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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0594
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Rothenburg

vergenglichen leben, was sie ime schuldig seien (R:
1. Cor. 9 [19]; Rom. 12 [1-21]). Dann dise christliche
freiheit gehet nicht auf die eußerlichen stende, die
Gott selbst gestiftet hat (R: Rom. 13 [1-7]; Mat.
22 [21]), on welche auch wir bei einander nicht leben
können, sonder viel mehr bestetiget dieselbig und
will sie von allen menschen gehalten haben.
Also entziehen die untertanen unter dem schein
christlicher freiheit irer ordenlichen obrigkeit, die
gewalt uber sie hat, den schuldigen gehorsam nicht,
sonder leisten denselbigen von herzen gern und mit
freuden und wissen, das hierinnen sie Gott irem Her-
ren dienen, der solche gewalt selbst gesetzt und ver-
ordnet hat, und demnach ein gute, nutzliche, not-
wendige ordnung Gottes ist (R: Rom. 13 [1]).
Dergleichen auch die kinder und ehehalten sind
durch christliche freiheit vom gehorsam nit absol-
virt, so sie iren eltern und herrn schuldig seien, son-
der laisten denselben von herzen gern (R: Eph. 5
[6, 1-9]), und wissen, obwol derselbig unvolkommen,
das er Gott dannoch umb Christi willen gefellig und
angenem ist, der seinem Vater für uns ungehorsame
kinder einen volkommenen gehorsam gelaistet hat
(R: Rom. 5 [18f.]; Ephe. 2 [8ff.]).
So hat auch Christus in andern dingen seine glau-
bigen dermaßen befreiet, das sie alle ding, darüber
inen ander; leut gewissen machen (R: Rom. 14;
1. Cor. 8 [7]), in diser christlichen freiheit nach dem
bevelch Gottes und seinem willen, doch nach des
nechsten nutz und erbauung gebrauchen mögen, als
speis, trank, feiertag und dergleichen, wie S. Pau-
lus zun Colossern am 2 [16] schreibt: Lasset niemand
euch gewissen machen uber speise oder uber trank
oder uber bestimpten feiertagen oder neumonat oder
sabbater etc; dann das reich Gottes stehet nicht in
essen und trinken, sonder ist gerechtigkeit, fried und
freud im Heiligen Geist (R: Rom. 14 [17]). Wann die
glaubigen durch den glauben an Christum gerecht-
fertiget sein, das ist: vergebung der sünden haben
und dadurch den friden mit Gott dem Vater haben
(R: Rom. 5 [1]), daraus dann nichts anders dann
freud im Heiligen Geist folgen würd, so fragen sie
unterscheid der speis nicht nach, sonder alles, was
man unter der metzel verkauft und inen fürgesetzt
würdet, das essen sie mit danksagung und machen
inen selbst kein gewissen darüber (R: 1. Cor. 8 [4.

10]; 1. Tim. 4 [4f.]) wie die aberglaubigen, die Gott
wider seinen bevelch mit menschensatzung zu die-
nen sich unterstanden (R: Esa. 29 .[13]; Math. 15
[1-20]): Doch haben sie hierinnen nach der ver-
manung S. Pauli immer acht uf die regel der liebe,
das sie der schwachglaubigen verschonen und die-
jenigen nicht mit der speis ergern, für welche Chri-
stus gestorben ist (R: Rom. 14 [1-23]; 1.Cor. 8
[1-13]).
Und hieher gehören auch allerlei christliche cere-
monien, so umb guter ordnung willen in der gemein
Gottes in christlicher freiheit gehalten, welche dem
glauben nichts geben oder nemen, deren sich ein
jeder Christ nach eines jeden orts gewonheit, wo die
lehr recht und rein gehet, on beschwerung seines ge-
wissens gebrauchen möge.
Also ist kürzlich angezeigt, wie die predigen der
propheten und apostel beides im alten und neuen
testament fürnemlich uf Christum gehen und uns
erkleren das hauptstuck unserer christlichen lehr
von der rechtfertigung vor Gott, wie wir armen sün-
der wider zu gnaden kommen und vergebung der
sünden erlangen allein durch den glauben von wegen
unsers Herrn Jesu Christi, one die werk des gesetzes
(R: Rom. 3 [28]; Gal. 2 [21]).
Und wo diser artikel recht geleret und fürgetragen
wird, so wird sich fein nacheinander der recht ver-
stand in den andern artikeln finden, als da sind von
Gott, von der sünd, vom gesetz, vom evangelio, vom
glauben, von der gnad, von guten werken, von dem
freien willen, von der fürsehung und wahl Gottes,
von den heiligen sacramenten der tauf und abent-
mals, vom gebet, vom creuz, von christlicher frei-
heit, von christlichen stenden, oberkeit, untertanen,
eltern, kindern, herren, knechten, von den eheleu-
ten, man und frauen und dergleichen.
Dise lehr und, was derselbigen mehr anhenkt, ist
in der propheten und apostel geschriften altes und
neues testaments dermaßen gefasset, ausgefüret und
erkleret, auch mit wunderwerken bestetiget (R:
Esa. 35 [5f.]; Mar. 16 [17f.]), das, wo ein engel vom
himel keme und ein andere lehr bringen würde, ine
niemand hören noch glauben geben sollt (R: Gal. 1
[8]).
Hierauf sollen die pfarrherr, prediger und andere
kirchendiener, so das lehrampt füren, allen iren müg-

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