Wir müssen ins 15. Jahrhundert zurückgehen, um fast alle hier vorkommenden Formen wiederzu-
linden. Vergleiche zu den Formen des A Main- und Taubergrund Nr. 106 von 1301, ferner drei als
,,14. Jahrhundert“ bezeichnete undatierte Glocken ebenda Nr. 434-456; zu der Form des N mit
eingerolltem Vorderschaft vgl. das N in Mainz, Dom Nr. 27 vom Anfang des 15. Jahrhunderts. Diese
Schrift, sowie ebenda Nr. 28 aus dem 13. Jahrhundert stehen den unsrigen auch im Gesamttypus
am nächsten; dazu vgl. die Ausführungen Bauers zur Datierung von Nr. 28, ferner R. Rauh, Paläo-
graphie der mainfränkischen Monumentalinschriften 21-31. Wir werden demnach unsere Inschrif-
ten Nr. 2 und 3 ins 13. Jahrhundert datieren müssen, ohne die Datierung vom Epigraphischen her
— mangels Vergleichsmaterial — weiter einengen zu können.
Zur Stützung dieser Datierung mag noch darauf hingewiesen werden, daß die Kirche zu Johan-
neskirchen nach den dort aufgefundenen Freskenresten aus dem frühen 13. Jahrhundert stammt,
siehe R. Hoffmann, Johanneskirchen bei München nach der jüngst erfolgten künstlerischen Er-
neuerung, Münchener Zeitung Nr. 147/149 von Pfingsten 1939. Die beiden dort befindlichen
Glocken (die zweite trägt keine Inschrift) sind, ihrer steilen Form nach zu urteilen, die ältesten des
Aufnahmegebiets und stammen aus der gleichen Gießerei. Daher dürften sie zur ursprünglichen
Ausstattung der Kirche gehören. Die Kirche zu Keferloh wurde 1173 erbaut, 1240 zerstört und neu-
erbaut (Dehio-Gall, Handbuch 50); für keine der beiden Kirchen ist bis zur Barockzeit eine größere
bauliche Umgestaltung nachzuweisen.
Bei der chronologischen Einordnung dieser beiden Inschriften Nr. 2 und 3 zeigt sich besonders
deutlich, welchen Schwierigkeiten die Datierung gotischer Majuskelschriften noch gegenübersteht;
Abhilfe kann nur die Veröffentlichung umfangreicheren Vergleichsmaterials schaffen.
Die Frühkapitalis
Als ,,Frühkapitalis“ wird hier eine Schriftform bezeichnet, die bisher nur Bauer, Mainzer In-
schriften 7, kurz beschrieben hat. Im Vergleich zur gotischen Majuskel sind die Buchstaben magerer
und offener, meist sehr langgestreckt, so daß das Verhältnis von Breite zu Höhe nicht selten 1:5 ist.
Die eckigen Formen überwiegen gegenüber den runden. Typische Buchstaben sind das doppel-
bauchige E, neben dem aber auch Frühkapitalis-E vorkommt, das FI in Kapitalisform, dann vor
allem das M, das wie ein Kapitalis-FI mit einem kurzen Mittelschaft gebildet ist; daneben auch
Kapitalis-M. Typisch sind ferner die Schaftausbuchtungen, besonders beim Querbalken des IT und
beim Schrägbalken des sehr oft spiegelverkehrt stehenden N. Das I hat meist einen Punkt und einen
Knoten in der Schaftmitte.
Diese Schrift ist auf Steindenkmälern sehr selten; die Mainzer Inschriften bieten nur ein Bei-
spiel in dem auf etwa 1490 datierten Fastradastein, Mainz, Dom Nr. 1. Auch in München ist sie nur
in drei Beispielen von 1491-97 vertreten, die aber alle dem Bereich der Malerei angehören, Nr. 81,
82, 97. Interessant ist, daß Buchstaben dieser Schrift als Großbuchstaben in gotischen Minuskel-
schriften verwendet wurden, so von dem Glockengießer Ulrich von Rosen 1485, Nr. 67 und 1492,
Nr. 86, und von dem unbekannten Meister des Kaiser-Ludwig-Sarkophags, Nr. 121. Dies kann kaum
überraschen, da die Behandlung der Großbuchstaben in der gotischen Minuskelschrift ziemlich un-
sicher ist.
