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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0692
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[IX]. Ordnung,wie es nun hinfüro mit dem
gefelle dies gemeinen castens in außteilung unter die armen
und dürftigen gehalten werden soll. 1524.

Ein erber rat dieser stat Windsheim hat betracht
und zu herzen genommen, wie uns die göttlich schrift
unterweist und die lieb, so ein jeder zu dem andern
haben soll, erhesche1, des andern bürde tragen, sei-
nen mangel und not wenden soll, hinwiederum das2
almosen, das uns ausgelegt wird3, wie man da sicht,
das etlich leut, so eines unachtsamen lebens, die ihr
sach allein auf die faulheit und die bauchfüll rich-
ten, darunter eins teils tag und nacht in lud[er]4 zun
wirtshäusern liegen und das ihr also mutwillig ver-
schwenden, daraus die armut folgt, das sie dem bet-
tel gedeien, die andern sich aus faulheit und lider-
lichen weis auf dem bettel begeben, die ihr brot mit
arbeit wohl gewinnen möchten, auch ihre kinder dar-
innen aufziehen, die ihnen alle die tag ihres lebens
anhängen, dardurch mangel an arbeitern zu allem
handel erscheinen.
Darumb hat ein erbarer rat diese ordnung für-
genommen, wie es hinfür mit den armen leuten soll
gehalten werden, haben also sechs personen verord-
net, die hievor die pflegalmosen5 einzunehmen und
auszugeben getragen haben, das sie dieselben gestif-
ten nutzung und gülden nachmals treulich und flei-
ßig einbringen sollen, auch rat und hilf durch solche
ordnung vollzogen werden.
Aus den sechs personen seind genommen zwei pfle-
ger. Den sollen die andern vier pfleger ihr ein-
gebrachte nutzung überantworten, das also die zwei
pfleger fürter den armen leuten, welche sie im ver-
zeichnus haben, einem jeden nach seiner notdurft
reichen und geben sollen, und ob die zwei pfleger
[etwas] fürviele, darzu sie der andern vier pfleger
notdürftig werden, so mögen sie die erfordern, ihren
Druckvorlage: Abschrift des 17. Jahrhunderts
(Papier, Quart, 8 Seiten. - Nürnberg, Germani-
sches Museum Archiv Windsheim ex Fasz. 31). — Die
Vorlage ist recht fehlerhaft, was zum Teil auf die harte
Sprache des Originals zurückgehen wird. Auf eine Glät-
tung wurde daher verzichtet.
1 = erhaischen (Schmeller 1, 1884).

rat zu nehmen. Wären aber die sachen dermals ge-
stalt, das es durch die sechs pfleger nicht ausgericht
werden möchte, so soll es für einen erbaren rat ge-
wiesen werden, daselbst bescheid zu gewarten.
Wo aber den pflegern beschwerlich sein wollt, die
armen in ihren wohnungen heimzusuchen, zu erkun-
digen ihre notdurft, auch ihr wesen und gelegenheit,
so haben sie macht ein person, daselbst zu erkün-
digen, anzunehmen, der sie ihren lohn darumb geben
sollen, der sich aber auch bei den nachbarn erkun-
digen soll der armen gelegenheit, wie die frau, etwa
der mann mit groben und bösen sitten herkommen
oder in übung sein, daraus diebstal, kuplerei, füllerei,
spiel und dergleichen übeltat [folgen], zu erfahren.
Darauf haben die zwei pfleger alle burger und bur-
gerinnen, so das almosen begehren und notdurftig
sein, beschickt und erforscht, was ein jeder in sei-
nem umlaufenden bettel erobert hab, weiter, was
ein jeder von kinder und was alters und vermögens
sie sein, solchs verzeichnet, in sonderheit, wo ge-
wachsene kinder, so ihr brod mit dienst gewinnen
und ihr eltern der geraten möchten, in sonderheit
verzeichnet, solchen kindern dienst zu schaffen.
In dem ist erfunden, das etwa dem mann und nit
der frauen, etwa der frauen und nit dem mann das
almosen zu raichen sei, dabei verboten worden bei
sunder poena, das die person, der das almosen nicht
gereicht wird, das ander, dem es gegeben wird, nicht
benötigen soll, also das solch almosen nach eines
jeden discretion, nachdem sie die notdurft sehen,
ausgegeben werde.
Es muß auch ein jeder mann oder frau, so das
almosen begert, ein öffentlich zeichen tragen und,
2 In der Vorlage steht hier noch ein unverständliches
„so“.
3 Die Stadt hatte eine Reihe von Almosen, vor allen
Dingen das sog. reiche Almosen zu verwalten und
zu verteilen (Schirmer 255f.).
4 = Schlemmerei (Schmeller 1, 1447).
5 Siehe Amn. 3!

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