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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0188
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Brandenburg und Nürnberg gemeinsam

sind also frei, das sie kein oberkeit sollen haben, das
sie fürter nicht geben sollen, was sie schuldig sind.
Die andern mainen, christliche freiheit sei nichts
anders dann flaisch essen, nicht beichten, nicht fa-
sten und dergleichen. Soliche ungeschickte wohn
des pöbels sollen die prediger strafen und unterricht
tun, die zur besserung nicht zu frevel diene.
Nun ist erstlich christliche freiheit vergebung der
sünden durch Christum on unser verdienst und zu-
tuen durch den Heiligen Gaist. Diese freiheit, so sie
wird recht ausgelegt, ist frummen leuten ser tröst-
lich und raizet sie zur liebe Gottes und zu christen-
lichen, guten werken. Darumb soll man von disem
stück oft sagen also: Weliche nicht durch den Hei-
ligen Gaist bewaret werden, uber dieselbigen hat der
Teufel gewalt, treibet sie zu großen lastern und
schanden, macht aus einem ein eebrecher, aus dem
andern einen dieb, aus dem dritten ein totschlager,
wie man sihet, das vil in soliche schande fallen, wis-
sen nicht, wie sie dazu kummen, sunder der Teufel
hat sie darzu getriben. Dis haist die gefengnus des
menschlichen geschlechts. Dann der Teufel ruhet
nicht und ist ein totschlager und wachet darnach,
das er uns umb leib und seel bringe, und hat lust
und freud an unserm verderben.
Dagegen haist christliche freiheit, das uns Chri-
stus den Heiligen Gaist. zugesagt und geben hat, da-
mit er uns regieren und bewaren will wider solichen
teuflischen gewalt. So spricht Christus selbs Johan-
nis am achten [36]: Dann werdet ir recht frei sein,
wenn euch der Sun befreien wird.
Hie sollen die leut zur forcht. vermanet werden,
das sie bedenken, in was großer fahr sie sind, das
keiner sicher vor sünde und schand ist, wo in Gott
nicht. bewaret, wie oben gnugsam angezaigt ist.
Dises stück christenlicher freiheit soll man oft
treiben, das die leut dardurch zur forcht und glau-
ben geraizt werden; dann es ist kein stück christen-
licher lere, das frummen herzen größere freud mache
und bringe dann dieses stück, das wir wissen, das
uns Gott also regieren und behüten will, wie dann
Christus zugesagt hat, Mathei. am 16. [18]: Die pfor-
ten der hellen werden nichts darwider vermögen.
2 Gedacht ist hier wohl nur an die Festsetzung, daß
höhere Weihen und feierliche Profeß trennende Ehe-
hindernisse sein sollen (Codex juris canonici§1072f.

Das ander stück christenlicher freiheit ist, das uns
Christus nicht pindet an die ceremonien und ge-
richtsordnung des gesetzs Mosi, sunder das Christen
mögen brauchen gerichtsordnung aller lender, die
Engellender engellendisch recht die Franzosen frank-
reichisch recht, die Römer das römisch recht. Soliche
ordnung alle, wo sie nicht wider Gott oder vernunft
sind, approbirt und bestetigt Got, wie es geschrie-
ben steet zun Römern am 13. [1]: Alle gewalt ist von
Gott, nicht. allein jüdisch, sunder auch aller lender
gewalt. Und Sanct Peter sagt in der ersten am an-
dern capitel [13]: Seit untertan aller menschlichen
ordnung!
Das dritt stück christlicher freiheit betrifft mensch-
liche kirchenordnung als fasten, feiren und derglei-
chen. Da ist von nöten zu wissen, das solche ord-
nung halten hilft nit frümbkeit vor Gott zu erlan-
gen, wie Christus spricht Matthei am 15. (9): Sie
eeren mich vergeblich mit menschen gepoten.
Es seien aber dreierlai kirchenordnung.
Etlich, die nicht on sünde mögen gehalten wer-
den als die satzung. dardurch die ee verpoten ist2.
Soliche ordnung soll man nicht halten; dann man
soll Gott mer gehorsam sein dann den menschen,
Actuum am fünften [29]. So nennet es Sanct Paulus
in der ersten zu Timotheo am vierten [1] teufels-
lere. Zudem so schilt Christus selbs soliche aufsat-
zung, die zu sündigen gepieten, Mathei arn 15.
[3-9].
Die andern ordnung sind gemacht, nicht. damit
gnad zu erwerben oder für die sünd gnug zu tun,
auch nicht, das von nöten sei dieselben zu halten,
sunder das sie nützlich sind, als das man suntag,
Ostern, Pfingsten, Weihenachten feiere. weliche
zeit geordent. ist, das die leut. wissen, wenn sie zu-
sammenkummen und Gottes wort lernen sollen, nit
das von nöten sei, eben solche zeit zu halten, oder
das sünde sei, daran handarbeit zu tun, sunder die-
weil jederman soliche zeit weiß, ist gut, das mans
halte, zusammenzukummen und Gottes wort zu
hören und lernen.
Die dritten ordnungen sind gemacht, darmit gnad
zu erwerben für unsere sünde als gesetzte fasten, am
- Eichmann, Ed., Lehrbuch des Kirchenrechts
auf Grund des C. j.c.Paderborn 19303. 95).

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