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Zahn, Peter [Editor]; Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste [Contr.]; Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften [Contr.]; Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin [Contr.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]; Bayerische Akademie der Wissenschaften [Contr.]; Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig [Contr.]; Österreichische Akademie der Wissenschaften [Contr.]; Akademie der Wissenschaften in Göttingen [Contr.]; Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz [Contr.]
Die deutschen Inschriften: DI (Band 13 : Münchener Reihe ; Band 3): Die Inschriften der Friedhöfe St. Johannis, St. Rochus und Wöhrd zu Nürnberg (Teilbd. 1: bis zum Jahre 1580) — München: Druckenmüller, 1972

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https://doi.org/10.11588/diglit.45637#0025
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Die humanistische Minuskel
Noch seltener als die Kapitalis begegnet die humanistische Minuskel. Die wenigen Beispiele - es sind
bis 1650 insgesamt 27 - verraten jedoch wieder den Einfluß der Schreibmeister und rechtfertigen deshalb
einen Seitenblick. Die erste Inschrift dieser Art ist Nr. 484 von 1541 (Abb. 53, 55). Sie hat sehr viel gemein-
sam mit der Schriftprobe und dem Alphabet in Neudörffers Pergamentblatt von 1533 139). Dasselbe gilt
auch für die Inschriften Nr. 654 von 1549 (Abb. 71), Nr. 677 von 1550 (Abb. 74) und Nr. 763 von 1553
(Abb. 79). Identisch mit einem Alphabet in humanistischer Minuskel des Schreibmeisters Wolfgang Fugger
ist der Buchstabenbestand in Nr. 982 von 1562 (Abb. 92) 14°).
Die gotische Minuskel
In der Epigraphik ist die gotische Minuskel in der Form der Textura seit der zweiten Hälfte des 14. Jahr-
hunderts heimisch. Auf den Nürnberger Friedhöfen begegnet sie uns in ihrer späten Ausbildung, mit kur-
siven Merkmalen, die aus den Buchkursiven und Bastarden der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts ab-
leitbar sind.
Besonders deutlich ist dies an den Inschriften der Vischerhütte und anderen Schriftgruppen, bei denen
sich Mitarbeit oder Einfluß von Schreibmeistem nachweisen lassen. Die Oberlängen von b h 1 können
geflammte Fähnchen, bogenförmige Deckstriche oder Schleifen tragen; Schleifen sind auch bei den Unter-
längen von g und y und dem jetzt unter die Zeile gezogenen zweiten Schaft des h möglich, besonders in
der letzten Zeile einer Inschrift (Abb. 2, 6,10,13,22)141).
Gegen die Mitte des 16. Jahrhunderts können eingestreute Bastarda- oder Frakturkleinbuchstaben hin-
zukommen, wie spitzzulaufende f und lange s (Abb. 64)142). Die gotische Minuskel überwiegt in den
Nürnberger Friedhofsinschriften bis in die siebziger Jahre; von 1575 an erhält die Fraktur das Überge-
wicht. Sehr deutlich ist diese Ablösung auch innerhalb einer bestimmten Werkgruppe zu beobachten143).
Die letzten Beispiele von Inschriften in gotischer Minuskel sind vom Ende des Jahrhunderts144).
Die Großbuchstaben sind von verschiedenster Herkunft und Gestalt. Die von Kalligraphen entworfenen
Inschriften der Vischerhütte und anderer hochstehender Werkstätten tragen von Anfang an wohlausge-
wogene, mit sicherem Stil abgewandelte Frakturversalien. „Es werden etwan die Versal, so in der Fractur
geschrieben werden, auch zu dieser schriefft gebraucht, laß ich in seinem werdt bleiben“, schreibt Wolfgang
Fugger mit einem Wort der Kritik zu diesem Verfahren145).
Eine Inschriftengruppe innerhalb der Vischerhütte hat jedoch auch Großbuchstaben in strengerem Stil
(Abb. 14, 16, 41). Sie gleichen mit ihrer vorangestellten Rautengirlande auffallend den Versalien des
Textura-Alphabets am Ende des dritten Buches von Albrecht Dürers Unterweisung der Messung (1525)146).
Unsicherheiten in der Formgebung der Großbuchstaben fallen besonders bei den zweitrangigen Werk-
stätten auf. So zeigen die Großbuchstaben der Werkgruppe B (1522-1565), mit mehr als 300 Inschriften
der zahlenmäßig größten des Bestandes, die verschiedenartigsten Einflüsse: Verwandtschaften zu den
Majuskeln der von Crous und Kirchner so genannten „Deutschen Textura“147) sind erkennbar; ab 1536
wird auch der Frakturcharakter deutlich148). Textura-Großbuchstaben, vermischt mit solchen der Fraktur,
sind noch unter Beispielen der Gruppe F (1538-1555) zu finden (Abb. 82)149). Im ganzen gesehen sind
jedoch im 16. Jahrhundert die Frakturversalien bestimmend geworden für den Gesamtcharakter dieser
Schriftart, die jedoch terminologisch weiterhin nach der Form ihrer Kleinbuchstaben als gotische Minuskel
oder genauer Textura bezeichnet wird.
Die Fraktur
Wie bereits erwähnt, waren Frakturversalien von Anfang an gebräuchlich, als man in den Jahren nach
1520 die neuen Gräber beschriften mußte. Die Kleinbuchstaben dieser Schrift, in der Kalligraphie und auch

139) Vgl. Zahn, Beiträge Abb. 3 Mitte.
14°) Vgl. Fugger, Schreibbüchlein, Faksimile-Ausgabe S. 89.
141) Ebenda Taf. III, IVb, VIII.
142) Ebenda Taf. Vila.
143) Werkgruppe J (1562-1588), vgl. Zahn, Beiträge S. 129ff. und Taf. IXb.
144) Ro 145 Johan und Anna Ernst 1596; Ro 680 Georg Ehel 1598; Jo 1283 Paulus v. Molsdorff 1599.
145) Fugger, Schreibbüchlein, Faksimile-Ausgabe S. 66.
146) Vgl. Zahn, Beiträge Taf. IVa; Crous, Dürer und die Schrift Abb. S. 49.
147) Ernst Crous und Joachim Kirchner, Die gotischen Schriftarten Abb. 106.
148) Vgl. Zahn, Beiträge S. 100 und Taf. IVa.
149) Ebenda Taf. Vllb.

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