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Lienhard, Marc; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1986, 4. Abhandlung): Zwischen Gott und König: Situation und Verhalten der französischen Protestanten nach der Aufhebung des Edikts von Nantes; vorgetragen am 13. Dezember 1985 — Heidelberg: Winter, 1986

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https://doi.org/10.11588/diglit.48147#0029
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Zwischen Gott und König

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sen, der ehemalige Advokat Claude Brousson, der deshalb auch ein
gewisses Ansehen bei den Gläubigen genoß und bis zu seiner Hinrich-
tung 1698 eine große Rolle spielte.32
Es fällt auf, daß die protestantische Bourgeoisie in Städten wie
Nimes und Marseille sich sozusagen nicht an den Versammlungen
beteiligte, auch später kaum, als seit 1715 die alte reformierte kirch-
liche Organisation wieder hergestellt war. Und doch haben sie, inner-
halb der Familie, während mehreren Generationen den evangelischen
Glauben bewahrt. Als die Revolution 1789 Glaubensfreiheit prokla-
mierte und Napoleon auch den evangelischen Kirchen einen offiziel-
len Status gab, waren sie wieder da!
Das ist in etwa das dominierende Bild bis vor kurzem gewesen.
Einige Verschiebungen scheinen sich jedoch anzudeuten. Es wird
neuerdings stärker darauf hingewiesen (Joutard), daß in Städten wie
Rouen und Paris auch gut situierte Handelsleute zu den »opiniätres«
gehörten, also zu denen, die sich weigerten abzuschwören.33 Wenn
auch im allgemeinen die Aristokratie auswanderte oder konvertierte,
so waren immerhin 91 Aristokraten auf den Galeeren und 10 in die
Aufstände der Camisarden verwickelt. Der Versuch, sich abseits zu
halten und nur individuell oder im Familienkreis den evangelischen
Glauben zu pflegen gelang gerade beim Adel nur schwer, da er sozial
exponiert war und auch besonders überwacht wurde. Bis 1685 hatte
man den Adel vor Dragonaden verschont, das änderte sich mit der
Aufhebung des Edikts von Nantes.
Eine andere neue Erkenntnis betrifft die Bauern. Man war bislang
der Meinung, daß ihr Widerstand sich hauptsächlich in der Heimat
abgespielt habe und wenige von ihnen ausgewandert seien, aus nahe-
liegenden Gründen. Auch hier ist eine Korrektur anzubringen: es
haben mehr evangelische Bauern das Land verlassen als bisher ange-
nommen, u.a. aus dem Südosten.34
Zu reden wäre natürlich auch von der Rolle der Frauen. Pfarrerin-
nen hat es in der reformierten Kirche Frankreichs vor dem 20. Jahr-
hundert keine gegeben. Aber als die Pfarrer ausgeschaltet waren, erho-
ben sich an manchen Stellen einfache Frauen, die mutig in ihren Häu-
32 Zu Brousson, siehe Ch. Bost, op.cit., und 0. Douen, Les Premiers pasteurs du Desert
(1685-1700), Paris 2 Bde., 1879.
33 So Ph. Joutard, in: Magdelaine - V. Thadden, S. 21.
34 Zur Soziologie der Flüchtlinge, siehe den Katalog: Le Refuge huguenot en Suisse,
Die Hugenotten in der Schweiz, Lausanne, 1985, No. 39-42, S. 33-36.
 
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