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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0536
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Nürnberg II

als du es gern hettest, er wöll dein gar nicht, da
were dich wider und sprich: Hae sunt fallaciae acci-
dentis, per quas vult amovere substantiam13. Der
Teufel wolt mir gern durch das ungewise das gewise
nemen; denn das ich in Christum glaube, das er mein
erlöser und seligmacher sei, das ist die substanz und
das gewise. Da verlasse ich mich auf und will dabei
beharren, es gerate mit meiner krankheit und dem
ungewisen, wie der liebe Gott will, zum leben oder
zum tod. Denn das weiß ich, wenn qichq das haubt-
stuck rhabr, so sol nit ein klaulin oder negelin da-
hinden bleiben, wie Moses sagt, Exodi 10 [26].
Darumb laß dich die andern accidentia nit küm-
mern und dank Got, das du das haubstuck hast. Es
wird die stund kommen, das die accidentia auch sich
finden müssen und wol auf ein bessre weise, denn
du es jetzt verstehn oder wunschen kanst. Wer aber
solches nit tun will und mer auf die sungewißs, denn
auf tdas gewise mer auf anders denn auf dis haubt-
stuck sehen wil, der fischet für dem hamen14. Dar-
umb sol man an solchem trost fest halten. Got wird
uns nit lassen; denn das pfand das er uns geben hat,
seinen Sun, ist zu hoch und groß. Er wirds nit da-
hinden lassen.
Neben solchem trost sol man das auch mitnemen
(R: 6. Wir leiden solche anfechtung nit allein. Es ist
aller christen anfechtungu.), wenn der Teufel also an
uns mit seinen gedanken setzet, das wirs gewiß da-
für haben, wir leiden, solche anfechtung nit allein,
sonder die ganze christliche kirch, deren wir glid-
maß sind, leidet auch mit und bittet auch mit für
uns; denn wir sind alle glider eines leibes.
Das ist doch je reichlich getröstet. Gott gibt dir
seinen Sun. Christus der Sune gibt dir sein wort,
sacrament und gnadenzeichen. So bistu in der an-
fechtung nicht allein, sonder hast durch die ganze
welt so vil brüder und schwester, die alle mit dir
beten und den wurm, der dich als einen finger des
leibs Christi schmerzet, mittragen und darüber kla-
gen und sprechen: Vater unser, der du bist im himel.
Da ist nit ein christ, der spreche: Mein Vater. Alle
sprechen sie: Vater unser.

q-q Vor 1545: wir r-r Vor 1545: haben.
s-s Vor 1545: accidentia
t-t Vor 1545: substantiam.
u Fehlt vor 1545. v Fehlt vor 1545.

Denn dieselben erfaren es auch, das der Teufel die
narrenkappe, den zorn Gottes, allen anfechtungen
und unglück anzeucht. Aber man muß es lernen, das
alles, was den glauben belanget, unsichtbar ist. Wer
nun solche unsichtbare sachen will sichtbar machen,
der macht im sein krankheit und unglück doppel
und verleurt endlich die substanz und den haubt-
trost, da ich oben von gesagt hab.
Darumb so lerne dise teologicam [!] dialecticam wol
(R: Unterschied machen zwischen den accidentia
und der substantiav) und sprich zum Teufel: Da du
mich aufweisest, das ist nit das principal noch der
haubthandel, sonder ein accidens, das sich noch heut
oder morgens kan endern; denn so es Gott will
haben, so kan ich eben so bald wider gesund wer-
den, als ich krank bin worden. Das aber ist die rechte
substantia und das haubtstücke, das ich meinem
Herren Christo nicht feind bin, sonder glaub (ich
glaub es gleich so wschwerlichw, ich wölle), das er
für mich gelitten und ich das leben durch in gewiß
haben würd. Ich halte es nicht mit dem bapst, Tür-
ken, Juden, die alle sein wort verfolgen. Weil nun
das haubtstück mir bleibt, das mir das leben soll un-
genommen sein, so will ich die accidentia nun nit
sonders mich lassen anfechten. Also muß ein christ
die unterschied machen und fest halten, das Chri-
stus unser hoffnung, leben, trost und freud sei und
uns erhalten werd, es gerate gleich mit dem leib, wie
der liebe Gott will.
Und hie merke auch dis: wenn du dich also schwach
befindest, so bleib nit allein, sonder laß jemand mit
dir reden von Christo oder etwas lesen, das du dich
nit allein mit dem Teufel beißest. (R: 6.Angefoch-
tene leut sollen nicht allein seinx). Dann er ist ein
solcher disputator, wo er den kopf hineinbringt, so
kreucht er mit dem ganzen leib hinach wie ein schlang.
Darumb laß dich nit allein finden, sonder nim einen
bruder zu dir! Den laß mit dir von Gott und seinem
willen reden! So heist es denn: Wo zwen oder drei
in meim namen versamlet sind, da will ich mitten
unter inen sein [Matth. 18,20]. Und ist gewißlich
war: einer allein ist ihm zu schwach, wie ich selb
w-w Vor 1545: schwerlich x Fehlt vor 1545.
13 = zu accidens und substantia vgl. S. 515 Anm. 7. 8.
14 = hamen = Fangnetz (Schmeller 1, 1105).

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