Metadaten

Dihle, Albrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1986, 3. Abhandlung): Die Entstehung der historischen Biographie: vorgetragen am 26. Apr. 1986 — Heidelberg: Winter, 1987

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48146#0077
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Entstehung der historischen Biographie

75

des Hieronymus, mit denen sich die lateinische Hagiographie im 4. Jh. fortsetzte,
sind ihrerseits nicht ohne das Vorbild der athanasischen Antonios-Vita zu verste-
hen. Daß sie alle keinerlei Nachwirkung der Caesares Suetons verraten, hat Georg
Luck (Mullus, F. S. Kiauser, Jb. A. C. Erg. 1, 1964, 230ff.) gezeigt. Für den Über-
gang biographischer Schriftstellerei in das Gebiet der Historiographie liefern sie
deshalb auch keine Indizien.
Dagegen gibt es ein anderes Kapitel christlicher Literatur, in dem sich von
Anfang an das biographische Element Geltung verschaffte und das zudem sowohl
mit der antiken Historiographie als auch mit der antiken Tradition gelehrter
Materialsammlung und -Vorlage in Verbindung stand.
Eusebios nennt am Anfang seiner Kirchengeschichte sieben Themata, die sein
Werk behandeln soll: Die apostolische Tradition, die kirchengeschichtlichen
Hauptereignisse, die wichtigsten Häupter der Kirchen in den wichtigsten Land-
schaften, die geschriebenen und ungeschriebenen Lehren in ihrer zeitlichen Folge,
die Häresien, das Schicksal der Juden, die Verfolgungen und Martyrien. Eusebios
hat diese Themen nicht im Rahmen einer einheitlich durchkomponierten
Geschichtserzählung behandelt, sondern in der Tradition gelehrter Literatur vor-
nehmlich in extensiven Zitaten aus Briefen, Urkunden, literarischen Quellen, die er
durch eigene Zwischentexte verband, zu dokumentieren versucht. Sein Verfahren
hat also gewisse Ähnlichkeit mit demjenigen Suetons, der gleichfalls die Tradition
gelehrter, nicht literarisch-kunstmäßiger Schriftstellerei vertrat. Indem er auf die
stilistische und kompositionelle Einheitlichkeit seines Werkes verzichtete, ent-
fernte sich Eusebios zwar von der historiographischen Tradition. Aber nicht nur der
Themenkatalog, in dem Ereignisse, res gestae, eine besondere Rolle spielen, verrät
den Anspruch des Autors, ein Geschichtswerk, nicht nur das Resultat gelehrter
Mühen, vorzulegen. Der Bezugsrahmen der berichteten Ereignisse ist die univer-
sale Heilsgeschichte, in der auf Grund göttlicher Vorsehung die Ausbreitung der
erlösenden Botschaft sich mit der Weltherrschaft der Römer verknüpft, ein Zusam-
menhang, dessen ganze Bedeutung sich im Ereignis der konstantinischen Wende
entschlüsselt. Es entspricht dieser im vollen Sinn historischen Konzeption des
Eusebios, der er die berichteten Ereignisse zuordnet, daß er nicht nur in der Vor-
rede, sondern auch in allen Textpartien, die aus seinen eigenen Worten bestehen, in
guter historiographischer Tradition eine beachtliche Höhe des Stils einzuhalten
sucht.
Daß literarisch der Eindeutigkeit dieser Geschichtsauffassung mit der chrono-
logischen Anordnung des disparaten Materials nicht Genüge getan ist, daß sie viel-
mehr nach geschlossener Darstellung verlangt, lehren Eusebs Fortsetzer. Sie alle
bewahrten zwar Eusebios’ Methode im Umgang mit den Originaldokumenten und
unterschieden sich darin von der antiken Historiographie. Aber sie bemühten sich
ausnahmslos, soweit das an den erhaltenen Beispielen sichtbar wird, um eine kunst-
voller gestaltete, durchkomponierte Erzählweise. Daß bei ihnen zudem eine engere
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften