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Zahn, Peter; Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste [Contr.]; Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften [Contr.]; Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin [Contr.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]; Bayerische Akademie der Wissenschaften [Contr.]; Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig [Contr.]; Österreichische Akademie der Wissenschaften [Contr.]; Akademie der Wissenschaften in Göttingen [Contr.]; Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz [Contr.]
Die deutschen Inschriften: DI (Band 68 = Münchener Reihe, 11. Band, Nürnberg, Teilband 2) (1581-1608) — Wiesbaden: Dr. Ludwig Reichert Verlag, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.57582#0026
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erobert 1585 Antwerpen. Der Niederländische Unabhängigkeitskampf dauert von 1592 bis 1609 und
weiter bis 1648, bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges. Die reformierten Niederländer (wie die Fran-
zosen und Schweizer sind sie Calvinisten) kommen aus Herzogenbusch (1264, 1763, 2461, 24.66, 2765,
2917), Meppen (1349), Gent (1382, 2298, 2887, 4304a), Antwerpen (1420, 1642, 1700, 1735, 1744, 1762,
1855, 1976 a, 2075, 2253, 2374, 2460, 2463, 2578), aus Brügge (2300), Lüttich (2968), weiteren Orten im
Hennegau (1561, 1813, 2032, 2390, 2480, 2602, 2766, 3274, 3276) und aus Brabant (2891). Sie bringen aus
ihrer Heimat spezielle Fertigungskenntisse, weitgespannte Handelsverbindungen und oft beträchtliche
Vermögen mit: unter ihnen sind aus Antwerpen die Tacquet (Nr. 1420), die Piepelaer (Nr. 1762), de
Stiger (Nr. 2075 und 2578), aus den Niederlanden die Morian (Nr. 2390) und aus Tournai im Hennegau
die Legrand (Nr. 2766). Auch fast alle Vertreter des in Nürnberg neu eingeführten Gewerbes der Tuch-
färbung und Tuchbereitung nach „englischer“ Art sind Calvinisten aus den südlichen Niederlanden
(Nr. 1642, 1700, 1701, 1735, 1855, 1952, 2374, 2463, 2602), wie auch fast alle Tuchhändler (1264, 1382,
1349, 1561), sowie die (Seiden-)Bortenwirker und Seidenhändler (Nr. 1813, 2390, 2719, 2968).
Die seit Mitte des 16. Jahrhunderts zu achzig Prozent protestantischen Länder Österreichs werden
in der Gegenreformation rekatholisiert. Parallel zur Zuwanderung aus den Niederlanden, wirkt sich
daher seit den späten 1570er Jahren die Migration aus Österreich aus, mit Spitzen vor und nach den
Bauernaufständen (1595/96) und den Ausweisungen unter Ferdinand II (1578-1637, Kaiser ab 1619).
Für viele ist Nürnberg besonders anziehend: sie finden ein relativ liberales Luthertum, einen noch im-
mer reichen Handel, rege Geldgeschäfte (die bald zur Einrichtung der ersten deutschen Börse führen),
einen hohen Stand der metallverarbeitenden Handwerke, bis hin zum Musikinstrumentenbau, und
ein hochentwickeltes vorindustrielles „Verlagswesen“, das imstande ist, in kürzester Zeit ganze Heere
auszurüsten. Auch dank seines Druckgewerbes gilt Nürnberg mit seinem regem geistigem Leben als
Kunstmetropole für den deutschen Süden und genießt den Ruf einer Musenstadt. (Siehe Tabelle
„Buch, Papier, Zeitung). Die Reichsstadt an der Pegnitz zieht daher unter den österreichischen Exu-
lanten nicht nur Kaufleute an, sondern auch Kunsthandwerker und in anderen Berufen tätige. Nach
Nürnberg kommen in der Berichtszeit die Stetner aus Laibach und Villach (Nr. 1667), der Kaufmann
Thomas Neßmann (Nr. 2575) und der Montanhändler Andreas Auer (Nr. 2940), beide aus Villach. Aus
der Steiermark wandern die Putz (Nr. 2862) ein. Die Hauptwelle der Migration aus Österreich erreicht
Nürnberg jedoch erst nach 1608.122)
Entsprechend den weitreichenden und nach Sparten differenzierten Handelsverbindungen der
(Groß-) Kaufleute, die oft in Personalunion Verleger waren und die handwerkliche Produktion vorfi-
nanzierten („vorlegten“), sind die herstellenden Handwerker in unseren Listen und Tabellen besonders
vertreten. Die größte Gruppe bildet das Metallgewerbe mit 306 Personen (9,79%). — Darunter sind 165
im eisenverarbeitenden Handwerk (5,24%): 20 Drahtzieher, 24 Messerer, 13 Schlosser, 11 Heftlein-
macher und 10 Hufschmiede (siehe Tabelle „Eisengewerbe“). Unter den 84 Messinghandwerkern
(2,03%) sind allein 38 Rotschmiede (siehe Tabelle „Messinggewerbe“). Zum feinmechanischen und
optischen Gewerbe sind 61 Personen zu zählen (siehe Tabelle „Feinmechanik, Optik“). Im Textil- und
Bekleidungsgewerbe finden wir 215 Nennungen (6,84%), vom Barettmacher (Nr. 1439, 1904, 2208,
2460, 2934) bis zu den Zeichenmeistern der Färber (Nr. 1596) und Tuchmacher (Nr. 1656, 1800). Die
Gruppe zählt 29 Färber, darunter 11 „englische Tuchfärber“, 25 Weber und 37 im Tuchmachergewerbe
tätige. Es folgt das Ledergewerbe mit 103 Personen (3,27%) in 15 Berufen, vom Beutler bis zum Zaum-
macher, darunter 19 Kürschner und 14 Schuster (siehe Tabelle „Ledergewerbe“).
Zur exportorientierten Wirtschaft gehört auch der Luxussektor: von der Gold-, Silber- und
Schmuckverarbeitung kennen wir aus den Inschriften 155 Personen (5%), darunter 70 Goldschmiede,
28 Silberdrahtarbeiter, 12 Gold(draht)arbeiter und 14 Juweliere.123) (siehe Tabelle „Gold, Silber, Juwe-
len“). Zu den Kunstschaffenden zählen 88 Personen (2,80%), darunter sind 10 Bildschnitzer, 18 Musi-
ker und 20 Maler (siehe Tabelle „Kunstschaffende“).
Über all diesem Gewerbeleben steht, geleitet vom (patrizischen) Inneren Rat und dem Größeren
Rat (dem Genanntenkollegium), die reichsstädtische Verwaltung mit 173 Personen (5,40%), unterstützt

122) Werner Wilhelm Schnabel, Österreichische Exulanten in oberdeutschen Reichsstädten. Zur Migration
von Führungsschichten im 17. Jahrhundert. München 1992.
123) Goldglanz und Silberstrahl. Nürnberger Goldschmiedekunst aus Meisterhand (Ausstellung im GNM
Nürnberg, 20.9.2007-13.1.2008. Katalog Nürnberger Goldschmiedekunst 1541-1868. Nürnberg 2007. Bd. I :
Meister, Werke, Marken; Teil 1 Textband,ca. 650 S. mit 1800 Abb. von Marken; Teil 2 Tafelband, 294 S. mit
782 Abb; Bd. II: Goldglanz und Silberstrahl, 331 S. mit 297 Abb.

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