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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0217
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III 4 a Kirchenordnung 1533

herren ist, von dem sie nit alle hchristenlicheh dienst
kan bekummen, oder irgend sunst ein redliche ur-
sach hat und bei demselben ein christenlich gemüt
und verstand gespürt würde, soll man ime nichts
abschlagen.
1 Wann sich aber auf die täg, daran man vormals
meß zu halten gepflegen hat, niemand ansaget, der
das heilig sacrament empfahen wolt, so soll anstat
der meß nachfolgende ordnung gehalten werden, es
were dann, das so wenig leut oder gar niemand darzu
gingen, das es mit wissen und willen der oberkeit da-
selbst oder der ganzen gemain möcht unterwegen
bleiben, wie dann in dörfern an werktagen geschehen
möcht.
Anfenklich soll man ein psalm zwen oder drei,
nachdem sie lang oder kurz seien singen, sunderlich
aber am suntag das symbolum Quicunque vult15 soll
anstat des letzten psalmen gesungen werden. Dar-
auf ein antiphona aus der heiligen schrift, darnach
ein capitel aus den episteln Pauli oder der andern
aposteln lesen. Nach dem capitel ein gesang teutsch
oder lateinisch, das kurz und dem wort Gottes ge-
meß sei. Darnach aber ein capitel aus dem evan-
gelio. Nach dem evangelio das lobgesang Te deum
laudamus oder ein guten hymnum de tempore, der
der heiligen schrift gemeß sei. Darnach soll man drei
teutsch collecten oder gemaine gebet tun, deren die
erste umb das rain wort Gottes, die ander umb gute
weltliche regiment bitte. Die dritte mag der diener
nach gelegenheit der zeit nemen, wie es ime gefelt
oder befolhen wird.
Und zu solichem gemainen gebet soll man das volk
fleißig vermanen in predigen mit anzaigung, wie
mechtig vor Gott das einhellig gebet der glaubigen
sei, damit sie darauf merken und in iren herzen auch
also beten und Amen darzu sagen. Zuletzt soll man
h- h 1591: zur seligkeit nötige. i-iFehlt 1591,
a 1591: + Das dreizehende capitul.
15 Das sog.Athanasianische Glaubensbekenntnis (Be-
kenntnisschriften 28ff.).
16 = ohne ein Meßgewand. - Dessen Hauptbestandteil
war die Casula — ein (meist reichgeschmückter) ärmel-
loser Umhang —, das Meßgewand im engeren Sinn
(Braun 156ff. - Eisenhofer 101).
17 = Superpelliceum (vgl. S. 44 Anm. 1!).
18 Inwelchen der(S.63 genannten) brandenburgischen
Stifte und Klöster damals noch einigermaßen regel-

beschließen mit dem Benedicamus und einem teut-
schen segen wie bei dem Abentmal.
Und soliches soll an16 ein meßgewand allein im
corrock17 geschehen.
Die vesper soll auch zu gewöhnlichen zeiten nach
gewönhcher ordnung gehalten werden, allein das
man für das lateinisch capitel ein teutsch capitel lese
aus dem alten testament. Hette aber jemand teut-
sche gesang angericht oder wolt sie noch anrichten,
dem sollen sie frei sein, allein das man die lateinisch
sprach nicht gar aus der kirchen treibe; dann wann
die aus der kirchen köme, würden sie auch in schu-
len abnemen. Nun kan man Gottes wort oder die
rainen leer nicht erhalten one erkantnus der haubt-
sprachen, darin die heilig schrift und andere künst
und weisheit gefast ist. Darumb ist nütz und gut,
das die schuler und kirchendiener der heiligen schrift
von jugent auf gewonen am allermaisten in der
sprach, da sie am rainisten gefast, gehandelt und
ausgelegt ist. Darumb hat auch der heilig Paulus
vermant [1. Kor. 14, 39], man soll die zungen und
sprachen nicht weren oder abtun.
In stiften und klöstern18 soll es mit dem tagampt
gehalten werden wie in andern pfarrhen, nemlich:
wann sie communicanten haben, das sie das abent-
mal halten, wo aber nicht, das sie die anderen ord-
nung halten wie vor angezaigt ist. Darneben aber
sollen sie ire horas canonicas19 de tempore auch hal-
ten und sich fleißig hüten, das sie darin nichts singen
oder lesen, das Gottes wort entgegen sei, als da ist
anrufen der heiligen und, was das fegfeuer belangt,
und andere irthumb mer, weliches die verstendigen
unter in selbs wol urtailen werdeni
a
Ordnung bei den kranken.
Wann jemand krank liegt und begert des heiligen
sacraments, bei dem sol der priester eben warnemen,
mäßiges Chorgebet stattfand, ist sehr schwer zu
sagen. Wo es nicht bereits erloschen war, ging es zu-
meist jetzt ein. Nur die Stifte und Heilsbronn pfleg-
ten die Übung noch (Götz, Glaubensspaltung 183
bis 219). -Vgl.unsere Nr. IV 2!. - Für Nürnberg hatte
diese Bemerkung schon überhaupt keine Gfeltung
mehr, da dort nach der Übergabe sämtlicher Männer-
klöster an die Stadt nur noch in einigen Frauen-
klöstern ohne Beteiligung der Öffentlichkeit solche
Gebetsübungen in Gebrauch sein konnten.
19 Vgl. S. 171 Amn. 3!

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