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Raible, Wolfgang; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]; Heger, Klaus [Gefeierte Pers.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1992, 2. Abhandlung): Junktion: eine Dimension der Sprache und ihre Realisierungsformen zwischen Aggregation und Integration ; vorgetragen am 4. Juli 1987 ; Klaus Heger zum 22.6.1992 — Heidelberg: Winter, 1992

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https://doi.org/10.11588/diglit.48166#0077
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II. Die außereinzelsprachliche Perspektive

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zum Althochdeutschen zeigt73. (Wenn freilich die Markierung des Erst-
Aktanten durch Subjekts-Morpheme erst einmal grammatikalisiert ist,
kann sie diese Information nicht mehr vermitteln.) Besonders unge-
wöhnlich und aufwendig - und deshalb in Sprachen sehr selten - ist das
Verfahren des Gaskognischen, bei dem anfänglich umgekehrt das
Gleichbleiben des Erst-Aktanten durch ein Enunziativ signalisiert
wurde (jetzt gilt dies nur noch dort, wo z. B. que in besonderen Fällen als
Nebensatz-Enunziativ verwendet wird). Inzwischen, nach ihrer Gram-
matikalisierung, dienen die Enunziative genauso anderen Zwecken wie
die Subjektsmorpheme beim Verb.
4.2 Koaleszenz durch wechselseitige Zuordnung/Korrespondenz
In den bisherigen Fällen ging es um Koaleszenz durch Partizipanten, die
zwei aufeinanderfolgenden Sachverhaltsdarstellungen gemeinsam sind.
Die folgenden Fälle haben die Gemeinsamkeit, daß Sachverhaltsdar-
stellungen nicht nur benachbart sind und gegebenenfalls durch gemein-
same Partizipanten koaleszieren. Die Sachverhaltsdarstellungen sind
vielmehr aufeinander bezogen, und zwar so, daß keine ohne die andere
auskommt. „Peter ist krank“ und „Peter ging nicht zur Schule“ sind
Sachverhaltsdarstellungen, die unabhängig voneinander gesehen wer-
den und existieren können. Bei Koaleszenz durch Zuordnung sind beide
Sachverhaltsdarstellungen aufeinander angewiesen. Einige Beispiele
sollen dies verdeutlichen.
- chi va al mulino, s’infarina
(„Wer zur Mühle geht, macht sich mehlig.“)
- chi vuol la figlia, carezzi la madre
(„Wer die Tochter haben will, poussiere die Mutter.“)
- chi non semina, non raccoglie
(„Wer nicht sät, erntet nicht.“)
Das Gemeinsame an diesen drei italienischen Sprichwörtern liegt nicht
nur darin, daß der Erst-Aktant der ersten Sachverhaltsdarstellung, ein
unbestimmtes Subjekt, identisch ist mit dem der zweiten Sachverhalts-
darstellung. „Chi va al mulino“ setzt einen Bezugspunkt voraus, ist also
nicht selbständig, und umgekehrt setzt „s’infarina“ das „chi va al mu-
lino“ als Erst-Aktant voraus. Im Deutschen kann dies durch die Korre-
73 Vgl. dazu Michael Schecker (1990).
 
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