Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (13. Band = Bayern, 3. Teil): Altbayern: Herzogtum Pfalz-Neuburg, Kurfürstentum Pfalz (Landesteil Oberpfalz), Reichsstadt Regensburg, Grafschaft Ortenburg, Herrschaft Rothenberg, Herrrschaft Wolfstein — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1966

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30630#0032
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Selbständig in beachtlicher Form weitergebildet wurde die Nürnberger Ordnung auch in der Graf-
schaft Ortenburg, und zwar hier offensichtlich durch den Grafen Joachim persönlich. Auch die Herr-
schaft Wolfstein entwickelte im Werk des Thomas Stieber eine beachtliche Neugestaltung, während in
der Herrschaft Rothenberg nur eine dürftige Angleichung an württembergische Bräuche zustande kam.
Nach außen hin konnten diese Gebiete kirchlich doch ein sehr verschiedenes Gesicht zeigen, weil
das Agendbüchlein den Gebrauch von Meßgewand und Chorrock durchaus freistellte. So verwendete die
Herrschaft Wolfstein bis ins 18. Jahrhundert und die Reichsstadt Regensburg bis 1554 bei der Abend-
mahlsfeier das Meßgewand und sonst den Chorrock. Regensburg seit 1554, die Grafschaft Ortenburg
und die Herrschaft Rothenberg kannten nur den Chorrock, und in letzterer fiel 1618 auch dieser wenig-
stens in den meisten Orten weg.
Waren diese beiden Kirchenordnungen zumeist nur unter mehr oder weniger selbständiger Weiter-
bildung oder überhaupt nur in einzelnen Stücken übernommen worden, so war es bei den übrigen anders.
Sie wurden ganz und so ziemlich unverändert eingeführt.
Die sächsische Kirchenordnung - die Herzog-Heinrich-Agende von 15396 7 - wurde anfangs in der
Grafschaft Haag eingeführt1. Wieweit sie tatsächlich übernommen wurde, bleibt bei der kurzen Zeit, die
ihr vergönnt war, fraglich.
Eine Tochter der sächsischen Herzog-Heinrich-Agende von 1539 war die mecklenburgische Kir-
chenordnung von 15528. Sie wurde 1555 in Amberg bei der endgültigen Neuordnung nach dem Interim
zugrunde gelegt. Diese mußte aber schon 1557 der kurpfälzischen Ordnung von 1556, also einer württem-
bergischen Form, weichen. Doch brachte die Neuausgabe von 1577 wieder in der Abendmahlsordnung
eine Annäherung an die frühere Übung.
Wesentlich mecklenburgisch - mit württembergischen Stücken - war auch die zweibrückische
Kirchenordnung von 1557, die 1560 in Pfalz-Neuburg eingeführt wurde.
Völlig anderer Geist als in all diesen Ordnungen wehte in der württembergischen Kirchenordnung von
1553. Sie alle stammten über Luthers Formula missae oder seiner Deutschen Messe aus der mittelalter-
lichen Messe. Württemberg aber hatte die auch im bayerischen Schwaben zunächst allein herrschenden
Formen, die aus dem mittelalterlichen Predigtgottesdienst erwachsen waren, übernommen. Bei dem nur
etwa monatlich stattfindenden Abendmahlsgottesdienst wurde dann die Katechismusverlesung des gewöhn-
lichen Gottesdienstes durch eine schlichte Abendmahlsfeier ersetzt. Dabei waren aber zahlreiche Einzel-

6 Sehling 1, 264-284. - Ihr wesentlicher Unterschied gegenüber der brandenburgisch-nürnbergischen Ordnung von
1533 besteht - abgesehen von einer Ordnung zur Bestätigung der Nottaufe, die aber auch das Agendbüchlein bereits
geboten hatte — im folgenden: Während die brandenburgische Kirchenordnung von 1533 (nach Luthers Formula
missae [W A 12, 205-220]) die Präfation streicht und das Abendmahlsvaterunser an die dem Sanctus folgenden
Einsetzungsworte anschließt, bietet die Herzog-Heinrichs-Agende eine doppelte Möglichkeit. Die erste bringt
(entsprechend Luthers Deutscher Messe [WA 19, 72-113. 667ff.[) lediglich eine Vaterunserparaphrase vor den
Einsetzungsworten. Die andere Form behält (entsprechend der braunschweigischen Ordnung von 1528 [Sehling
6 I 441]) die von Luther gestrichene Präfation mit dem Sanctus bei und schiebt das Vaterunser jetzt hier vor die
Einsetzungsworte ein.
7 Geyer, Ladislaus 207. — MHStA, Grafschaft Haag Lit. 4f. 24. 32. 42. 44, 111. 138 (diese Hinweise verdanke ich
Herrn Hans Rößler in München). - Bei den offensichtlich recht mangelhaften kirchen- und liturgiegeschichtli-
chen Kenntnissen des Grafen muß es freilich sehr fraglich bleiben, ob er überhaupt diese Ordnung meint oder damit
nur sagen will, daß er der wittenbergischen Richtung der Reformation und nicht der schweizerischen folgen will.
Es ist auch mit der Möglichkeit zu rechnen, daß Ladislaus die brandenburgische Kirchenordnung als ,,sächsische“
bezeichnete, weil er ihre 1552 in Leipzig erschienene Ausgabe (Sehling 11, 140) benützte.
8 Sehling 5, 161—217. — Richter 2, 115-128. -Waldenmaier92ff. — Ihre-sie auch von der sächsischen Kirchen-
ordnung unterscheidende — Eigenart war die Beibehaltung des Confiteor der Messe, das in eine Rüsthandlung auch
für die Gemeinde umgedeutet wurde, und der Präfation mit dem dann hier gleich angeschlossenen Sanctus.

12
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften