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Wolfgang Raible
lation ,wer- der‘ unterstrichen werden („Wer zur Mühle geht, der macht
sich mehlig“). Im Altfranzösischen ist hier ein si möglich: „Qui deniers a
en bourse si a vin en pot“, „Wer Geld in der Börse hat, der hat auch
Wein im Krug“74. Solche Arten der Zuordnung werden unten in Kapitel
IV.4 nochmals unter dem Rubrum der „Para-Hypotaxe“ von Luigi Sor-
rento (ital. paraipotassi) eine Rolle spielen.
Eine solche wechselseitige Zuordnung von Sachverhaltsdarstellungen
kann durch Parallelismus weiter unterstrichen werden:
- meno dici, meno sbagli
(„Je weniger du sagst, desto weniger irrst du.“)
Der Parallelismus kann sogar mangelnde sonstige syntaktische Kohä-
sion ersetzen:
- consigliare ii figlio, seminare al vento
(„Dem Sohn einen Rat geben, in den Wind säen“.)
- capo grosso, cervello magro
(„Großer Kopf, kleines Hirn.“)
Auch Koaleszenz durch gemeinsame Partizipanten ist keineswegs nötig:
- fatta la legge, trovato l’inganno
(„Gesetz gemacht, Betrug erdacht.“)
Die Beispiele haben nun alle eine weitere - die eigentlich entscheidende
- Gemeinsamkeit: Sie drücken inhaltlich ein- und dieselbe Relation aus,
die der ,Bedingung4, deren grundlegende Bedeutung für die zweiseiti-
gen Relationen unten in Kapitel III.2 zur Sprache kommen wird. Ty-
pisch für Bedingungssätze ist gerade die Korrelation: Der wenn-Satz
verweist auf die Apodosis des dann-Satzes, der dann-Satz auf die Prota-
sis des wenn-Satzes. Daß allen zitierten Sprichwörtern eine solche Be-
dingungs-Korrelation zugrunde liegt, ist nichts Überraschendes. Sprich-
wörter formulieren sehr oft Regeln, und Regeln bzw. Gesetze, die zwei
Sachverhalte zueinander in Beziehung setzen, können stets als Bedin-
gungsgefüge formuliert werden (eine Rechtsnorm verbindet einen Tat-
bestand mit einer Rechtsfolge).
74 Vgl. zu diesem si Marchello-Nizia (1985). - Die Verwandtschaft zwischen dem si und
den Enunziativen des Gaskognischen ist nur auf den ersten Blick verlockend.
Wolfgang Raible
lation ,wer- der‘ unterstrichen werden („Wer zur Mühle geht, der macht
sich mehlig“). Im Altfranzösischen ist hier ein si möglich: „Qui deniers a
en bourse si a vin en pot“, „Wer Geld in der Börse hat, der hat auch
Wein im Krug“74. Solche Arten der Zuordnung werden unten in Kapitel
IV.4 nochmals unter dem Rubrum der „Para-Hypotaxe“ von Luigi Sor-
rento (ital. paraipotassi) eine Rolle spielen.
Eine solche wechselseitige Zuordnung von Sachverhaltsdarstellungen
kann durch Parallelismus weiter unterstrichen werden:
- meno dici, meno sbagli
(„Je weniger du sagst, desto weniger irrst du.“)
Der Parallelismus kann sogar mangelnde sonstige syntaktische Kohä-
sion ersetzen:
- consigliare ii figlio, seminare al vento
(„Dem Sohn einen Rat geben, in den Wind säen“.)
- capo grosso, cervello magro
(„Großer Kopf, kleines Hirn.“)
Auch Koaleszenz durch gemeinsame Partizipanten ist keineswegs nötig:
- fatta la legge, trovato l’inganno
(„Gesetz gemacht, Betrug erdacht.“)
Die Beispiele haben nun alle eine weitere - die eigentlich entscheidende
- Gemeinsamkeit: Sie drücken inhaltlich ein- und dieselbe Relation aus,
die der ,Bedingung4, deren grundlegende Bedeutung für die zweiseiti-
gen Relationen unten in Kapitel III.2 zur Sprache kommen wird. Ty-
pisch für Bedingungssätze ist gerade die Korrelation: Der wenn-Satz
verweist auf die Apodosis des dann-Satzes, der dann-Satz auf die Prota-
sis des wenn-Satzes. Daß allen zitierten Sprichwörtern eine solche Be-
dingungs-Korrelation zugrunde liegt, ist nichts Überraschendes. Sprich-
wörter formulieren sehr oft Regeln, und Regeln bzw. Gesetze, die zwei
Sachverhalte zueinander in Beziehung setzen, können stets als Bedin-
gungsgefüge formuliert werden (eine Rechtsnorm verbindet einen Tat-
bestand mit einer Rechtsfolge).
74 Vgl. zu diesem si Marchello-Nizia (1985). - Die Verwandtschaft zwischen dem si und
den Enunziativen des Gaskognischen ist nur auf den ersten Blick verlockend.