Bezüglich der Herkunft dieser Schriftart vermutet Bauer, daß sie von der in Burgund am Anfang
des 15. Jahrhunderts aus der gotischen Majuskel entwickelten eigentümlichen burgundischen Son-
derform stamme und sich von dort nach der Mitte des 15. Jahrhunderts ostwärts verbreitet habe.
Bei der Beurteilung dieser Frage wird man in erster Linie die Malerei im Auge behalten müssen,
in der diese Schrift spätestens 1449 bei K. Laib bereits auftaucht, um sich dann bei Schüchlin,
Schongauer, Zeitblom, Strigel und schließlich Jan Pollack großer Beliebtheit zu erfreuen, vgl. etwa
E. Fleidrich, Die Altdeutsche Malerei (Neubearb. v. II. Möhle 1941), Taf. 38, 46, 47, 49, 54 usw.
Vermutlich würden sich noch frühere Beispiele finden lassen. Die Frage bedarf einer eigenen Unter-
suchung, die über den Rahmen dieses Überblicks hinausführen würde.
Die Kapitalis
Ebenso wie die Frühkapitalis wurde auch die in Italien bereits im frühen 15. Jahrhundert aus-
gebildete reine Kapitalis gegen Ende des Jahrhunderts von den deutschen Künstlern fertig über-
nommen. Aber auch innerhalb der reinen Kapitalis läßt sich deutlich eine Entwicklung feststellen,
die sich, soweit bisher zu beurteilen, in drei Stufen vollzieht. Die erste Stufe zeigt voll ausgebildete
harmonische Formen, wie sie im Münchener Bereich am Gewandsaum der Ursulastatue von 1499
XX Hl
linden. Vergleiche zu den Formen des A Main- und Taubergrund Nr. 106 von 1301, ferner drei als
,,14. Jahrhundert“ bezeichnete undatierte Glocken ebenda Nr. 434-456; zu der Form des N mit
eingerolltem Vorderschaft vgl. das N in Mainz, Dom Nr. 27 vom Anfang des 15. Jahrhunderts. Diese
Schrift, sowie ebenda Nr. 28 aus dem 13. Jahrhundert stehen den unsrigen auch im Gesamttypus
am nächsten; dazu vgl. die Ausführungen Bauers zur Datierung von Nr. 28, ferner R. Rauh, Paläo-
graphie der mainfränkischen Monumentalinschriften 21-31. Wir werden demnach unsere Inschrif-
ten Nr. 2 und 3 ins 13. Jahrhundert datieren müssen, ohne die Datierung vom Epigraphischen her
— mangels Vergleichsmaterial — weiter einengen zu können.
Zur Stützung dieser Datierung mag noch darauf hingewiesen werden, daß die Kirche zu Johan-
neskirchen nach den dort aufgefundenen Freskenresten aus dem frühen 13. Jahrhundert stammt,
siehe R. Hoffmann, Johanneskirchen bei München nach der jüngst erfolgten künstlerischen Er-
neuerung, Münchener Zeitung Nr. 147/149 von Pfingsten 1939. Die beiden dort befindlichen
Glocken (die zweite trägt keine Inschrift) sind, ihrer steilen Form nach zu urteilen, die ältesten des
Aufnahmegebiets und stammen aus der gleichen Gießerei. Daher dürften sie zur ursprünglichen
Ausstattung der Kirche gehören. Die Kirche zu Keferloh wurde 1173 erbaut, 1240 zerstört und neu-
erbaut (Dehio-Gall, Handbuch 50); für keine der beiden Kirchen ist bis zur Barockzeit eine größere
bauliche Umgestaltung nachzuweisen.
