V 1 Agendbüchlein Veit Dietrichs 1545
Dise lange unterricht sambt trostpredigt ist nit
derhalb hieher geschrieben, das mans alweg bei den
kranken lesen sol; denn die krankheit oft dermaßen
ist, das sich vil predigens nit wil leiden. Derhalb in
solchen fellen auch der oben verzeichnet unterricht
vom sacrament sol gekürzet und abgebrochen wer-
den, auf das der kranke nit verkürzet werd. Weil
aber nit jederman zu solchen sachen geschickt ge-
nug ist, ist solcher unterricht dest lenger umb der
ungeübten pfarrherr willen gestellet, auf das sie sol-
ches oft lesen und xein form draus zihen und dest
geschicklicher in solchem hohen ambt bei den kran-
ken handeln mögen.
So ist es auch gut, das man dergleichen unter-
richt bei gesundem leib oft lese oder lesen höre, auf
das, wenn das stündlein kombt, ein jeder sich selb
trösten und sein herz ermanen und aufrichten könne.
yWeil aber bei kranken leuten oft die anfechtung
der sünden und verzweiflung fürfelet und in solchem
fal nit jederman weis, wie er den trost gewiß fassen
und den leuten recht fürtragen sol, ist hie unten ein
solche unterricht verzeichnet, wie in solcher not
D.M.Luther einen christen getröstet hatz.
(R: M. Joannes Veldkirchius6 decumbens ex hydro-
pe 1534 calendis Februarii[1. Febr.].) Der kranke be-
klagte sich erstlich, er het große anfechtung vom Teu-
fel des glaubens halb, das, weil die krankheit von tag
zu tag je lenger je mer zuneme und aber er und an-
dere leut umb hilf beteten und doch kein leichterung
folget, er besorgen müste, Got wer im ungnedig und
wolte weder sein noch ander leut gebet erhören;
sonst solt es sich zur besserung müssen schicken. Auf
dise rede tröstet D.Luther in also:
Mein lieber brueder, wöllen wir christen sein, so
müssen wir es gewonen, das uns der Teufel allweg an
dem ort plaget, da esa sonst wehe tut, und greift
uns gemeiniglich da an, da wir vor am schwechsten
x 1543 I: + ein wenig
y Das folgende bis zu Ende des Kapitels fehlt in
1543 I.
z 1545: + welchen ich gehöret und von wort zu
wort aufzeichnet hab.
a 1543 II: + uns b Fehlt vor 1545.
c Fehlt vor 1545. d—d Fehlt vor 1545.
e—e Fehlt vor 1545. f Fehlt vor 1545.
6 = Joh. Bernhardi aus Feldkirch. Professor der Be-
redsamkeit in Wittenberg, † 6. Febr. 1534. Er ver-
sind. Solche schalkkunst hat er im paradis auch ge-
ubet. Denn er griff nit den Adam, sondern die schwa-
che Evam am ersten an, regnet also alle zeit dahin,
da es vor naß ist (R: Böse gedanken kommen vom
Satanb). Da mustu gedenken, wenn er also kumbt,
das solche gedanken nicht dein noch in deinem her-
zen gewachsen sind, sonder es sind gedanken, die
der Teufel eingibt, und du sie must leiden. Derselb
redet also in das herz, das du denkest: Ich rufe
unsern Herr Got an; aber er höret nit. Darumb wird
er mein nit achten. Er ist mein feind und nicht mein
freund. Sonst würd er helfen etc.
Da ist nun von nöten, das du Gottes wort dir wol
einbildest (R: Wie wir wider des Teufels gedanken
uns wehren sollenc), da Christus verheißen hat, er
wölle uns gewiß erhören. Das wir aber zeit, ort, per-
son bestellen wöllen, wenn, durch wen und wie er
uns erhören und uns helfen werde, dafür sollen wir
uns auf das fleißigst hüten. Denn zeit, ort und per-
son sind nur accidentia7, ddie in Gottes hand stehen
und wir nit sollen wissend. Aber die substantia8 ist
Gottes gnad und verheißung. eDie ist unzweifenlich
und gewiße. Darumb soltu dich an solche zusagung
halten und dieselben dir nit nemen lassen, ob du
gleich zeit, person und ander mittel halb nit weist,
wie es hinaus werde gehen.
So es nun dahin kombt, das du betest und es
scheinet, als wölle aus deinem gebet nichts werden,
so wende dich hieher und mache ein unterschid zwi-
schen deiner krankheit und deinem glauben! (R: 1
Sollen wir uns dahin halten, das wir durch die tauf
zur seligkeit berufen sindf.). Denn du bekennest je,
das du ein christ und in den tod Christi getaufet
seiest. Auf solchen beruf hab gute achtung und laß
ihn deinen besten trost sein! Denn wenn du so weit
bist kummen und erkennest, das Gott seinen Sun
dir geschenkt und für dich in den tod geben hat,
faßte u. a. 1520 eine Verteidigungsschrift gegen den
Angriff August Alvelds zu Leipzig auf Luther (W A
6, 280). - Über eine andere Schrift: CR 2, 784. -
Briefe von ihm: CR 1, 884. — Archiv für Refor-
mationsgeschichte 1 (1904) 192f. - WA Tischreden
3, S. 503. — Spätere Überlieferung dieser Trostrede
Nr. 3669. - aaO. S. XXVI ist die hier vorliegende
Angabe über Dietrichs unmittelbare Nachschrift un-
bekannt. 7 = Begleitumstände
8 = das Wesentliche, die Hauptsache.
