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Jayme, Erik; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1994, 1. Abhandlung): "Entartete Kunst" und internationales Privatrecht: vorgetragen am 6. November 1993 — Heidelberg: Winter, 1994

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https://doi.org/10.11588/diglit.48170#0029
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Entartete Kunst

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gründ. Man liest diese Urteile heute nicht ohne Befremden. So ent-
schied das Kammergericht am 8.1.1965, die entschädigungslose
Einziehung eines Bildes von Corinth stelle für sich allein keine Ver-
folgungsmaßnahme dar.57 Das Werk sei nicht etwa als sogenanntes
„volks- und staatsfeindliches Vermögen“ eingezogen worden."’8 Ein
Argument der Entscheidung geht dahin, daß man der Erblasserin
u.a. ein Bild von Feuerbach belassen habe.59 Mit anderen Worten:
Wer ein Bild von Feuerbach besitzen darf, ist nicht verfolgt, wenn
man ihm andere Bilder seiner Sammlung wegnimmt.
Aufschlußreich ist auch die Entscheidung des Oberlandesge-
richts München vom 3O.1O.1967.60 Hier ging es um die Skulptur
„große Knieende“ des Bildhauers Wilhelm Lehmbruck.61 Das
Gericht wies die Rückgabeklage ab. Die Witwe des Künstlers, Anita
Lehmbruck, sei nicht als Verfolgte anzusehen. Ein ursächlicher
Zusammenhang zwischen der Beschlagnahme der Skulptur und der
weltanschaulichen Einstellung der Anita Lehmbruck sei nicht gege-
ben, da man ihr 18 Plastiken und 8 Bilder zurückgegeben habe, und
dies - hier folgt ein längeres Zitat aus einer in der Nachkriegszeit
erschienenen Monographie zur „entarteten Kunst“62 -
„obwohl sie in mehreren Briefen, die an Deutlichkeit und
Entschiedenheit nichts zu wünschen übrig lassen, die Kunst-
politik der NS kritisierte, so daß die [Kunstkammer] über die-
sen einzigartigen Fall einer Verkennung unseres Entgegen-
kommens, über dieses hartnäckige Verfolgen eines vermeint-
lichen Rechts gegen den Führer verlegen und empört war.“63
57 KG, 8.1.1965, RzW 1965, 161f. Die Entscheidung betraf außer anderen Gemäl-
den das „Porträt des Dichters Georg Hirschfeld und seiner Gattin Elli“ von
Corinth: „Es bedarfkeiner Erörterung, daß den Nationalsozialisten die Darstel-
lung eines jüdischen Dichters nicht genehm war und von ihnen daher als „entar-
tete Kunst“ angesehen wurde.“
58 Gesetz über die Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens v.
14.7.1933, RGBl. 1933 I, 479.
59 Obere Note 57: „Werke von Feuerbach, Leibi, Thoma, Trübner und Uhde“.
60 OLG München, 30.10.1967, RzW 1968, 58.
61 Ob es sich um dieselbe Skulptur handelt, welche 1993 in New York für Dresden
ersteigert wurde - vgl. oben Note 47 - ließ sich nicht feststellen. Es gab „zehn
Fassungen der Knieenden“ Dietrich Schubert, Die Kunst Lehmbrucks, 2. Auf!.,
Worms/Dresden 1990, S. 156. Zur Entfernung der „Knieenden“ aus den deut-
schen Museen vgl. Dietrich Schubert, a.a.O., N. 5.
62 Rave, Kunstdiktatur im Dritten Reich, Hamburg 1949, S. 69.
63 Oben Note 60, S. 59.
 
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