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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (12. Band = Bayern, 2. Teil): Schwaben: Reichsstädte Augsburg, Dinkelsbühl, Donauwörth, Kaufbeuren, Kempten, Lindau, Memmingen, Nördlingen, Grafschaft Oettingen-Oettingen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30628#0360
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Nördlingen

harr3 oline merkliche rechtmeßige ursachen gemelte
verheiratung nicht verziehen; dann, wa sich das he-
finde, so ist ein erbarer rat entschloßen, solchen un-
väterlichen, unerbarn und gefarlichen verzug der
gebür nach mit emst zue strafen.
Nachdem sich auch befindet, das oftermals die
eltern die haimliche eheverlobung irer kinder erst-
lichen gleichsam guethaißen und inen gar nit zu-
wider sein lassen, sonder über ein guete zeit hernach
ursach suechen und solche versprechung in craft
väterlichen gewalts aliererst underfangen zu hinder-
treiben, also ist eins erbarn rats will und bevelch:
da künftig die eltern in irer kinder haimlich ver-
sprochene ehe nit gehellen noch die fürgeen lassen
wollen, das si dasselb, so bald si dessen in erfarung
gebracht, ordenlicher weis anden und widerspre-
chen, auch endlich ausfüern sollen, dann ohne das
würde ir langverzogner einspruch nit mehr ange-
nommen, sonder solch ir wissentlich zusehen für iren
einmal gegebnen willen und consent erkannt und ge-
halten werden.
Was auch hieoben von der kinder gehorsam gegen
den eltern in eheverpflichtung geordnet und be-
fohlen, das will ein erbarer rat auch von den waisen
gegen iren ordenlichen vormundern und nechst-
gesipten verwandten, doch mit der maß, wie es von
gemeinen keiserlichen geschribnen rechten bedacht,
verstanden haben.
Von ehepflichtigung deren personen,
so nicht under der
elteren oder vormundern gewalt sein4.
Als oftermals andere personen, so nicht mehr in
väterlichen gewalt oder verpflegt sein, ohne beisein
anderer personen allein und heimlich einander die
ehe verloben, aus welchem aber, wie in glaubwürdi-
ger erfahrung befunden, greuliche, schwere mainaid
und sunst vil merklicher, treffenlicher und großer
nachteil, schaden und ursach in vil wege erwachsen,
solches, sovil müglich zu fürkommen, so ist eins
erbarn rat meinung und bevelch, das hinfürter,

wann solche personen (die gleichwol, wie gehört,
nicht mehr under väterlichem gwalt oder vormun-
dern sein) sich miteinander ehelich verheiraten wöl-
len, das alsdann dieselbigen zue solcher eheverlo-
bung zum wenigsten zwe erbare, redliche, unpartei-
sche personen nemen sollen, durch welche solche
eheverlobung im fall der notturft gnugsam und
rechtmeßiglich möge bewisen werden. So ferne es
aber nit geschehe und es trüege sich zue, das einer
(oder eine) das ander umb die ehe rechtlich anfech-
ten oder aber us mangel der zeugen, so dabei gewest,
solches nicht, wie sich zue recht gebürt, erstatten
möcht, sondern die angesprochen person würde mit
recht der ehe halben ledig erkennt, so solle dieselb
mann- oder weibsperson, so im rechten verlüstigt
worden, uber den gewonlichen gerichtscosten nach
gelegenhait der personen und anderer umbstende
gestraft werden.
Wo auch in einiger obgemelter strittige ehesachen
die eheverlobung und darzu die schwengerung oder
zum wenigsten beischlafen oder schwechung bekant
oder sonst bewisen und aber solche angezogne ehe us
einicher ursach nit zugelassen würde, alsdann soll
die mannsperson von wegen solcher schwengerung,
schwechung oder beischlafens alsbald ein monat
lang in gefängnus gelegt und uf sein costen mit was-
ser und brot gespeiset, auch die frau vierzehn tag in
einer frauengefängnus gestraft und doch ire forde-
rung von wegen der schwechung und schwengerung
sambt oder sonders vorbehalten sein.
Und wann gleich ein solche strittige ehe von eines
erbarn rats consistorio zugelassen würde, so sollen
si doch baide von wegen des heimlichen beischlafens
vor zulassung der ehe und auch dem kürchgang ge-
straft werden, nemlich die mannsperson acht tag in
turn mit brot und wasser und die frau vier tag in
eine frauengefängnus gelegt werden und darzue inen
baiden, spil oder gäst uf der hochzeit zu haben, auch
ir, ein kränzlein zum kürchgang zu tragen, verpoten
sein.
So aber die ehe nit bekannt oder sonst bewisen
würde, sonder allein das beischlafen, alsdann soll die

3 = Verzögerung (Schmeller 1, 1147. - Grimm 4
II 492).

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4 Fast wörtlich aus der württembergischen Eheord-
nung von 1553 (Richter 2, 129).
 
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