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Lienhard, Marc; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1986, 4. Abhandlung): Zwischen Gott und König: Situation und Verhalten der französischen Protestanten nach der Aufhebung des Edikts von Nantes; vorgetragen am 13. Dezember 1985 — Heidelberg: Winter, 1986

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https://doi.org/10.11588/diglit.48147#0023
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Zwischen Gott und König

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Desert getauft wurden. Das hatte auch zivile Folgen, denn diese Kin-
der hatten keine legale Existenz und waren nicht erbberechtigt. Erst
1787 wurde das katholische Monopol der Geburts- und Trauungsregi-
ster aufgehoben. Die Eglise du Desert (nach 1715) verbot aber ihren
Mitgliedern, ihre Kinder katholisch taufen zu lassen, sonst wurden sie
unter Kirchenstrafe gestellt und vom Abendmahl ausgeschlossen.21
Am gravierendsten war der Kampf um die Kindererziehung. Daß
die Generation der Erwachsenen kaum zu gewinnen war, ist den ver-
antwortlichen Intendants und Bischöfen bald klar geworden. Um so
wichtiger war es, sich um die Kinder zu bemühen. Neue Schulen wur-
den errichtet, der Unterricht u.a. durch Ordensschwestern erteilt.
Überrall aber erhob sich die Klage, daß die N. C. wenig Eifer an den
Tag legten, um ihre Kinder in diese Schulen zu schicken. Es kam zu
Strafmaßnahmen. Zu den Geldstrafen kam das Schlimmste: die
Wegnahme der Kinder, die in Colleges und in Klöster untergebracht
wurden, wobei die Eltern für den Unterhalt aufkommen mußten. Die
Verbindung mit den Kindern wurde aber gelöst. Diese Praxis hat auch
im Laufe des 18. Jahrhunderts nicht aufgehört. Genaue Zahlen sind
natürlich nicht zu ermitteln. Im allgemeinen spricht man von mehre-
ren Tausenden. Die älteren Kinder haben sich oft gewehrt, manchmal
konnten sie fliehen. Es gelang aber, die jüngeren Kinder im katholi-
schen Glauben zu erziehen und ihnen Abscheu einzuimpfen dem
Glauben ihrer Eltern gegenüber.
Wie vollzogen sich die Trauung und die Beerdigung der N. C.?
Kirchlich getraut wurde ein N. C. nur, wenn er sechs Monate lang
regelmäßig an der Messe teilgenommen hatte, gebeichtet hatte und
erneut schriftlich dem evangelischen Glauben abgeschworen. Bis 1715
unterzogen sich die meisten N. C. dieser Pflicht; nachher begnügten
sie sich mit einem einfachen Kontrakt beim Notar und wohnten bei-
einander (Konkubinat für die damalige Zeit!). Trauungen wurden
auch durch einen Pfarrer der Eglise du Desert vollzogen. Die kirch-
liche Beerdigung wurde nur denen zuteil, die als Kranke das Sakra-
ment empfangen hatten. Ansonsten wurden sie auf einer Schleife zum
öffentlichen Abfall geschleppt und ihre Güter wurden beschlagnahmt.
Der relative Widerstand gegen die katholischen Riten war das eine.
Das andere war das Bemühen, evangelischen Glauben und Frömmig-
keit im Geheimen zu pflegen. Die persönliche Sphäre, ja sogar dieje-
nige der Familie, ist durch den Historiker nicht leicht zu erfassen. Das

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F. Lovsky, Foi et vie, 1950, S. 131-132.
 
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