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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (13. Band = Bayern, 3. Teil): Altbayern: Herzogtum Pfalz-Neuburg, Kurfürstentum Pfalz (Landesteil Oberpfalz), Reichsstadt Regensburg, Grafschaft Ortenburg, Herrschaft Rothenberg, Herrrschaft Wolfstein — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.30630#0152
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Herzogtum Pfalz-Neuburg

zum andern von kirchengerichten16,
zum dritten von ceremonien17,
so sollen sie in diesem allem, in sonderhait aber, sovil
die zwen ersten als die fürnembsten puncten betrift,
vorschaffen, das unserer ordnung unweigerlich gelebt
werde.
c
Und dieweil wir bis anhero ain unaussprechliche
große halstarrigkait bei der widerteuferischen sect
gespüret, so sollen si uf dieselbige fleißig inquirirn,
wann si in das ambt Höchstet21 komen, in welchem
wir mer anfechtung gefunden den anderstwo, im
Norgkaw22 aber insonderhait nach den zauberern

c 1566 +: Sonderlich aber sollen unsere visitatores
fleißig achtung haben, das die schedliche calvini-
sche sect vom hochwürdigesten nachtmal unseres
Herrn Jesu Christi in die kirchen dieses unseres
fürstentumbs nicht einschleiche und derhalben
die pastores auf die vier fragstück von des Herren
nachtmal18, die sonst den ordinanden fürgehalten
worden, examinirn und, die sie rechtgeschaffen
befinden, treulich und ernstlich für dem gift der
calvinischen lehr warnen, auch sich erkundigen,
ob etliche im volk der secten anhengig weren, die-
selben für sich beschaiden, mit Gottes wort un-
derrichten und mit sattem grund von dem ir-
tumb abweisen.
Da es sich auch zutrüege, das die verfüerische
calvinische mainung oder ein anderer irtumb,
dem göttlichen wort und unserer christlichen kir-
chenordnung ausdrügkenlich zuwider bei einem
kirchen- oder schuldiener gefunden wurde und
der verfüerte auf beschehene, freundliche, christ-
liche underrichtung, vermanung und warnung
der visitatorn von jener gefaßten irrigen opinion
nicht absteen wollte, sollen unsere visitatorn
macht und bevelch haben, solchem irrigen und
halstarrigen nit allein seines diensts alsbald zu
beurlauben, sondern auch denselben gar aus un-
sern fürstentumben zu schaffen, damit er sein un-
kraut in die zuhorer oder unschüldige jugent nit
sprenget.
Auch soll den pastoribus ides orts undersagt19
werden, mit den pastoribus under anderer herr-
schaft, die zwinglisch oder calvinisch sein möch-
ten, kaine gemainschaft zu haben, damit die
nicht von inen verfüert werden, vielmer aber bei
iren zuhorern mit fleiß anzuhalten, das sie sich
für solcher und anderer irtumben, so in unserer
kirchenordnung außtruckenlich20 verworfen und
auf grund gottlichs worts widerlegt, wol fürsehen
wollen.
Neben dem sollen sie allenthalben in irem umb-
zihen unsers hievor ausgangnen mandats halben
wider die sacramentirer und die sectirer nach-

und warsagern23, desgleichen auch an andern orten
nachfrag haben.
[11.] Zum ailften: Sovil die kirchengericht be-
langt, sollen die visitatorn in allweg daran sein, das
die censur vermög unserer kirchenordnung24 ernst-
lich ins werk gebracht und gehandhabt werde.
dDie hern visitatorn werden in disem wol wissen,
beschaidenheit zu halten, daß der sach auf das we-
nigst ein christlicher anfang gemacht werd, bis Gott
verner gnad gibt.d
[12.] Was aber zum zwelften die ceremonien be-
trifft, sollen si guete achtung haben, das bei der ad-
forschens haben, ob demselben gelebt und nach-
gegangen, auch von unseren ambtleuten und
denen, die somit ir aufsehen darauf haben sollen,
darüber gehalten werde, in sonderhait auch ver-
ordnen, das dergleichen mandata bei jeder pfarr
in irer gegenwertigkait offentlich von der canzl
dem volk verlesen und dasselb zu haltung und vol-
zihung solches unsers mandats ernstlich vermanet
werde, das auch die ambtleut und andere darauf
gut achtung geben, das es geschehe.
d-d Im original als Nachtrag am Rand. In der Ab-
schrift im Text.
16 f. 55-67. 17 f. 70-147.
18 Siehe oben S. 32! - Diese 4 Punkte: MHStA PfN
Lit. 1296. Sie wurden dann auch in Dinkelsbühl
übernommen (siehe in Sehling 12, 145 [Wortlaut]).
19 nicht = verboten, sondern = gesprächsweise gesagt
(Schmeller 1, 115; 2, 234).
20 Das sind den damaligen Verhältnissen vor 1560 ent-
sprechend nur die Wiedertäufer und Katholiken. Die
zwinglische Abendmahlslehre wird nur kurz erwähnt
(f. 97).
21 Bei der Visitation 1558 wurden dort 20 Täufer -
Männer und Frauen - ausgewiesen und einem Täu-
fer seine ungetauften Kinder im Alter von 2-9 Jah-
ren zur Erziehung im Spital genommen (Weigel,
Schwenkfelder 8, 232. - MHStA PfN Lit. 1286).-
Mit Wiedertäufern hatte es Pfalz-Neuburg in seinem
oberen Teil an der Donau das ganze 16. Jahrhundert
hindurch zu tun (Brock 108f.). Diese für ein evange-
lisches Gebiet in Bayern ungewöhnliche Erscheinung
hat ihre Ursache wohl in der Nähe der Donau, der
entlang sich der Täuferzug nach und aus Mähren be-
wegte. Dabei war nicht belanglos, daß im benachbar-
ten katholischen Herzogtum Baiern die Wiedertäu-
fer Nährboden fanden.
22 Siehe oben S. 18!
23 Nachrichten darüber hatten schon 1557 an eine be-
sondere Visitation im Amt Sulzbach denken lassen
(KGLA 4277f. 110).
24 f. 64 ff.

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