Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0191
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
III 4 a Kirchenordnung 1533

das weltlich reich, sunder zu Gottes reich und sei
doch nicht durch Got aufgesetzt oder geordent, sun-
der man muß auch können anzaigen, das soliche
menschenler, satzung oder gewonheit die gewissen
gefangen genummen hab oder noch gefangen nemen
wöllen, das ist: das mans also gelert oder gepoten hab,
wer es tue, der tue ein gut werk, darmit er Gott ge-
falle und sein gnad erwerbe oder lon verdiene; wer
es aber nicht tue, der tue sünde, erzürne Gott und
verdiene die hell darmit. Und das wirs kürzlich an-
zaigen, so ist es umb zwei wort zu tun, nemlich muß
und sünde.
Als wann man spricht: Das muß ein Christ tun;
tut ers aber nicht, so tut er sünde. Oder: Das muß
ein Christ lassen; lest ers aber nicht, so tut er sünd.
Und wo man also von einem werk redet, das doch
Gott selbs nicht befolhen hat, das ist gewißlich ein
menschliche satzung, als da man spricht: Ein Christ
muß alle sein sünde, die im wissenlich sein, dem
priester sagen; tut ers aber nicht, so können sie ime
nicht vergeben werden, sunder er muß verdambt
sein, und hat doch Gott selbs das niergend gepoten
oder befolhen. Darumb ist es ein menschen ler, die
man keinswegs soll annemen. Oder wann man
spricht: Es sol kein Christ am freitag flaisch essen;
tut ers aber, so tut er sünde und ist ein ketzer, und
hat doch Gott gesagt, den rainen sei es alles rain
[Tit. 1, 15], und uns kein speis zu keiner zeit ver-
poten. Darumb ist es gewißlich auch ein menschen-
lere, der kein Christ soll volgen.
Wo man aber nicht darauf dringt, nicht ein sünd
daraus macht oder das gewissen nicht darmit ver-
pindet, da kan mans auch nicht ein menschenleer
schelten und verdammen. Dann es ist nicht so ein
schlecht ding umb lere, als der gemain hauf wil
wenen, der da maint, ein jeder befelch, rate oder ord-
nung haiß ein lere, so es doch weit feel ist. Sunder
das haist lere, wann man etwas also fürtregt, das es
also sein muß, und wer im anders tue, der tue un-
recht, er tue im gleich anderst, wie er wöll oder war-
umb er wölle. Welichs klar beweist wird durch die
1 Wie es etwa der Grundzug der in Wittenberg in Lu-
thers Abwesenheit 1522 vor allem durch Karlstadt
durchgeführten Reforrnen und dann weithin der täu-
ferischen Forderungen war.
2 Das geschah z.B.zu Nürnberg mit Ratsverlaß vom
7.Aug. 1522 in den beiden Pfarrkirchen und in vier

tat Pauli, Actuum am 21. [24 ff.], von welichem die
Juden bericht waren, er leret ein abtrennen von
Mose, weliches doch weder er noch die andern brüder
gestunden, sunder vermaneten Paulum das er sich
mit vier andern mennern rainiget nach dem gesetz,
auf das die Juden alle vernemen, das es nicht were,
wie sie bericht weren. Nun ist je offenbar, das Pau-
lus leret, wir seien durch Christum erlediget von
unsern sünden und von allem dem, dardurch man
im gesetz Mosi nicht könt rechtfertig werden, Actu-
um am 13. [38]. Desgleichen zu den Galatern am 5.
[1-4] leret er, wer das gesetz als nötig zur recht-
fertigung halten wölle, der sei von Christo abgefal-
len. So ist er auch im concilio zu Jerusalem dabei
gewest und hat nicht wenig darzu geholfen,das da-
selbst beschlossen würde, man solt Gott nicht ver-
suchen, das man das gesetze auf der jünger helse solt
legen [Apg. 15], Das ist je klar gesagt, das die glau-
bigen dem gesetze Mose nicht unterworfen und ver-
pflicht sein, sunder allein dem gesetz des gaists, der
in geben ist. Das alles hette Paulus offenlich gepre-
diget und geschriben und gestunde dannocht nicht,
das er ein abfall von Mose gelert hette. Warumb das ?
Darumb, er hette gelert das gesetz were zur recht-
fertigung und zur seligkeit nicht von nöten; man
möchts wol faren lassen. Er het aber keins wegs ge-
sagt, das es die glaubigen faren lassen müsten und,
wann sie es nicht verließen, sünd und unrecht daran
teten1, sunder er ließ es frei bleiben; wer es darüber
halten wolt, der möchts halten, wie er selbs auch
tet, wann er bei den Juden war. Darumb hat er auch
kein abfal von Mose geleret; dann leren haist allein,
wann man ein ding nötig macht, also das es sünd
sei, wann man anderst tue, dann geleret wird.
Und das kan man auch leichtlich mit der vernunft
begreifen und beweisen. Als wann die oberkeit zu
einem prediger sprech: Wir bedenken, das die leut
früe geschickter sein dann nach essens etc. Ist der-
halb unser befelch und will, das man füro früe pre-
digen solle und nicht mer nach essens2, er aber ant-
wortet und sprech: Predigen ist ein ampt, das in
Männerklöstern, und zwar gegen den Willen des
Bischofs (NStA; auch NStA Ratsbuch 12,83. -
Hirsch, Interim 14.- Schubert, Spengler 331),
ebenso 1526/27 in der Spitalkirche, wobei gleich-
zeitig Emporen eingebaut wurden (von Soden 274).

173
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften