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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (12. Band = Bayern, 2. Teil): Schwaben: Reichsstädte Augsburg, Dinkelsbühl, Donauwörth, Kaufbeuren, Kempten, Lindau, Memmingen, Nördlingen, Grafschaft Oettingen-Oettingen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30628#0029
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Es war bei der Reformationsgeschichte Nördlingens selbstverständlich, daß der Pfarrgottesdienst
(die Messe) zur Grundlage des Gottesdienstes werden konnte, und nicht weniger in Pfalz-Neuburg, wo ja
eine obrigkeitliche Verfügung ohne nennenswerten Kampf der Richtungen die Reformation einführte.
Wenn Nördlingen dann später der Württembergischen Ordnung stärkeren Einfluß gewährte, so bezog
sich das nicht auf die Gestaltung des Gottesdienstes, der durchaus von Nürnberg her bestimmt blieb.
Dinkelsbühl übernahm bei Wiederherstellung seines evangelischen Kirchenwesens 1567 wegen der
durch Pfalz-Neuburg gewährten Hilfe die Kirchenordnung Herzog Wolfgangs, die ja zur gleichen Fa-
milie gehörte, wenngleich mit stärkerer Übernahme württembergischer Gottesdienstformen.
Südlich der Donau mußte der Einfluß der Schweiz aufhören, als der Religionsfriede von 1555 über
Gleichberechtigung und Duldung evangelischer Haltung das Damoklesschwert der Beschränkung auf die
Anhänger der Augsburgischen Konfession anbrachte. Das stärkte in den einzelnen Städten die Stellung
der lutherischen Richtung außerordentlich und zwang die schweizerisch Gesinnten nicht nur zu Zu-
rückhaltung, sondern auch zu Anpassung. Das geschah nun gleich auch inden Ordnungen, aber doch zu-
erst nur in der Weise, daß in die bisherigen Grundformen lutherische Ausdrücke, Wendungen und For-
men besonders beim Abendmahl und bei der Taufe eingefügt wurden.
Kempten übernahm 1553 gleich überhaupt die Württembergische Kirchenordnung. Das dürfte wohl
auch in Kaufbeuren der Fall gewesen sein, als dort 1557 das evangelische Kirchenwesen neu erstehen
konnte. Memmingen schuf allerdings 1569 eine ganz neue Kirchenordnung in starker Anlehnung an
die von Zweibrücken und Württemberg. Doch scheint dabei die Gottesdienstordnung nicht mit erfaßt
worden zu sein. Burtenbach wird sich bei den engen Beziehungen seiner Besitzer zu Augsburg durch-
aus nach der dortigen Ordnung gerichtet haben. So fanden sich auf dem engen Raum des bayerischen
Schwaben schließlich die mannigfachsten Formen evangelischer Gottesdienste zusammen und vor allem
ihre schlechthinnigen Gegenpole wie in Nördlingen einerseits und anderseits in Augsburg.
Jede Art von liturgischer Kleidung aber blieb südlich der Donau auch weiterhin verpönt. Der am-
tierende Geistliche trug hier die gleiche Gewandung, die jeder Bürger bei einer feierlichen Gelegenheit
trug46. Dabei machte man wohl lediglich die Mode in der verschiedenen Form des oberen Hemdab-
schlusses - der Herausbildung der Beffchen - nicht mit, sondern blieb bei der Krause, die auch heute noch
in Augsburg und Kaufbeuren getragen wird.
Bei diesem Anschluß an die wittenbergische Linie ist es natürlich, daß sich dann denn auch unter
dem Konkordienbuch neben den Unterschriften mancher nördlich und westlich davon gelegenen Stände
die Unterschriften des Grafen Gottfried von Ottingen und von Bürgermeister und Rat der Städte Nördlin-
gen, Memmingen, Lindau, Kaufbeuren, Kempten und des Rates von Donauwörthfinden^.
Die Stadtvertretungen von Augsburg und Dinkelsbühl konnten als teilweise katholisch natürlich
nicht unterschreiben. Sie ließen ihre Geistlichen aber ebenso wie die anderen Stände unterzeichnen 48.
Die Einführung von Kirchenbüchern, die hier so wenig wie in Franken irgendwelche vorreformato-
rische Vorgänger hatten 49, erfolgte in Dinkelsbühl unter dem Einfluß der Brandenburgischen Kirchenord-
nung von 1533, sonst aber zunächst unabhängig von den fränkischen Vorbildern50 in Zusammenhang mit
der Schweiz. Es wurde schon erwähnt, daß der Memminger Tag von 1531 allgemein die Führung von Tauf-
büchern empfahl. Sie wurden auch in Lindau und Memmingen 1533 angelegt. Traubücher erwähnte der
Memminger Tag nicht, sie wurden aber in den Zuchtordnungen von Konstanz und Memmingen ein-
geführt und von Lindau auch ohne eine solche Bestimmung gleichzeitig begonnen. Das wird wohl unter
dem Einfluß Straßburgs, das dazu von Nürnberg angeregt worden war51, geschehen sein. Bei den übri-

46 Vgl. das Abendmahlsbild aus der Zeit um 1600 in der Stephanskirche in Lindau (Abbildung bei Wolfart 1 II 28).
47 Bekenntnisschriften 16f . 48 J. T. Müller 780. 785f.
49 Matth. Simon, Zur Geschichte der Kirchenbücher, in: ZbKG 29 (1960) 10f.
50 Sehling 11, 8f. 51 Matth. Simon, Zur Entstehung der Kirchenbücher, in: ZbKG 28 (1959) 140.

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