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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0180
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Brandenburg und Nürnberg gemeinsam

aus erlernen und erkennen, das sie noch nicht recht
an Gott glauben (dann das sein eitel frucht des un-
glaubens), sunder verzweifeln an ime, an seiner güte,
an seiner hilf, an seiner gerechtigkeit, vertrauen da-
gegen auf sich selbs, auf andere creatur, ja auf teu-
felskünst und den Teufel selbs, und solten von her-
zen darab erschrecken, puß tun und ir leben pesseren.
Dann Got schickt in solche unglück darumb zu, das
sie sich im leiden als in einem spiegel ersehen, brüfen
und erkennen sollen, dann weil es ine wol geet, sein
sie sicher, fragen nichts nach Got, hören kein predig,
beten nichts, sunder lassen sich bedunken, sie wis-
sen und haben schon alles, was sie bedörfen.
Etliche aber lernen ire sünde, die schon geschehen
sein, in dem leiden bedenken und betrachten und
werden dardurch zur puß getrieben; dann wann die
leut sündigen, achten sie es gemainklich nicht, schla-
hens in winde und gedenken, es sei nicht so färlich,
als man darvon rede. Wann aber kreuz und leiden
kumbt, so erschrickt das gewissen und gedenkt, es
sei ein anzaigen, das Gott mit uns zürne, und förch-
tet sich greulich, er werde füro nur richter und nim-
mer vater sein. Darumb zeucht er all sein alte sünd
herfür, bringt sie zu gedechtnus und urtailt sich selbs
und spricht: Mit den und den sünden hab ich diese
straf wol verdient etc. Wann man dann puß tut und
gnad sucht, so findet man auch widerumb gnad bei
Gott; dann darumb schickt er solichs leiden, das
man die sünde bedenken, sich selbs richten und be-
keren soll, wie das Paulus 1. Corinth 11 [29 ff.] gar
fein anzaigt und spricht, das umb der sünde willen,
das sie das heilig sacrament unordenlich gehandelt
und unwirdiglich empfangen hetten, weren vil
schwache und kranke unter inen und ein gut tail
schliefen, zaigt in auch darbei an, wann sie soliche
sünde von in selbs erkannt und gerichtet, das ist:
bereuet hetten, so würde sie Gott nicht also mit
krankheiten haimgesucht haben. Dann so wir uns
selbs richteten, spricht er, so würden wir nicht ge-
richtet. Wann wirs aber nicht tun, so straft Gott
nicht aus zorn, sunder aus gnade, das er uns an die
sünd mane und zur puß treibe, das wir nicht ver-
dambt werden, das ist, das er spricht [1. Kor. 11,32]:
Wann wir aber gericht werden, so werden wir vom
Herrn gezüchtiget, auf das wir nicht mit der welt ver-
dambt werden.

Und dise alle lernen den guten, wolgefelligen wil-
len Gottes im creuz, nemlich: das er nicht will den
tod des sünders, sunder, das er sich bekere und lebe,
wie er durch den propheten Jezechiel gesagt hat
[Hes. 18, 23; 33, 11].
Etliche aber lernen nicht ire sünde, die in Gott
vorhin vergeben und zugedeckt hat, sunder die blo-
ßen güte Gottes gegen ine im kreuz erkennen als der
blindgeborn, Johan. am 9. [1-7], von dem die jünger
den Herrn fragten und sprachen: Maister, wer hat
gesündiget, diser oder seine eltern, das er ist blind
geborn ? Jesus aber anwortet: Es hat weder diser
noch seine eltern gesündiget, sunder das die werk
Gottes offenbar würden an ime. Und da er solichs
gesagt hette, machet er in sehend. Und diser art ist
der maiste und gröste tail des leidens aller christen;
dann Gott hat vil größern lust zu geben, zu helfen
und zu erretten dann wir zu bitten und anzurufen,
weliches er damit anzaigt, das er so ernstlich ver-
manet und gepeut, wir sollen bitten [Matth. 7, 7],
und so treffenlich zusagt, alles, was wir in seinem
namen bitten, das wölle er tun [Joh. 14, 13]. Und
auf das wir solichen seinen guten willen erlernen,
so schickt er uns ein kreuz und zwingt uns gleich,
ine anzurufen, auf das er uns erhöre und helfe, da-
mit wir seinen guten und gnedigen willen gegen uns
erlernen und dardurch getröst, gesterkt und zu dank-
sagung bewegt werden, wie er durch den propheten
David gesagt hat am 50. psalm [15]: Ruf mich an
in der zeit der not, so will ich dich erretten, so solt
du mich preisen! Und alhie fahet das kreuz an,
leicht und lieblich zu werden. Dann wer wolt nicht
gern ein zeit lang blind sein, wann er das darin er-
leben solt, das in Christus selbs wunderbarlich solt
mit seinen heiligen henden gesund machen ? Wer
wolt nicht gern mit David verfolgt sein, wenn er
wüste, das er auch mit ime wunderbarlich durch
Gott solt errettet werden ? Wer wolt nicht gern mit
dem Hiob geplagt und verachtet sein, wann er wüst,
das im Gott zuletzt selbs in seiner götlichen maje-
stat ein urtail würd fellen, das er gerechter were
dann seine widersprecher und ine wieder in all seine
vorige herrligkeit setzen ? Nun würden aber gewiß-
lich die Christen gleich so wol aus all irem leiden
und trübsal errettet, als jene errettet sein, wann sie
nur glaubten und anruften. Darumb sollen die die-

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