Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0501
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
hang mit den damaligen Bekenntniskämpfen, wenn man gleich meinen könnte, daß sich die Haupt-
fragen auch auf weniger umstürzende Weise hätten ändern lassen.
Auf Anregung niederländischer Reformierter, die eine zahlreiche und angesehene Kolonie in Nürn-
herg hatten12, hatten sich zwar 1570 die führenden Geistlichen für die Abschaffung des Exorzismus aus-
gesprochen. Es kam aber nur dazu, daß der Kirchenpfleger auf Bitten der Eltern von Fall zu Fall ge-
stattete, ihn wegzulassen. Aber auch das unterblieb seit 1574, als bei der Verhärtung der Bekenntnis-
richtungen ein Nürnberger Geistlicher Einspruch dagegen erhob. 1583 wiederholte der gleiche Kreis seine
Bitte von 1570. Jetzt aber befahl am 9. Oktober 1583 ein Ratsdekret die Beibehaltung des Exorzismus13.
Wenn man dann bei dieser Gelegenheit die Neuausgaben des Agendbüchleins, nicht nur die Rand-
bemerkung bei der Eingangsaustreibung, die ja allein nicht zu diesem Dekret paßte, streichen ließ, son-
dern überhaupt auf die 1. Ausgabe zurückgriff, so geschah das wohl, um nicht durch die bloße Weglas-
sung dieser Bemerkung die Ursache - vor allem im Blick auf die anderen, auch lutherischen Kirchen,
in denen der Exorzismus schon gefallen war - gar zu deutlich in Erscheinung treten zu lassen14.
Ob man mit diesem Schritt aber nicht zugleich auch unauffällig das Kapitel über den in Nürn-
berg früher ja so heiß umstrittenen Bann aus der Welt schaffen wollte ?
Die Neuausgaben des 17. und 18. Jahrhunderts dürfen als kirchenamtlich gelten. Doch ist das
weitere Schicksal des Agendbüchleins, insonderheit seit seiner veränderten (vor allem ohne sämtliche
lehrhaften Teile) Neuauflage 1639 unter dem Titel ,,Agendbüchlein für den nürnbergischen Kirchen-
diener in der Stadt und auf dem Land“ hier nicht mehr zu schildern. Es sei nur noch vermerkt, daß
die letzte Auflage 1755 erschien, daß diese 1784 einen Nachtrag zur Taufe, in dem nun der Exorzis-
mus fehlte, erhielt15 und 1801 durch ein ,,Neues Agendbuch für die nürnbergische [!] Kirchendiener
in der Stadt und auf dem Lande“ ersetzt wurde. Ebensowenig aber darf übergangen werden, daß das
Agendbüchlein in ritterschaftlichen Gebieten noch viel länger in Gebrauch war, so in dem früher seins-
heimischen, später schwarzenbergischen Städtchen Marktbreit am Main bis zum Jahre 181116.
Daß für den unmittelbaren gottesdienstlichen Gebrauch ein Auszug der dafür benötigten Stücke er-
folgte, war so selbstverständlich, wie es verwunderlich ist, daß auf brandenburgischem Gebiet so etwas
nie geschah. Das tat 1560 das ,,Collectenbüchlein“17, das 1585 zu einem ,,Collecten-, auch Tauf- und
Traubüchlein“ erweitert wurde18.
Darin fehlen aber wesentliche Stücke - die Ermahnung zum gemeinen Gebet vor der Predigt und
andere zum Predigtgottesdienst gehörige Stücke und die Abendmahlsvermahnung samt der auch im
Agendbüchlein fehlenden Offenen Schuld. Das erklärt sich daraus, daß diese Stücke bereits in einem
Sonderdruck zu haben waren. Wann das erstmals geschah, ist unbekannt. Der älteste Druck ist zusam-
mengebunden mit dem Kollektenbüchlein von 156019,ist aber buchdruckmäßig selbständig und stammt
wohl auch aus dieser Zeit. Er enthält noch ein drittes Stück - vom christlichen Wandel, dessen litur-
gischer Platz nicht ganz eindeutig ist. Es mag zum Predigtgottesdienst gehört haben.

12 K. Pilz, Nürnberg und die Niederlande, in: MVGN 43 (1952) bes. 52 103. - H. Neidinger, Die Entstehung
der evang.-reformierten Gemeinde in Nürnberg, in: MVGN 43 (1952) 225 231. 238 244.
13 Geschichte des Exorcismi in der nürnbergischen Kirche, in: Strobel, Miscellaneen 4, 196 - 220. - Schornbaum,
Nürnberg im Geistesleben 50-56. - G. E.Waldau, Geschichte der reformierten Gemeinde Nürnberg. Nürnberg
1763. 5-20. 82-88. - Neidiger 255-259. - Zum Exorzismus in Brandenburg-Ansbach-Bayreuth: dieser Band
S. 179. 14 Will, Bibliotheca Norica 2. S. 79-85.
15 Auszug aus dem Aº. 1755, neu aufgelegten Agend-Buch für die Nürnbergischen Kirchendiener in der Stadt und
auf dem Land die Taufordnung betreffend. Nürnberg 1784.
16 R. Plochmann, Urkundliche Geschichte der Stadt Marktbreit in Unterfranken (Erlangen 1864) 346.
17 NLA Fen. LV 4º 385. 18 Weitere Auflagen 1591 und 1604.
19 NLA Fen. IV 4º. 385. — Klaus, Dietrich. 406ff.

31*

483
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften