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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0546
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Nürnberg II

xv.k
Wie man es mit dem begrebnus halten
soll.
Bei den leichen, wenn man sie zur erden bestat-
tet, soll alles bebstisch gebreng mit weichwasser9,
besingen und anderm10 abgeschaffet sein;l denn sol-
ches alles nit allein on Gottes wort, sonder auch
wider Gottes wort vom bapst angerichtet, als soll
es zur seligkeit fürderlich sein. Wo nunl ein schule
ist, da mögen die schuler das Media vita, Nunc di-
mitis oder ein andern gesang deutsch oder lateinisch
singen und mag der kirchendiener oder pfarherr un-
geferlich dise kurze vermanung mit solchen oder an-
dern worten bei den begrebnus tun:
Ir allerliebsten, ir sehet, wie wir durch tägliche
exempel erinnert werden, das wir hie kein bleibende
stat haben, sonder alle stund des tods gewarten müs-
sen. Derhalb solten wir in steter bereitschaft stehen,
von sünden ablassen, unser leben bessern und fröm-
mer werden, auf das, wenn Gott uber uns gebieten
würd (des wir doch alle augenblick müssen gewar-
ten), er uns in seiner forcht, in eim rechten glauben
und warer lieb gegen unseren nechsten fünde. Weil
aber der böse feind und unser fleisch immerdar uns
zur sünde treibet und von der forcht Gottes ab-
gefüret, ist es große not, das wir erstlich von herzen
bitten, Got wölle uns gnedig sein und all unser sünd
vergeben, darnach, das er wölle durch seinen Heiligen
Geist unsere herzen erleuchten, das wir in Gottes
forcht und dem glauben und in der liebe gegen dem
nechsten zunemen und wachsen und seiner herr-
lichen zukunft in gutem gewissen erwarten mögen,
auf das wir den breutigam nit versaumen, wie die
törichten junkfrauen, sonder mit unsern lampen und
k 1543 I: 13. II: 14.
i-i Vor 1545 : Wo m-m Fehlt vor 1544
9 Das nach hesonderer Vorschrift geweihte Wasser he-
wirkt nach katholischer Lehre nicht nur Schutz ge-
gen böse Geister, sondern auch Reinigung der Seele
und Tilgung von Sündenstrafen. Es wird daher wie
im ganzen Leben, so hesonders beim Sterbenden an-
gewendet, dann aber vor allem bei den verschiedenen
Teilen des Begräbnisses (Aussegnung, Totenmesse,
Bestattung) sowohl dem Toten als dem Grab gegen-
über in der Form der Besprengung gebraucht (Wet-
zer und Welte 12, 1262f. - Braun 370).
10 Unter Besingen sind hier alle kirchlichen Begräbnis-

öl, das ist, mit rechtem glauben und gutem gewis-
sen, dem Herrn Christo entgegen kummen und durch
in das ewig leben ererben mögen. Solches alles zu
erwerben, betet mit andacht ein Vater unser!
mWo nit schuler sind oder das volk zum gesang
nit gewenet ist, da mag man es bei solcher ver-
manung bleiben lassenm.
XVI.a
Von der beicht.
Aus was ursachen die bäpstische ohrenbeicht in
unsern kirchen unterlassen sei, ist an andern orten1
genugsam angezeigt; denn Gott dieselben nirgend
befolhen hat. (R: Die ohrenbeicht ist von Gott nit
geboten.) Und ob man gleich könt anzeigen, das sie
zu etwas gut wer, so ists doch unmüglich zu bewei-
sen, das ein kirchendiener nit ehe von sünden ent-
binden oder absolvirn soll denn der, so der absolu-
tion begert, zuvor seine sünde erzelet oder gebeich-
tet hab. Disen befelh aber, haben a.lle kirchendiener,
ja auch alle christen, wo ein armer sünder trost be-
geret und vergebung der sünden, das sie im namen
und durch den verdienst Christi solche im gewiß zu-
sagen und er nit weniger solches glauben soll denn,
so es ein engel von himel oder Gott selb gered hette.
Derhalb soll ein jeder kirchendiener sich an dem
gnügen lassen, wenn er von eim kranken oder ge-
sunden höret, das er sich ein sünder bekennet und
gnad begeret, und sol nicht dahin dringen, das man
ihm dis oder jenes sage. (R: Niemand soll zur beichte
der absolucion halb gezwungen werden.) Solchs zu
fragen ist nicht seines ambts. Und er als ein mensch
könte betrogen werden. (R: Offentliche sünder). So
er aber etwas unrechts wuste oder ein person im arg-
zeremonien zu verstehen, also nicht nur das officium
defunctorum, das früher nach Verbringung der Lei-
che in die Kirche gehalten wurde, und die Toten-
messe, sondern auch noch die am 7. (Siebt.) und 30.
(Dreißigst) Tag und am Jahrestag nach dem Verschei-
den begangenen Messen zu verstehen (Wetzer und
Welte 2, 189-198. - Braun 349f.).
a 1543 I: 14; II: 15. - Alle Randnoten fehlen 1543 I.
1 z. B. Augsburger Konfession XXV (Bekenntnis-
schriften 97—100); Apologie XII (Bekenntnis-
schriften 272-275).

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