Metadaten

Jayme, Erik; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1994, 1. Abhandlung): "Entartete Kunst" und internationales Privatrecht: vorgetragen am 6. November 1993 — Heidelberg: Winter, 1994

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48170#0030
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
20

Erik Jayme

Angesichts der physischen Vernichtung der jüdischen Bevölkerung
und anderer Verfolgter erschien die Wegnahme von Kunstwerken
offenbar als ein geringer Eingriff. Daß hier das Innerste der Person
getroffen, zwar nicht die physische, aber doch die seelische Vernich-
tung zum Programm erhoben wurde64, drang kaum ins Bewußtsein
der Rechtsanwender der Nachkriegszeit. So heißt es in einer Ent-
scheidung des Obersten Rückerstattungsgerichts vom 11.1.1967:65
„Die NSDAP hat nun einmal die Staatsgewalt gegen die ent-
artete Kunst eingesetzt, d.h. sie hat Maßnahmen auf politi-
schem Gebiet gegen sie ergriffen, aber damit wurde der
Gegenstand, gegen den sich die Maßnahmen richteten, noch
nicht zum Ausdruck einer politischen Auffassung.“
Ganz spitzfindig argumentiert das Oberlandesgericht Celle gegen
die Ansprüche auf Rückerstattung von Werken entarteter Kunst:66
“Andernfalls würde auch ein eifriger Förderer des National-
sozialismus, dem ein Werk der sogenannten entarteten Kunst
oder Werke jüdischer Verfasser entzogen worden sind, Rük-
kerstattung verlangen können. Das aber kann unmöglich der
Sinn des Gesetzes sein.“
Es handelt sich um eine das Absurde streifende Überlegung, die an
den Fakten gänzlich vorbeigeht.
Gelegentlich versuchten auch die geplünderten Museen, die
Werke zurückzuerhalten. Hier war die Antwort schlicht: Eine Stadt
oder eine städtische Kunsthalle könne nicht Verfolgte im Sinne des
Rückerstattungsrechts sein.67
Wie dem auch sei: Aus jenen Urteilen, die im Rahmen einer Spe-
zialgesetzgebung ergingen, wird man umgekehrt auch nicht entneh-
men können, daß sie die Eigentumslage klärten oder veränderten.
Dem heutigen Richter stellen sich die Fragen der Eigentumsver-

64 Vgl. „Zieglers Rede zur Eröffnung der Ausstellung „Entartete Kunst“ 1937“, in:
Schuster (Hrsg.), oben Note 24, S. 217ff.
65 ORG, 11.1.1967, RzW 1967, 299f.
66 OLG Celle, 8.5.1951, RzW 1951, 201.
67 OLG Karlsruhe, 20.5.1954, RzW 1954, 225f.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften