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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (13. Band = Bayern, 3. Teil): Altbayern: Herzogtum Pfalz-Neuburg, Kurfürstentum Pfalz (Landesteil Oberpfalz), Reichsstadt Regensburg, Grafschaft Ortenburg, Herrschaft Rothenberg, Herrrschaft Wolfstein — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.30630#0088
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Herzogtum Pfalz-Neuburg

dann den menschen. Dann tun sie es aus verstock-
tem gemüt als die, so diejenigen, die bederlei gestalt
empfahen, für ketzer halten, so sein sie nit wirdig,
das man inen das heilig sacrament geb. Tun sie es
aber aus einer schwachheit, als die nicht wissen und
doch gern wolten wissen, was recht were, so ist inen
vil nützer, sie verziehen, bis sie in Gottis wort ver-
stendig und stark werden denn, das sie auf ein zwei-
fel einerlei oder bederlei gestalt empfiengen. Dann
was aus solchem zweifel geschicht, ist sünd, Rom. 14
[23], wiewol es seltzam ist, das ein christ noch daran
zweifeln wil, ob er den worten Christi glauben und
volgen soll oder nicht.
Desgleichen tun auch die, so das heilig sacrament
gar nit empfahen, sonder nur anschauen und dar-
nach darvonlaufen und tichten inen dann, wie sie
ein besondre andacht darvon empfahen, und wöllen
derhalben, man sol umb solches ires gedichts willen
das allerheiligste sacrament im alten mißbrauch be-
halten und ein schauspil daraus machen. Die wol
man unterrichten, das es kein guter grund sein kön,
dieweil es auf dem ungehorsam steht; dann Christus
hat gesprochen: Nembt hin und esset! und nicht:
Kombt her und schauet! Wer nun die wort und ein-
satzung Christi für augen helt, wie alle christen zu
tun schuldig sein, der wird gewißlich seine gedan-
ken zuruckschlagen und im gehorsam Christi blei-
ben, das ist: mer auf Christus befehl dann auf seiner
ungewissen andacht stehn.32
33Dieweil dann das ampt der heiligen messe ein
lange zeit her, wie gesagt, fast ser und erschrecklich
ist mißbraucht worden und wir je gern wolten, das es
wider zu dem rechten, ernsten und apostolischen
brauch und der einsatzung unsers Herrn und Hei-
lants Jesu Christi gebracht werden möcht, so wöllen
wir erstlich, nachdem die privatmesse34 der ein-
setzung Christi Jesu, auch volgent dem apostoli-
schen brauch ganz und gar entgegen, daraus auch
unzelich mißbreuch entstanden, das dieselben hin-
füro abgeton und nit mer gehalten werden.
Darmit aber die unsern zu rechtem verstand der
messe kommen mögen, sol man also, wie hernach

32 Siehe Anm. 31!
33-40 Aus 1540 (Sehling 3, 66f.).

volget, von der messe das volk unterrichten, auch
dieselbigen dergestalt und nicht anderst in unserm
fürstentumb brauchen, wie die nachvolgende ord-
nung melden und mitbringen wird.
Unser Herr Jesus Christus spricht im abendmal,
er hab mit großem sehnen und verlangen begert,
dises pascha mit seinen jüngern zu halten, darin er
ein solch ernstlich gedechtnus seines leidens einge-
setzt hat, damit er auch klerlich bezeuget, das er
sich unser warhaftiglich annemen wölle und das wir
seine glider sein sollen; dann er gibt uns sein leib und
sein blut und spricht darzu, er tue solches mit herz-
licher begird, das er sich unser erjamert und sucht
unser heil und seligkeit. Darumb solten wir billich
mit gleicher begird und danksagung dises werk und
zeugnus seines gnedigen willens annemen, hoch-
achten und oft gebrauchen, uns zu erinnern seines
leidens und der großen gnaden, dardurch erworben,
und im zu danken für alle woltat.
Es ist aber leider dise seine einsetzung in der welt
so groblich mißbraucht und zerrüt, das on zweifel
Gottis zorn dardurch manigfeltiglich erregt ist wor-
den, also das die welt mit allerlei plagen derhalben
bestraft wirt als mit zwitracht, irtumen, türken,
hunger und anderm vilfeltigen elend; dann Paulus
spricht [1. Kor. 11, 27], wer dise gab mißbrauche,
der werde gestraft werden und sei schuldig am leib
und blut unsers Herrn Jesu Christi.
Dise wort sein nicht vergeblich geredt, sonder
sollen für ein warhaftige betroung gehalten werden.
So ist zu sehen in den historien der König Israel, wie
grausame straf nach der abgötterei ervolget, wie
solchs im ersten und andern gebot Gottis austruck-
lich getroet worden ist.
Darumb sol man nit achten, das Got den grau-
samen, erschrocklichen mißbrauch diser herlichen
gaben ungestraft laß, so nie kein ceremonien auf
erden sovil und ubel mißbraucht worden ist, das vil
allein umb irer narung willen meß gehalten, auch die
messe für allerlei applicirt - zu vergebung der sün-
den, für die lebendigen und toten, für allerlei wider-
wertigkeit, leiblich und geistlich, welche alle zu er-
zelen vil zu lang sein wurde.
34 Messen olme Kommunikanten als reines Opfer
(Jungmann 1, 283-306).

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