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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0702
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[X.] Dorfsordnung, so durch den wolgebornen
und edlen herrn herrn Heinrich Graven und herrn zu Castell
in irer gnaden fleck Obereisensheim
ufgericht worden, den neunten Julii Ao. 1579.

Wir aHeinricha, grare und herr zu Castell enthie-
ten unsern pfarrherrn, schultheißen,burgermeistern,
bgericht und rat, auch ganzer gemeind zu Obereisens-
heim unsern gruß zuvor und geben euch hiemit zu
vernemen:
Wiewol weilandc die wolgeborenen Wolfgang und
Konrad, graven und herrn zu Castell, unsere freund-
liche liebe herrn vater und bruder cchristseliger ge-
dechtnus, euch etliche ordnungen und mandaten zue-
gestelt, denselbigen gemeß euch zu verhalten, so be-
finden wir doch aus glaubhaftem bericht, haben es
auch selbsten zum teil erfahren und gesehen, daß
dbemelten unserer herren vater und bruderd seligen
ordnungen und mandaten nit allein enit allerdings
nachgesetzt wurd, sondern auch in etlichen den ver-
brechern kein benante straf gesetzet, in ethchem
aber durch eine berumbte alt herkommene gerechtig-
keit solche liderliche und geringe strafen genommen,
daß dardurch die boshaftigen vilmehr zum gespöt
und verachtung solcher ordnung angereizet als von

Druckvorlage: Gleichzeitige Abschrift zu amt-
lichem Gebrauch (Papierband in Folio mit mehreren
Dorfordnungen, darin auf Seite 1 mit 17 die hier ab-
gedruckte; Obereisenheim, Gemeindearchiv Nr. 25).
- Eine fast gleiche Dorfordnung, die 1569 für Billings-
hausen erlassen wurde und in Abschrift im Fürstlich
castellischen Archiv in Castell, Kanzleiarchiv
H II 4 erhalten ist, wurde zum Vergleich herangezogen.
Ihre Abweichungen werden unter der Bezeichnung
1569 angeführt. — Druck: Teilweise und viel zerteilt
bei Borger an verschiedenen Stellen.
a—a 1569: Wolfgang1 b 1569: + heimburgen2
c-c 1569: hier steht ein Hinweis auf den Yorbesitzer
Michael vonWertheim
d-d 1569: hat wieder den Hinweis auf Michael von
Wertheim
e-e1569: nicht allein in dem wenigsten nicht nach-
gesetzt und gelebt, sondern auch alle bosheit, un-
zucht3, ungehorsam, untreu und andere gemeine,
grobe laster bei mans- und weibspersonen, jung
und alt, dermaßen im schwang gehen, daß es nicht
mehr vor unrecht, sondern vor ein lob und tugend

irem mutwillen abgehalten werden, zudem sich in
diesen letzten geferlichen und bösen Zeiten die welt
je lenger je erger erzeiget und also vil artikul, die
zue strafen seind, in diesen ordnungen gar außen ge-
lassen, darauf sich das gemeine volk zum teil aus
unverstand zum teil aus vorgesetzter bosheit ver-
lassen, weil sie in den vorigen ordnungen und man-
daten in specie nit begriffen, desto kecklicher und
ungescheuet zu vollbringen, dannenhero auch, ob-
gleich itziger zeit etliche laster nit im schwang gehen
oder bei euch befunden, doch leichtlich mit der zeit
durch nachlässig- und unachtsamkeit ausbrechen
möchte,
solches alles zu vorkommen4, wil uns als einer
christlichen oberkeit geburen, fleißige aufachtung zu
haben und aller bosheit, so vil meglich, zu vorkom-
men und zue wehren, uf daße wir uns nit allein des
evangelii und Gottes worts mit dem munde rühmen,
sondern auch mit guten werken, brüderlicher liebe,
christlicher zucht und gebüerendem gehorsam unsern
gehalten werden will, dadurch die gottesfürch-
tigen und frommen unterdruckt, beschädigt und
geärgert, die leichtfertigen aber und boshaftigen
in ihrem mutwillen und frevel je länger je mehr
fortfahren, zunehmen und gestärkt werden, wel-
ches uns als einer christlichen obrigkeit ferner also
zuzusehen und zu gedulden mit nichtem gebühren
will, sondern vielmehr ein ernstliches einsehen zu
haben, damit
1 Daß die Dorfordnung von Billingshausen hier Wolf-
gang nennt, muß auf einen Fehler der (späten) Ab-
schrift beruhen. Der einzige damals lebende Wolf-
gang II. war erst 1558 geboren und zwar als Sohn
Georgs in Castell. Er studierte damals und erhielt
erst 1586 Erbschaftsaussicht auf den Remlinger An-
teil. Er starb 1631. (Sperl 218-229. 285.)
2 = Schultheißen, Vorsteher von Bauernschaften
(R. Schröder, Lehrbuch der deutschen Rechts-
geschichte. 1922. 457. 658. 661).
3 = Zuchtlosigkeit
4 = verhindern, verhüten (Schmeller 1, 1248).

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