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Dihle, Albrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1986, 3. Abhandlung): Die Entstehung der historischen Biographie: vorgetragen am 26. Apr. 1986 — Heidelberg: Winter, 1987

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https://doi.org/10.11588/diglit.48146#0075
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Die Entstehung der historischen Biographie

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heitlich sein sollen, ganz unabhängig von den in ihnen waltenden Tendenzen.
Prokop weist auf die Verschiedenheit im Gliederungsprinzip der beiden Werke
ausdrücklich hin (Anekdota 1,1; Bell. Got. 4,1,1), und während die chronologisch-
geographische Ordnung der Erzählung der Kriegsereignisse vorbehalten bleibt,
wählt er für das, „was sonst im Römerreich vorkam“ (όπόσα δή τετύχηκε γενέσϋαι
πανταχόϋι τής 'Ρωμαίων αρχής), die biographische Form.
Der Abstand im Stil der beiden, jeweils ausdrücklich historiographischen
Zwecken gewidmeten Werke ist unübersehbar. Feldherrenreden und geogra-
phische Exkurse als Elemente des traditionellen Stils hoher Historiographie etwa
sind in den Bella häufig anzutreffen, fehlen aber in der Geheimgeschichte. Diese
wiederum ist voll von Details, die für die biographische Tradition typisch sind, etwa
Anekdoten, unscheinbare Einzelbegebenheiten zur Illustration der Verhaltens-
weisen des Kaiserpaares, wobei Gespräche bisweilen in direkter Rede wiedergege-
ben werden, und eben immer wieder Einzelheiten aus dem Privatleben der Herr-
scher als Zeugnisse ihrer moralischen Physiognomie, die ihrerseits die Zustände in
Staat und Gesellschaft bestimmte.
Es handelt sich also bei dieser „historischen Doppelbiographie“ durchaus um
ein Werk vom Typus der suetonischen Caesares, in denen gleichfalls Wesen und
Verhaltensweise der Kaiser durch die Erzählung von Einzelbegebenheiten geschil-
dert werden, weil das Verhalten des jeweiligen Kaisers die Zustände in Staat und
Gesellschaft bestimmt.
Dem entspricht der Aufbau. Wie bei Sueton fehlt auch in der Geheimgeschichte
die durchgehend chronologische Anordnung des Stoffes, wie sie der alten historio-
graphischen Tradition eigentümlich ist. Abgesehen von den Exkursen, die etlichen
anderen Personen gewidmet sind, enthält das Buch jeweils für Justinian und Theo-
dora den detaillierten Bericht über Herkunft, Jugend, Aufstieg und Veranlagung.
Danach folgt dann, ganz wie bei Sueton nach Sachgebieten geordnet, der Hauptteil
mit der Beschreibung ihrer jeweiligen Taten und Untaten. Dabei geht es gewiß
nicht ohne mancherlei Klatsch, obskure Berichte aus dem Privatleben u. dgl. ab.
Aber getreu seiner Ankündigung gibt Prokop genaue und ausgedehnte Auskunft
über Rechtspflege und Zirkusbetrieb, Steuerwesen und Getreideversorgung,
Handel und Militärwesen und vieles andere, was der Leser von der Geschichts-
darstellung einer Epoche erwartet. Daß aber das Ganze den Rahmen einer Bio-
graphie des Kaiserpaares, als die das Werk eingeführt wird, durchaus nicht sprengen
soll, zeigt sich in den beiden langen Charakterbeschreibungen Justinians und Theo-
doras, die in den Hauptteil eingefügt sind. Historiographie und Biographie sind im
Fall der Geheimgeschichte eine enge Symbiose eingegangen, was für das Kriegs-
werk eben gerade nicht gilt.
Es würde zu weit führen, unter diesem Gesichtspunkt den Gang der byzantini-
schen Historiographie zu verfolgen. Werke, in denen das biographische Prinzip
dominiert wie die Zeitgeschichte des Psellos, stehen neben solchen, die es zurück-
 
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