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Raible, Wolfgang; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1991, 1. Abhandlung): Zur Entwicklung von Alphabetschrift-Systemen: is fecit cui prodest; vorgetragen am 21. April 1990 — Heidelberg: Winter, 1991

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https://doi.org/10.11588/diglit.48161#0028
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Wolfgang Raible


- Euböa, Gesetze auf den Blöcken einer Steinmauer, ca. 550-525 ?

Dasselbe gilt für den Text aus Attika. In solchen Texten, die Wort-
trennung durch besondere Zeichen signalisieren, darf man freilich noch
keine Interpunktion im heutigen Sinn erwarten.
Auffällig bei der Worttrennung in der griechischen Epigraphik ist nun
freilich, daß es sich im allgemeinen um frühe Texte handelt, oft auch um
Texte aus der Peloponnes oder aus dem ionischen Kleinasien.24 Je jün-
ger die epigraphischen Texte sind, desto eher sind sie dagegen in Scriptio
continua gehalten. Es liegt, wie es scheint, eine Entwicklung von der
leichteren zu einer schwereren Lesbarkeit vor. Die Erklärung für dieses
erstaunliche Phänomen liegt wohl in kulturellem Transfer. Es ist durch-
aus wahrscheinlich, daß bei diesem frühen Usus der Worttrennung
orientalischer Einfluß, also die Praxis der semitischen Schriften, eine
Rolle spielt; die griechische Schrift ist ja aus semitischen Konsonanten-
schriften entstanden.25 Die semitischen Alphabete sind, weil sie die
Wortwurzeln und damit die Wurzelkonsonanten schreiben, aus der
24 Vgl. z.B. Roehl, Inscriptiones (1882), die Nummern 41, 42, 110, 111, 119, 122 aus
Olympia; Nr. 68 aus Tegea; die Nummern 492, 497, 498, 499 aus Kleinasien. - Aus
Lokroi bzw. Aigina sind die Nummern 321, 322, 359. - Auch die 1930 im Töpferviertel
von Korinth gefundenen beschrifteten Vasenteile, die seinerzeit sehr früh datiert wur-
den, haben Worttrennung (durch vier übereinandergestellte Punkte). Vgl. Newhall
Stilwell (1968) (Aufsatz von 1933). Vgl. zu solchen Datierungsfragen die Rezension
von Rhys Carpenter (1963) zu Jeffery (1961), abgedruckt in Pfohl (1968). Auch der
sogenannte Nestorbecher, gemeinhin zu den frühesten Zeugnissen der griechischen
Schrift gerechnet (und mit Worttrennern versehen), scheint weniger alt zu sein als an-
genommen. Der Text ist offenbar nachträglich in einen älteren Träger eingeritzt. (Vgl.
Carpenter in Pfohl 1968).
25 Florian Coulmas (1989:165) vertritt aus wenig erfindlichen Gründen teils gegensätzli-
che Ansichten zum Altgriechischen: „. . . In other respects [gemeint ist: trotz - gegen-
über den semitischen Schriften - zusätzlicher Buchstaben] the Greek script was not
 
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