Bei der chronologischen Einordnung dieser beiden Inschriften Nr. 2 und 3 zeigt sich besonders
deutlich, welchen Schwierigkeiten die Datierung gotischer Majuskelschriften noch gegenübersteht;
Abhilfe kann nur die Veröffentlichung umfangreicheren Vergleichsmaterials schaffen.
Die Frühkapitalis
Als ,,Frühkapitalis“ wird hier eine Schriftform bezeichnet, die bisher nur Bauer, Mainzer In-
schriften 7, kurz beschrieben hat. Im Vergleich zur gotischen Majuskel sind die Buchstaben magerer
und offener, meist sehr langgestreckt, so daß das Verhältnis von Breite zu Höhe nicht selten 1:5 ist.
Die eckigen Formen überwiegen gegenüber den runden. Typische Buchstaben sind das doppel-
bauchige E, neben dem aber auch Frühkapitalis-E vorkommt, das FI in Kapitalisform, dann vor
allem das M, das wie ein Kapitalis-FI mit einem kurzen Mittelschaft gebildet ist; daneben auch
Kapitalis-M. Typisch sind ferner die Schaftausbuchtungen, besonders beim Querbalken des IT und
beim Schrägbalken des sehr oft spiegelverkehrt stehenden N. Das I hat meist einen Punkt und einen
Knoten in der Schaftmitte.
Diese Schrift ist auf Steindenkmälern sehr selten; die Mainzer Inschriften bieten nur ein Bei-
spiel in dem auf etwa 1490 datierten Fastradastein, Mainz, Dom Nr. 1. Auch in München ist sie nur
in drei Beispielen von 1491-97 vertreten, die aber alle dem Bereich der Malerei angehören, Nr. 81,
82, 97. Interessant ist, daß Buchstaben dieser Schrift als Großbuchstaben in gotischen Minuskel-
schriften verwendet wurden, so von dem Glockengießer Ulrich von Rosen 1485, Nr. 67 und 1492,
Nr. 86, und von dem unbekannten Meister des Kaiser-Ludwig-Sarkophags, Nr. 121. Dies kann kaum
überraschen, da die Behandlung der Großbuchstaben in der gotischen Minuskelschrift ziemlich un-
sicher ist.
Bezüglich der Herkunft dieser Schriftart vermutet Bauer, daß sie von der in Burgund am Anfang
des 15. Jahrhunderts aus der gotischen Majuskel entwickelten eigentümlichen burgundischen Son-
derform stamme und sich von dort nach der Mitte des 15. Jahrhunderts ostwärts verbreitet habe.
Bei der Beurteilung dieser Frage wird man in erster Linie die Malerei im Auge behalten müssen,
in der diese Schrift spätestens 1449 bei K. Laib bereits auftaucht, um sich dann bei Schüchlin,
Schongauer, Zeitblom, Strigel und schließlich Jan Pollack großer Beliebtheit zu erfreuen, vgl. etwa
E. Fleidrich, Die Altdeutsche Malerei (Neubearb. v. II. Möhle 1941), Taf. 38, 46, 47, 49, 54 usw.
Vermutlich würden sich noch frühere Beispiele finden lassen. Die Frage bedarf einer eigenen Unter-
suchung, die über den Rahmen dieses Überblicks hinausführen würde.
Die Kapitalis
Ebenso wie die Frühkapitalis wurde auch die in Italien bereits im frühen 15. Jahrhundert aus-
gebildete reine Kapitalis gegen Ende des Jahrhunderts von den deutschen Künstlern fertig über-
nommen. Aber auch innerhalb der reinen Kapitalis läßt sich deutlich eine Entwicklung feststellen,
die sich, soweit bisher zu beurteilen, in drei Stufen vollzieht. Die erste Stufe zeigt voll ausgebildete
harmonische Formen, wie sie im Münchener Bereich am Gewandsaum der Ursulastatue von 1499
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