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Dise lange unterricht sambt trostpredigt ist nit
derhalb hieher geschrieben, das mans alweg bei den
kranken lesen sol; denn die krankheit oft dermaßen
ist, das sich vil predigens nit wil leiden. Derhalb in
solchen fellen auch der oben verzeichnet unterricht
vom sacrament sol gekürzet und abgebrochen wer-
den, auf das der kranke nit verkürzet werd. Weil
aber nit jederman zu solchen sachen geschickt ge-
nug ist, ist solcher unterricht dest lenger umb der
ungeübten pfarrherr willen gestellet, auf das sie sol-
ches oft lesen und xein form draus zihen und dest
geschicklicher in solchem hohen ambt bei den kran-
ken handeln mögen.
So ist es auch gut, das man dergleichen unter-
richt bei gesundem leib oft lese oder lesen höre, auf
das, wenn das stündlein kombt, ein jeder sich selb
trösten und sein herz ermanen und aufrichten könne.
yWeil aber bei kranken leuten oft die anfechtung
der sünden und verzweiflung fürfelet und in solchem
fal nit jederman weis, wie er den trost gewiß fassen
und den leuten recht fürtragen sol, ist hie unten ein
solche unterricht verzeichnet, wie in solcher not
D.M.Luther einen christen getröstet hatz.
(R: M. Joannes Veldkirchius6 decumbens ex hydro-
pe 1534 calendis Februarii[1. Febr.].) Der kranke be-
klagte sich erstlich, er het große anfechtung vom Teu-
fel des glaubens halb, das, weil die krankheit von tag
zu tag je lenger je mer zuneme und aber er und an-
dere leut umb hilf beteten und doch kein leichterung
folget, er besorgen müste, Got wer im ungnedig und
wolte weder sein noch ander leut gebet erhören;
sonst solt es sich zur besserung müssen schicken. Auf
dise rede tröstet D.Luther in also:
Mein lieber brueder, wöllen wir christen sein, so
müssen wir es gewonen, das uns der Teufel allweg an
dem ort plaget, da esa sonst wehe tut, und greift
uns gemeiniglich da an, da wir vor am schwechsten
x 1543 I: + ein wenig
y Das folgende bis zu Ende des Kapitels fehlt in
1543 I.
z 1545: + welchen ich gehöret und von wort zu
wort aufzeichnet hab.
a 1543 II: + uns b Fehlt vor 1545.
c Fehlt vor 1545. d—d Fehlt vor 1545.
e—e Fehlt vor 1545. f Fehlt vor 1545.
6 = Joh. Bernhardi aus Feldkirch. Professor der Be-
redsamkeit in Wittenberg, † 6. Febr. 1534. Er ver-
sind. Solche schalkkunst hat er im paradis auch ge-
ubet. Denn er griff nit den Adam, sondern die schwa-
che Evam am ersten an, regnet also alle zeit dahin,
da es vor naß ist (R: Böse gedanken kommen vom
Satanb). Da mustu gedenken, wenn er also kumbt,
das solche gedanken nicht dein noch in deinem her-
zen gewachsen sind, sonder es sind gedanken, die
der Teufel eingibt, und du sie must leiden. Derselb
redet also in das herz, das du denkest: Ich rufe
unsern Herr Got an; aber er höret nit. Darumb wird
er mein nit achten. Er ist mein feind und nicht mein
freund. Sonst würd er helfen etc.
Da ist nun von nöten, das du Gottes wort dir wol
einbildest (R: Wie wir wider des Teufels gedanken
uns wehren sollenc), da Christus verheißen hat, er
wölle uns gewiß erhören. Das wir aber zeit, ort, per-
son bestellen wöllen, wenn, durch wen und wie er
uns erhören und uns helfen werde, dafür sollen wir
uns auf das fleißigst hüten. Denn zeit, ort und per-
son sind nur accidentia7, ddie in Gottes hand stehen
und wir nit sollen wissend. Aber die substantia8 ist
Gottes gnad und verheißung. eDie ist unzweifenlich
und gewiße. Darumb soltu dich an solche zusagung
halten und dieselben dir nit nemen lassen, ob du
gleich zeit, person und ander mittel halb nit weist,
wie es hinaus werde gehen.
So es nun dahin kombt, das du betest und es
scheinet, als wölle aus deinem gebet nichts werden,
so wende dich hieher und mache ein unterschid zwi-
schen deiner krankheit und deinem glauben! (R: 1
Sollen wir uns dahin halten, das wir durch die tauf
zur seligkeit berufen sindf.). Denn du bekennest je,
das du ein christ und in den tod Christi getaufet
seiest. Auf solchen beruf hab gute achtung und laß
ihn deinen besten trost sein! Denn wenn du so weit
bist kummen und erkennest, das Gott seinen Sun
dir geschenkt und für dich in den tod geben hat,
faßte u. a. 1520 eine Verteidigungsschrift gegen den
Angriff August Alvelds zu Leipzig auf Luther (W A
6, 280). - Über eine andere Schrift: CR 2, 784. -
Briefe von ihm: CR 1, 884. — Archiv für Refor-
mationsgeschichte 1 (1904) 192f. - WA Tischreden
3, S. 503. — Spätere Überlieferung dieser Trostrede
Nr. 3669. - aaO. S. XXVI ist die hier vorliegende
Angabe über Dietrichs unmittelbare Nachschrift un-
bekannt. 7 = Begleitumstände
8 = das Wesentliche, die Hauptsache.
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