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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (11. Band = Bayern, 1. Teil): Franken: Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach-Kulmbach - Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Schweinfurt, Weissenburg, Windsheim - Grafschaften Castell, Rieneck und Wertheim - Herrschaft Thüngen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.30627#0759
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XIII 1 Kirchenordnung 1564

will angerufen sein und erhoret auch das gebet und
danksagung allenthalben und zu jeder zeit, wen es
nur im Geist und in der warheit geschicht. Sie kön-
nen und sollen demnach auch doheim berurte dank-
sagung tun, mögen auch das kirchengehen bis uf
nechstfolgenden sonntag lassen beruhen und dann
mit mehrem nutz Gottes wort in der predigt hören
und ihr gebet neben der ganzen christlichen gemeine
zu Gott tun.
In welchem allem ihnen, den kindbetterin, keine
ordnung der gewissen zeit, des orts und anderer
umbstände furgeschrieben soll werden, sonder ei-
ner jeder nach ihrer andacht freistehen, jedoch das
darin keine besondere heiligkeit oder verdienst des
werks gesucht, vielweniger einige abgötterei fur der
jungfrau Mariä oder anderer heiligen bilde getrieben
werde, welches, wie droben von bildern gemeltet ist,
keines wegs zugestatten.
16. Vom wetter- und unseres Herrn Christi
schiedungsleuten.
Daß man zu wetter leutet, wird bei dem einfel-
tigen und unverstendigen pöfel gewöhnhch dahin
gedeutet, als ob solches geleut an im selbst für den
hagel, donnerschlag und ungewitter helfe und be-
schütze72, wie denn eben umb solcher meinung die
glocken getauft73 sind worden. Welches, weil es eine
öffentliche abgötterei und sünde wider das erste ge-
bot ist, soll solch geleut unterwegen gelassen wer-
72 Dazu Bächtold 9,508-512. 551 ff. - LThK 10,848.
73 LThK 42, 966. - Wetzer und Welte 5,704.-
Bächtold 3, 868—876. — Was auff dem Reichstag
zu Nüremberg von wegen Bebstlicher heiligkeit
an Keyserlicher Maiestat Stathalter vnd Stende
Lutherischer sachen halben gelangt... (Nürnberg
1523) Gijvf. - G. M. Weber, Die hundert Beschwer-
den der gesammten deutschen Nation, dem römi-
schen Stuhle übergeben im Jahre 1523. Erlangen
1829. 68-71. - GL Pfeilschifter, Acta Reforma-
tionis Catholicae Ecclesiae Germaniae Concernentia
Saeculi XVI. Band 1. Regensburg 1959. 455).
74 Ganz so einfach lag es doch nicht. Melanchthons,
von Luther voll gebilligter Unterricht der Visita-
toren ließ nicht nur in der 1. Ausgabe von 1528, son-
dern auch in der von 1539 das Wetterläuten als
Gebetsruf bestehen (WA26,234.- Sehling 1, 170).
Dagegen beseitigte es eine Besprechung in Coburg
1554/55 (Sehling 1,544) und die kursächsische
Kirchenordnung von 1580 (Sehling 1, 453). In
Brandenburg (- Ansbach?) - Bayreuth sollte es
vor 1590 verboten werden. Anscheinend scheiterte

den, wie es auch durchaus an allen christlichen orten
vorlangst ist abgeschaffet worden74.
Aber das leuten, so am freitag zur gedechtnus des
leidens und sterbens Christi geschickt, ist nicht zu
verwerfen und, wes sich alle und jede christen da-
bei zu erinnern haben, soll weitleuftiger zu gelegener
zeit durch den pfarrherrn vermeldet werden75.
[Schluß.]
Und haben also euer erenvest in dieser unser
schrift, wie wir verhoffen, genugsam zu ersehen, was
wir, e[eur] e[rnvest] untertenige diener der kirchen,
auf derselben erenvest christliches begeren in mehr-
gedachter edler und erenvester Otto Wilhelm76 und
Bernharten77 von Thungen gegenwart uns freund-
lich verglichen haben,
erstlich der lehre halben, das wir keine andere oder
fremde den allein diese, so in heiliger, göttlicher
schrift der propheten, Christi und der apostel begrif-
fen und gegründet und wie sie nach rechtem katho-
lischen verstand in den drei furnembsten symbolis
und in des hocherleuchten mannes d. Martini Lutheri
selig catechismo und confessio, desgleichen in der
Augspurgischen confession und derselben apologia
erkleret werden, erkennen und annehmen,
zum andern, welche und was fur heidnische und
bepstische abgötterei, noch zum teil in etlichen kir-
chen verbheben, wir nach götthchem bevehl und
das aber am Widerstand des Volkes (Kraußold
165 f.). In Brandenburg-Ansbach wurde das Wetter-
läuten noch 1783 erst auf ein kurzes Glockenzeichen
zur Bereitstellung der Feuerlöschgeräte (!) be-
schränkt (J. Ph. Heuber, Realindex... derer...
onolzbachischen... Landesconstitutionen. Schwab-
ach 1784. 508). Erst die bayerische Regierungbesei-
tigte es durch ihr Verbot vom 24. April 1806 voll-
ständig (Regierungsblatt 157ff.).
75 Schiedung = Abschied, Abscheiden. - Das Schie-
dungsläuten erfolgte (zu Erinnerung an den Tod
Jesu) am Freitag zu örtlich verschiedener Zeit, aber
meist zur Kreuzigungsstunde (9 Uhr, 11 Uhr)
(Schmeller 2,374).
76 Er entstammte der Andreasischen Linie, saß zu Höll-
rich und starb 1568. Sein Grabstein in der Kirche
von Höllrich (Kunstdenkmäler Bayerns. Be-
zirksamt Gemünden. München 1920. 62f. - Thün-
gen 1, 319. 409; 530 u. ö.).
77 Auch er gehörte der Andreasischen Linie an, wohnte
zu Burgsinn und starb 1575 (Thüngen 1, 309. 319).
- Der damalige Geschlechtsälteste der Lutzischen

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