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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0277
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III 4b Kinderpredigten 1533

Weiter solt ihr, meine liebe kindlein, auch das mit
allem fleis merken, das niemand für sich selbs allein
bitten sol; dann Christus, unser lieber Herr, hat uns
nicht gelert sprechen: Gib mir mein teglich brot,
sonder: Gib uns unser teglich brot, und eben des-
gleichen in den andern nachvolgenden bitten.
Und das geschicht darumb, das wir dardurch zu
rechter brüderlicher lieb geübet und gezogen wer-
den; dann wir sein alle sunder und von natur kin-
der des zorns gewest. Aber unser lieber Herr Jesus
Christus ist für uns gestorben, hat uns also ver-
gebung der sund erworben und hat uns mit Got dem
Vater versönet und Gottis kinder gemacht. Dar-
umb ist Gott nun unser Vater und Christus der Herr
unser bruder. Wir aber sein Gottis kinder und erben,
miterben Christi und je einer des andern bruder. So
dann Gott unsern nechsten also geliebt hat, so sol-
len wir ihn auch lieben; sonst bleibt die lieb Gottis
nicht in uns.
Dargegen sollen wir uns auch trösten, das die
ganz christenheit für uns bittet und alle gaistliche
güter als Christus, himelreich, evangelion, sacrament
und gepet unser aller in gemain sein; dann wer et-
was von Gott bitten wil, der mus für uns auch bit-
ten und kan noch sol niemand für sich allein bit-
ten. Das ist ein großer trost; dann wo so vil leut
einhelliglich bitten, da wirt das gepet gewißlich er-
hört.
Das ist nun die mainung und der einfeltig recht
verstand diser vierten bitte, nemlich; Gott gibt das
teglich brot wol auch on unser bitte. Aber wir bitten
in disem gepet, das er uns erkennen laß und mit
danksagung empfangen unser teglich brot.
Das teglich brot aber ist, alles was zur leibsnarung
und notturft gehört als essen, trinken, klaider,
schuch, haus, hof, acker, vihe, gelt, gut, frum ge-
mahel, frumme kinder, frum gesinde, fromme und
treue oberherrn, gut regiment, gut wetter, frid, ge-
suntheit, zucht, ehr, gute freund, getreue nachpaurn
und des gleichen.
Drumb, meine liebe kindlein, merkts mit fleis und
wann man euch fraget:
Wie verstestu die vierten bitte ?
so solt ihr also antworten:
Gott gibt uns das teglich brot wol auch on unser
bitte. Wir bitten aber in disem gepet, das er uns er-

kennen laß und mit danksagung empfangen unser
teglich brot.
Und wenn man euch weiter fraget:
Was haist dann das teglich brot ?
so solt ihr also antworten:
Alles, was zur leibsnarung und -notdurft gehört
als essen, trinken, klaider, schuch, haus, hof, acker,
vihe, gelt, gut, frum gemahel, frumme kinder, frum
gesinde, fromme und treue oberherrn, gut regiment,
gut wetter, frid, gesuntheit, zucht, ehr, gute freund,
getreue nachpaurn und desgleichen.
Die funft predig.
Auslegung der funften bitte.
Nun habt ir am nechsten gehört, wie wir in der
vierten bitte von Gott dem Herrn begern, das er
uns als der einig und ware schöpfer himels und erden
und unser aller wölle erhalten und erneren, wie wir
dann im ersten haubtartickel des glaubens von der
erschöpfung gelernet haben, das wir uns desselben zu
ihm allein und sonst zu keiner creatur sollen ver-
sehen.
Darumb folget hernach die funfte bit, darin wir
bitten, das er uns wöll auch geben alles das, das wir
in den andern haubtstuck des glaubens von der er-
lösung gelernet und erkant haben, nemlich: das wir
durch das leiden, sterben und auferstehung Jesu
Christi unsers Herrn von allen unsern sünden, vom
tod und von der helle errettet werden, auf das wir
fröflch und unerschrocken mögen erwarten des tags,
daran er richten wird die lebendigen und die toten,
und lautet also:
Und vergib uns unser schuld, als auch wir ver-
geben unsern schuldigern!
Auf das ihr aber dise bitt recht versteht, meine
liebe kindlein, so bedenkt mit fleis, das ihr vor ge-
hört habt, das uns Christus hat zugesagt alles, das
wir bitten in unserm gepet, wann wir glauben, so
wöll ers uns geben. Sollen wir aber glauben, so müs-
sen wir zuvor ein wort Gottis oder ein zusagung
haben, daran wir glauben; dann es tauget nicht, das
wir wolten glauben, was uns einfiel oder was wir
möchten gedenken, darvon uns doch Got nichts ge-

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