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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0672
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wandte sich die Stadt an Nürnberg, mit der als der nächsten größeren Reichsstadt sie stets enge Ver-
bindung hielt, mit der Frage, wie sie es weiter halten solle. Der Rat gab ihnen am 27. Juli dieses Jahres
aber nur die unsichere Auskunft, sie möchten sich dabei ,,nach gelegenheit der lauf halten ires gut-
bedünkens“2. Man scheint zunächst nocih nichts getan zu haben; denn am 20. September riet Nürnberg
einem Abgesandten des Rates, sie möchten zuerst mit dem Pfarrer verhandeln, daß er einen evangeli-
schen Prediger aufstelle, und, wenn das nicht gelinge, selbst einen aufnehmen, ,,ungeacht, was der bischof
von Eichstätt fürnemen werd, und immer das Wort Gottes lieber sein lassen denn bischöfe und pfarrer,
damit sie auch unru und empörung bei der gemein verhüten mögen“3. Die Bewegung scheint im Volke
also ziemlich lebhaft gewesen zu sein. Weißenburg handelte sofort dem Rat entsprechend und stellte einen
eigenen Prediger an. Der Bischof verlangte seine Entlassung. Jetzt deckte sich Weißenburg auf Nürn-
bergs am 21. Oktober gegebenen Rat mit dem Hinweis auf den geistlichen Stand des Predigers, der ja
nicht unter ihrer Gerichtsbarkeit stünde. Wahrscheinlich war dieser Prediger der nachher handelnde
Tipontius4.
Inzwischen hatte der Reichstag von Nürnberg ein Nationalkonzil in Speyer in Aussicht gestellt und
die Stände mit seiner Vorbereitung beauftragt. An den daraufhin und dafür veranlaßten Tagungen des
fränkischen Kreises hatte sich zwar Weißenburg zunächst nicht beteiligt5. Es schloß sich aber dann auf
Nürnbergs Rat an und wurde auch am 6. Oktober 1524 feierlich in den Bund aufgenommen6. Es er-
hielt daher auch - wohl erst Ende Januar 1525 - die ansbachischen 23 Artikel zur Prüfung durch seine
Geistlichen übersandt. Diese lehnten aber ab - allerdings mit der Bemerkung, daß sie schließlich schon
mittun würden, wenn der Rat sie in Schutz nehmen wolle7. Warum der genannte evangelische Prediger
dabei nicht in Erscheinung tritt, ist unbekannt. Am 11. Februar 1525 aber auf alle Fälle heiratete Johann
Tipontius die Witwe des angesehenen Weißenburger Bürgers Stephan Öder8.Bei der Osterkommunion
dieses Jahres hielten sich im Verhältnis zu früher 800 Personen fern, weil sie nicht in evangelischer
Weise gehalten wurde. Das mag bei einer Gesamteimvohnerzahl von vielleicht 23009 beinahe die Hälfte
der Kommunionberechtigten gewesen sein. Am 16.Mai 1525 richtete dann Tipontius unter Benützung
der Flugschrift, die der Schwabacher Richter Herbst an seinen dortigen Pfarrer gerichtet hatte10, einen
leidenschaftlichen Brief an den katholischen Pfarrer Andreas Minderlein. Er forderte ihn auf, sich
evangelisch zu halten. Den Brief übergab er auch an die Stadt11. Zu einer Klärung kam es aber nicht,
wenn die Stadt auch am 19.Mai die Geistlichen aufforderte, die Bürgerpflicht auf sich zu nehmen. Wäh-
rend der Bauernunruhen ließ sich Tipontius ziemlich mit der revolutionären Bewegung ein. Es wird
damit zusasmmenhängen, daß er dann nach Niederwerfung des Aufruhrs am 1. August die Stadt ver-
ließ und sich nach Nürnberg begab. Hier wollte man ihm aber keine Aufnahme gewähren, ja man
steckte ihn, als er dennoch blieb, gar ins Loch. Weißenburg hatte wieder keinen evangelischen Prediger
und wagte aber doch keinen entscheidenden Schritt gegen den Willen des nahen Bischofs, und Nürn-
berg teilte seine Bedenken12. Pfarrer Minderlein erbat sich, ohne sich innerlich geändert zu haben, am
19. Januar 1526 die ihm dann erteilte Genehmigung, seine Köchin zu heiraten13. Doch war unter den
Kaplänen wenigstens einer - Seubold -, der evangelisch gesinnt war.

2 Schornbaum, Kasimir 171. 3 Schornbaum, Kasimir 171.
4 Infolge eines alten Lesefehlers lief er langeZeit unter dem Namen Arpontius. 5 Schornbaum, Kasimir 30-37.
6 Schornbaum, Kasimir 1S2. 7Vogt 44f.— Schornbaum, Kasimir 61. 185.
8 K. Liebs Briefwechsel, herausgegeben von J. Schlecht. Münster 1909 ( = Reformationsgeschichtliche Studien und
Texte 7) 98. - Ried 22. 9Vogt 43. 10 Kalb.
11 Weißenburg Stadtarchiv Nr. 1305. - Engelhardt, Ehrengedächtnis 64-68.
12 K. Schornbaum, Joh. Tipontius, der 1. evang. Prediger von Weißenburg, in: Mitteilungen des Vereins für Ge-
schichte der Stadt Nürnberg 44 (1953) 304-308. (Die hier ausgesprochene Vermutung bezüglich einer Flugschrift
bestätigte sich nicht: M. Simon, Flugschrift..., in: ZbKG 22 [1953] 183-192.) 13 Ried 25.

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