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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0605
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VI 1 Kirchenordnung 1559

Ordnung des gemeinen gebets
und letanei22.
Das gemein gebet offentlich in der kirchen zu hal-
ten, ist nit aus eignem, selbs erdichten menschengut-
bedunken aufkommen, sonder ist von den heiligen
patriarchen, propheten und aposteln aus bewegung
des Heiiligen Geists fürnemlich in großen schweren
anligen und gefarlichkeit als ein mitel, göttliche hilf
zu erlangen, gebraucht worden (R: Psal. 5 [8]). So
hat es auch ein offentlichen apostolischen bevelch:
Ich ermane, sagt Paulus, das man vor allen dingen
zuerst tu bit, gebet, fürbit und danksagung für alle
menschen, für die könig und alle oberkeit etc. (R:
1. Tim. 2 [11).
Und das am ernstlichsten zu bedenken ist, so hat
unser Herr Christus selbs dem gemeinen gebet ein
treffliche zusagung getan und sagt (Math. 18 [19]):
Wo zwen unter euch eins werden auf erden, warumb
es ist, das sie bitten wollen, das soll inen widerfaren
von meinem Vater im himel. Darumb, nachdem der
kirchen allerlei not und gefahr zu jeder zeit begeg-
net, soll das gemein gebet in der kirchen mit gro-
ßem ernst geübet und nicht unterlassen werden.
Es sollen aber die kirchendiener das volk mit
allem vleis unterrichten, das das gemein gebet nicht
fruchtbar sei noch göttlich hilf erlange, es geschehe
dann von den bußfertigen, die aus erkantnus der
schwere irer sünden von denselben abstehen, bes-
sern ir leben und rufen Gottes namen an aus rech-
tem vertrauen von wegen und im namen unsers lie-
ben Herrn Jesu Christi, darmit wir nicht hören müs-
sen, wie der Herr bei dem Esaia 1 [15] prediget:
Wann ir schon euer hend ausbreitet, verberge ich
doch mein augen vor euch und, ob ir schon vil betet,
höre ich euch doch nicht; dann euere hend seind vol
bluts.
Darumb sollen die kirchendiener das gemein ge-
bet also uben und treiben, das sie dabei das volk zur
buß vermanen und inen wol einbilden, das keiner
kunde ein rechter beter sein, er sei dann zuvor ein
christlicher bußer.
Wiewol nun das gebet, so uns unser Herr Chri-

22 Aus der Württembergischen KO von 1553 (die wie-
der das große Gebet aus Kollekten der brandenburg-

stus geleret hat (R: Mat. 6 [9-13]), das Vater unser
genant, an im selbs ein gebet ist, soll auch als ein
kurzer begriff und summa aller andern christlichen
gebet in allwegen den vorzug haben, jedoch, nach-
dem die andern gebet, so in der heiligen schrift und
sonderlich im psalter begriffen oder aus den sprü-
chen der heiligen schrift auf ein gegenwürtige not
gezogen, ein erklerung und auslegung des Vater
unsers sind, so sollen sie nicht verworfen, sonder auch
und mit dem Vater unser zu seiner zeit geübt und ge-
braucht werden.
Es seind aber zweierlei form des gemeinen offent-
lichen gebets.
Ein kurze form des gemeinen gebets,
so allwegen am sontag und feiertagen nach der predig
dem volk soll fürgesprochen werden.
Ir geliebten in Christo, dieweil wir alle glieder eines
leibs sind, welches haupt Christus ist, so soll sich je
ein glied des andern annemen und für einander bit-
ten. Das sollen wir aus befelch unsers Herrn Christi
und seines heiligen apostels S. Pauli von herzen gern
tun.
Bittet also:
Almechtiger, barmherziger, ewiger Gott und Vater
unsers Herrn Jesu Christi, ein Herr himels und der
erden, wir bitten dich herziglich, du wöllest dein hei-
lige kirchen mit iren dienern durch den Heiligen Geist
regiren, auf das sie bei der rechtgeschaffen weid dei-
nes almechtigen und ewigen worts erhalten werden,
dardurch der glaub gegen dir gesterkt und die lieb
gegen alle menschen in uns erwachse und zuneme.
Wöllest auch der weltlichen oberkeit, den römi-
schen keiser, allen königen, fürsten und herrn, in-
sonderheit aber einen erbarn, weisen rat diser stat
Rotenburg, unsern herrn, auch allen iren amptleu-
ten gnad und einigkeit verleihen, die untertanen
nach deinem götlichen willen und wolgefallen zu
regiren, auf das die gerechtigkeit gefürdert, die bos-
heit verhindert und gestraft werde, darmit wir in
stiler ruhe und gutem friden, als christen gebürt,
unser leben volstrecken mögen,
nürnbergischen Ordnung zusammengestellt hatte)
(Richter 2, 138).

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