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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0531
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V 1 Agendbüchlein Veit Dietrichs 1545

uber Gottes werk sich nicht verstehet. Was urteilet
aber der Heilig Geist ? Nemlich; das es uns am
besten sei, das uns Gott unter die sporn fasset, in
krankheit, anfechtung und widerwertigkeit würfet
und zeitlich plaget, auf das wir nit dort ewig leiden
und verdambt müssen sein.
Wie denn die exempel auch leren (R: Exempel
Lazari Luce 16n). Lazarus im evangelio Luc. 16 [19
bis 31] ist ein armer geplagter mensch, der krank-
heit halb weder tag noch nacht ruhe und darneben
so vil trost von den leuten nit hat, das sie im gön-
neten, das doch sonst unnütz von dem tisch weg
kombt und den hunden zuteil würde. Solchs ist ein
doppeltes unglück. Krank sein und doch ganz und
gar kein wart haben, nit ein menschen haben, der
dir etwas gutes tete. So hart hat dir Gott dein krank-
heit noch nicht gemacht; denn es je an zimlicher
wart dir nit felet. Du bist in dem deinen und umb
die deinen, nit im elend noch unter den frembden.
Solchs hat der arm Lazarus nit gehabt.
Da urteilet nun alle vernunft, Lazarus sei ein
armer elender mensch, wie denn war ist. Aber was
sagt Paulus ? Lazarus wird gestraft, das er mit der
welt nit verdambt werd. Wie denn Abraham zum
reichen auch sagt: Gedenk, son, du hast dein gutes
empfangen in deim leben; Lazarus aber hat böses
empfangen. Nun aber würd er getröstet und du ge-
peiniget. So sage nun, woltest nit lieber Lazarus und
hie auf erden arm, elend, krank und hartselig sein
und dort in ewigkeit leben denn mit dem reichen
man alles hie auf erden gnug haben und dort nit
allein ewig mangeln, sonder auch ewige qual leiden ?
Nun aber sagt Paulus, Got strafe derhalben mit
krankheit, auf das wir nit ewige straf sollen leiden.
Da must je bekennen, das es Got auch mit diser
krankheit nit ubel, sonder auf das beste mit dir
meint. Nit darumb, als solt solche krankheit, leiden
oder gedult den himel verdienen. Nein! Solches hat
allein Christus mit seim sterben ausgerichtet. Son-
der das es Gottes gnediger wil und seliger rat also
ist, das er auf solche weis uns richten wil, die wir
sonst in sünden one buß fortfarn und von tag zu tag

n Fehlt 1543 I. o Fehlt 1543 I.
p 1543 II: + R: Der christen krankheit und an-
fechtung. q Fehlt 1543 I.

je lenger je tiefer in des Teufels netze uns verwicke-
len und je lenger je weiter von der seligkeit weg wür-
den kommen. Solchem unrat wehret Gott, das er
durch die krankheit von sünden uns abhelt und zum
gebet, glauben und dem wort so gnediglich reizet.
Das ander stuck (R: 6.Krankheit und widerwer-
tigkeit will Got in dem ewigen leben beloneno), da
Paulus von sagt, ist dises, das er spricht zun Romern
am 8.[18]: Diser zeit leiden ist nit wert der herrlig-
keit, die an uns sol offenbaret werden und 2. Cor. 4
[17 f.]: Unser trübsal, die zeitlich und leicht ist,
schaffet ein ewige und uber alle maß wichtige herlig-
keit uns, die wir nit sehen auf das sichtbare, son-
dern auf das unsichtbare; denn was sichtbar ist, das
ist zeitlich; was aber unsichtbar ist, das ist ewig. Hie
weiset Paulus uns auf den höchsten und letzten trost,
ob wir leiden, das wir nit allein an das leiden den-
ken, sonder mit den augen unsers herzens auf das
künftige und ewige sehen sollen, welches uns durch
Christum gewiß ist und nit feilen sol.
Denn weil wir christen sind, und durch den glau-
ben an Christum vergebung der sünden habenp, da
gewinnet es mit unser krankheit und andern anfech-
tungen durch solchen glauben ein andere meinung.
Nemlich: das sie Gott nit allein halten wil als straf
der sünden, dadurch wir zur buß gefordert werden,
sonder auch als einen gehorsam und ein rechtes,
gutes, wolgefelliges werk und opfer. Darumb redet
Paulus hie also davon, das solches gutes werk sein
belonung in jenem leben werde haben und wir an
jenem tag selb sagen werden, Gott habe uns zu vil
reichlich ergezet alles jamers und hartsal5, den wir
auf erden gelitten und getragen haben.
Und das ist auch die ursach, das die schrift nit
allein von krankheiten, sonder auch vom tod selb
so trostlich redet und heist ihn ein schlaf [Joh. 11,11]
(R: 7. Tod ist nur ein schlafq ). Das grab aber nennet
sie ein ruhekammer, Esaie 57 [2]. Und wir, so wir
anderst recht davon willen reden, sollen solche krank-
heit und tod anderst nicht heißen denn das mittel,
dadurch wir von disem sündhaften leib entledigt
und zum ewigen leben und freude zu bereitet wer-
5 = harte Not, Mühsal (Schmeller 1, 1168. -
Grimm 4 II 518).

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