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Marc Lienhard
Wien gelegen hatten, durch einen Schlag gegen andere Feinde der
Christenheit - die Protestanten - zu kompensieren. Wichtiger sind
aber die tieferliegenden Gründe, die seit 1661 Ludwig XIV. bewegten,
die Protestanten zu unterdrücken.4 Ich möchte sie wenigstens andeu-
ten, bevor ich auf das eigentliche Thema dieses Vortrages eingehe.
Erstens ist zu bedenken, daß für die Menschen des 17. Jahrhun-
derts noch weitgehend feststand, daß soziale Einheit und religiöse Ein-
heit zusammenfallen müssen, insbesondere in Frankreich, wo die
Monarchie einen harten Kampf um die Einheit des Landes führte.
Zweitens ist darauf hinzuweisen, daß die Protestanten als Gefahr
empfunden wurden, als potentielle Revolutionäre, als Demokraten,
die sich in England sogar, im Jahr 1649, an der Person des Königs ver-
griffen hatten. Zu erwähnen ist drittens die Haltung der römischen
Kirche in Frankreich den Protestanten gegenüber.5 Die katholische
Kirche hatte eine tiefe Erneuerung erfahren. Man denke an Gestalten
wie St-Vincent de Paul oder Pascal. Doch schreckte diese Kirche nicht
davor zurück, mit der augustinischen Auslegung von Luk. 14,23
(„nötige sie hereinzukommen“) die Zwangsmaßnahmen den Prote-
stanten gegenüber zu rechtfertigen. Viertens wäre zu reden vom Abso-
lutismus schlechthin, der bei Ludwig XIV. besonders stark ausgeprägt
war. Für ihn waren die Protestanten Untertanen, die dem Willen des
Königs widerstrebten (des »opiniätres«). Man mußte sie zur Unterwer-
fung zwingen, in ihrem eigenen Interesse wie auch im Interesse des
Reiches, das nach dem Motto regiert wurde: »Un roi, une loi, une foi«.
So kam es zur Aufhebung des Edikts von Nantes und zur Zerreiß-
probe für die französischen Protestanten, zwischen Gott und König.
Ich werde das Drama in zwei Schritten darstellen:
I) Zuerst möchte ich das Verhalten der Protestanten nach der Auf-
hebung des Edikts von Nantes beschreiben.
II) In einem zweiten Schritt sollen einige Fragestellungen zur Sprache
gebracht werden, die das ganze Geschehen aufwirft.
4 Dazu vor allem: E. Labrousse, »Une foi, une loi, un roi?« La Revocation de l’Edit de
Nantes, Paris, 1985; J. Garrisson, L’Edit de Nantes et sa revocation, histoire d’une
intolerance, Paris, 1985; E. Le Roy Ladurie, im Vorwort (52 S.) zum Buch von
B. Cottret, Terre d’exil. L’Angleterre et ses refugies ... 1550-1700, Paris, 1985.
5 Siehe A. Rebelliau, Bossuet, historien du protestantisme, Paris, 1891; P. Biet, Les
assemblees du clerge et Louis XIV, Rome, 1972; B. Dompnier, Le venin de l’heresie.
Image du protestantisme et combat catholique au XVIIe siede, Paris, 1985.
Marc Lienhard
Wien gelegen hatten, durch einen Schlag gegen andere Feinde der
Christenheit - die Protestanten - zu kompensieren. Wichtiger sind
aber die tieferliegenden Gründe, die seit 1661 Ludwig XIV. bewegten,
die Protestanten zu unterdrücken.4 Ich möchte sie wenigstens andeu-
ten, bevor ich auf das eigentliche Thema dieses Vortrages eingehe.
Erstens ist zu bedenken, daß für die Menschen des 17. Jahrhun-
derts noch weitgehend feststand, daß soziale Einheit und religiöse Ein-
heit zusammenfallen müssen, insbesondere in Frankreich, wo die
Monarchie einen harten Kampf um die Einheit des Landes führte.
Zweitens ist darauf hinzuweisen, daß die Protestanten als Gefahr
empfunden wurden, als potentielle Revolutionäre, als Demokraten,
die sich in England sogar, im Jahr 1649, an der Person des Königs ver-
griffen hatten. Zu erwähnen ist drittens die Haltung der römischen
Kirche in Frankreich den Protestanten gegenüber.5 Die katholische
Kirche hatte eine tiefe Erneuerung erfahren. Man denke an Gestalten
wie St-Vincent de Paul oder Pascal. Doch schreckte diese Kirche nicht
davor zurück, mit der augustinischen Auslegung von Luk. 14,23
(„nötige sie hereinzukommen“) die Zwangsmaßnahmen den Prote-
stanten gegenüber zu rechtfertigen. Viertens wäre zu reden vom Abso-
lutismus schlechthin, der bei Ludwig XIV. besonders stark ausgeprägt
war. Für ihn waren die Protestanten Untertanen, die dem Willen des
Königs widerstrebten (des »opiniätres«). Man mußte sie zur Unterwer-
fung zwingen, in ihrem eigenen Interesse wie auch im Interesse des
Reiches, das nach dem Motto regiert wurde: »Un roi, une loi, une foi«.
So kam es zur Aufhebung des Edikts von Nantes und zur Zerreiß-
probe für die französischen Protestanten, zwischen Gott und König.
Ich werde das Drama in zwei Schritten darstellen:
I) Zuerst möchte ich das Verhalten der Protestanten nach der Auf-
hebung des Edikts von Nantes beschreiben.
II) In einem zweiten Schritt sollen einige Fragestellungen zur Sprache
gebracht werden, die das ganze Geschehen aufwirft.
4 Dazu vor allem: E. Labrousse, »Une foi, une loi, un roi?« La Revocation de l’Edit de
Nantes, Paris, 1985; J. Garrisson, L’Edit de Nantes et sa revocation, histoire d’une
intolerance, Paris, 1985; E. Le Roy Ladurie, im Vorwort (52 S.) zum Buch von
B. Cottret, Terre d’exil. L’Angleterre et ses refugies ... 1550-1700, Paris, 1985.
5 Siehe A. Rebelliau, Bossuet, historien du protestantisme, Paris, 1891; P. Biet, Les
assemblees du clerge et Louis XIV, Rome, 1972; B. Dompnier, Le venin de l’heresie.
Image du protestantisme et combat catholique au XVIIe siede, Paris, 1985.