch
über die βασιλείς και αύτοκράτορες der Römer bezeugt. Ferner ist das Geschichts-
werk des Charax von Pergamon zu erwähnen, das die Byzantiner fleißig zitieren,
ohne daß wir seine Zeit näher eingrenzen können (FGH 103). Das Buch des
Chryseros, eines Freigelassenen des Kaisers Verus (FGH 96), ist demgegenüber
wohl eher als rein chronographisches Werk aufzufassen.
Aus alledem ergibt sich, daß seit dem frühen 2. Jh. n. C. auch in der griechi-
schen Literatur sich Geschichtsschreibung unter biographischem, speziell kaiser-
biographischem Gesichtspunkt weithin Geltung verschaffte und Herodian keines-
wegs einen Ausnahmefall darstellte.
Gewiß soll man in Rechnung stellen, daß das 1. Jh. n. C. in der griechischen Lite-
ratur allgemein und besonders in der Historiographie nach dem Stand unserer
Überlieferung recht unergiebig war. Aber einiges an Lokalhistorie ist bezeugt, und
die Vermutung, Plutarch habe für seine Kaiserbiographien auch griechische Histo-
riker als Quellen benutzt, durchaus nicht von der Hand zu weisen. Aber wie dem
auch sei, es ist jedenfalls alles andere als selbstverständlich, daß bei der Belebung
literarischer Tätigkeit im 2. Jh. n. C. man eben nicht allein an die klassische Tradi-
tion oder die im 1. Jh. v. C. dominierende Art, römische Geschichte zu schreiben,
anknüpfte, vielmehr den Typus der Kaisergeschichte mit dem ihm eigenen biogra-
phischen Element deutlich bevorzugte. Ganz entgegen der klassizistischen Ten-
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Kriege der Römer in ihrem eigenen Jahrhundert berichtet hatten: Kaikilios von
Kaleakte beschrieb den Sklavenkrieg (FGH 183 F 1), Alexandros von Ephesos den
Bundesgenossenkrieg (FGH II p. 917), Archias den Kimbernkrieg (FGH 186 T 1),
Herakleides von Magnesia (FGH 187) und Teukros von Kyzikos (FGH 274) die
Mithridatischen Kriege, Polyainos von Sardeis (FGH 196) den Partherkrieg des
Crassus, Sokrates von Rhodos (FGH 192 F If.) und Asinius Pollio von Tralleis
(FGH 193) die Bürgerkriege, und zwar jeweils als Spezialgeschichte.
Diese Form der Darstellung römischer Geschichte durch griechische Autoren
tritt neben der umfassenden Zeitgeschichte nach der Art des Polybios, Poseidonios
oder Strabon viel stärker in unserer Überlieferung hervor als die personenbezogene
Geschichtsschreibung, wie sie für Theophanes von Mytilene, den Anhänger des
Pompeius (FGH 188 F 1-4), Metrodor von Skepsis, den Historiographen des
Armenierkönigs Tigranes (FGH 184 F 1), oder Empylos von Rhodos, den Freund
des Brutus (FGH 191), bezeugt ist. Seit dem 2. Jh. n. C. liegen die Dinge genau
umgekehrt wie im 1. Jh. v. C. Zwar wurden auch damals Universal- und Zeit-
geschichte alten Stiles weitergepflegt. Dexippos und Asinius Quadratus im 3. Jh.
n. C. unterschieden sich in dieser Hinsicht wohl kaum von Strabon oder Dionysios
von Halikarnass. Daneben aber gab es eben auch die in den dafür geeigneten
Abschnitten als Kaisergeschichte angelegte Universal- oder Zeitgeschichte. Außer
Cassius Dio wäre hier ein gewisser Eusebios zu nennen, dessen Geschichte von
Augustus bis zum Tod des Carus i. J. 273 n. C. reichte (FGH 101) sowie ein sonst
nicht weiter bekannter Clemens (FGH 102), für den das Suda-Lexikon ein Buch
über die βασιλείς και αύτοκράτορες der Römer bezeugt. Ferner ist das Geschichts-
werk des Charax von Pergamon zu erwähnen, das die Byzantiner fleißig zitieren,
ohne daß wir seine Zeit näher eingrenzen können (FGH 103). Das Buch des
Chryseros, eines Freigelassenen des Kaisers Verus (FGH 96), ist demgegenüber
wohl eher als rein chronographisches Werk aufzufassen.
Aus alledem ergibt sich, daß seit dem frühen 2. Jh. n. C. auch in der griechi-
schen Literatur sich Geschichtsschreibung unter biographischem, speziell kaiser-
biographischem Gesichtspunkt weithin Geltung verschaffte und Herodian keines-
wegs einen Ausnahmefall darstellte.
Gewiß soll man in Rechnung stellen, daß das 1. Jh. n. C. in der griechischen Lite-
ratur allgemein und besonders in der Historiographie nach dem Stand unserer
Überlieferung recht unergiebig war. Aber einiges an Lokalhistorie ist bezeugt, und
die Vermutung, Plutarch habe für seine Kaiserbiographien auch griechische Histo-
riker als Quellen benutzt, durchaus nicht von der Hand zu weisen. Aber wie dem
auch sei, es ist jedenfalls alles andere als selbstverständlich, daß bei der Belebung
literarischer Tätigkeit im 2. Jh. n. C. man eben nicht allein an die klassische Tradi-
tion oder die im 1. Jh. v. C. dominierende Art, römische Geschichte zu schreiben,
anknüpfte, vielmehr den Typus der Kaisergeschichte mit dem ihm eigenen biogra-
phischen Element deutlich bevorzugte. Ganz entgegen der klassizistischen Ten-