Am 28. September wurde das Gesuch um öffentliche evangelische Abendmahlsfeiern noch dringender
wiederholt. Nun scheint der Innere Rat sofort den Beschluß, das auch zu tun, gefaßt zu haben. Der Rat
bat schon am 30. September Nürnberg um Überlassung einer Abendmahlsvermahnung und eines ge-
eigneten Predigers. Am 8. Oktober traf Joh. Forster24, der frühere Augsburger, jetzt in Nürnberg wei-
lende Prediger, in Regensburg ein. Inzwischen muß aber auch schon von den Geheimen Räten der von
Dr. Hiltner verfaßte ,,Wahrhaftige Bericht“25 über ihr Vorgehen in Druck gegeben worden sein, da er
am 10. Okt. bereits gedruckt war. Doch sollte im Blick auf seine Tragweite der an sich bereits gefaßte
Beschluß über die Einführung der Reformation noch auf eine breitere Grundlage gestellt werden. So
wurde am 13. Oktober das Stadtregiment in seiner breitesten Gestalt - Innerer Rat, Äußerer Rat sowie
Ausschuß der Gemeinde (also, wenn alle erschienen, 88 Köpfe) - zusammengerufen. Es beschloß für
den 15. Oktober die Abhaltung öffentlicher Abendmahlsgottesdienste. Der Beschluß erfolgte, obwohl am
12. Okt. gerade noch ein vom Bischof erwirktes strenges Verbot des Königs Ferdinand eingetroffen war,
mit überwältigender Mehrheit. Lediglich vier Mitglieder des Inneren Rates stimmten dagegen bzw. blie-
ben von vornherein weg26. Als Veröffentlichung dieses Beschlusses diente der ,,Wahrhaftige Bericht“,
der jetzt ausgegeben wurde.
Eine Begleiterscheinung dieser Maßnahme - ihre Kehrseite gewissermaßen - war das am 14. Ok-
tober erlassene Verbot der bisher stillschweigend geduldeten häuslichen Abendmahlsfeiern27. Obwohl es
sich dem Buchstaben nach nur gegen sektiererische Feiern richtete, konnte es aber auch als Verbot alt-
gläubiger Messen auf reichsstädtischem Boden gedeutet werden, war aber kaum schon gleich so gedacht
gewesen.
Dagegen, daß dieser Erlaß tatsächlich veröffentlicht wurde, erhoben sich zwar schon sehr bald Zwei-
fel. Sie wurden aber sogleich als unberechtigt abgetan, da er zum wenigsten dem Bischof amtlich mit-
geteilt wurde28. Praktische Bedeutung hatte er ja ohnehin kaum, da von den darin als Grund für die Ver-
fügung genannten Mißständen oder Gefahren sonst nichts bekannt ist. Der Erlaß war also eigentlich nur
für den Bischof und den Kaiser bestimmt.
Am Nachmittag des 14. Oktober fanden dann Beichtgottesdienst und Beichte statt. Am 15. Oktober
hielten Forster, Zollner und Moser die Festgottesdienste - zunächst Predigt in der Dominikanerkirche,
dann Abendmahlsfeier in der Kapelle zur Schönen Maria29.
Die erste Gestaltung des evangelischen Kirchenwesens
Der ,,Wahrhaftige Bericht“1 über die Gründe, die zu dem bedeutsamen Schritt der Stadt Anlaß ge-
geben hatten, war von Dr. Hiltner verfaßt2. Er bot aber weit mehr als eine rechtliche Darlegung. Er sollte
zugleich das gottesdienstliche Leben der evangelischen Gemeinde regeln und der Öffentlichkeit zeigen. Zu
24* Augsburg 1496. - 1525 Zwickau Lehrer für Hebräisch, 1530 Wittenberg Prediger und Lehrer für Hebräisch, 1535
Augsburg St. Johannis (beim Dom) Prediger, 1537 Heilig Kreuz Prediger, 1539 Tübingen Professor, 1543
Nürnberg Propsteiverwalter und Vertreter Osianders, zur Durchführung der Reformation in Regensburg, 1543
Schleusingen Hofprediger, 1548 Merseburg Superintendent, 1549 Wittenberg Professor für Hebräisch und Prediger
an der Schloßkirche — † 1556. Verfasser eines großen Hebräisch-lateinischen Wörterbuches (Jos.Friedr. Rein,
Das gesamte augsburgische evang. Ministerium in Bildern und Schriften. Augsburg 1748, 22 (Bild).-Germann.—
ADB 7, 165. — RE 6, 129ff. - Schottenloher 6444-6451 - Simon, Nürnbergisches Pfarrerbuch Nr. 346).
25 Unsere Nr. III 1. — Siehe im nächsten Abschnitt! 26 Germann 375-378.
27 Unsere Nr. III 2. 28 Auf dem in Nr. III 2 genannten Entwurf Hiltners von gleichzeitiger Hand.
29 Widmann 194. - [Gemeiner] 135ff. - Theobald 1, 264-268.
1 Unsere Nr. III 1. - Es gibt, was bisher noch nicht beachtet wurde, zwei gleichzeitige verschiedene Drucke aus der
gleichen Druckerei. Sie unterscheiden sich in wenigen Kleinigkeiten. Der hier wiedergegebene Druck beginnt mit
24 Sehling Bayern III
369
wiederholt. Nun scheint der Innere Rat sofort den Beschluß, das auch zu tun, gefaßt zu haben. Der Rat
bat schon am 30. September Nürnberg um Überlassung einer Abendmahlsvermahnung und eines ge-
eigneten Predigers. Am 8. Oktober traf Joh. Forster24, der frühere Augsburger, jetzt in Nürnberg wei-
lende Prediger, in Regensburg ein. Inzwischen muß aber auch schon von den Geheimen Räten der von
Dr. Hiltner verfaßte ,,Wahrhaftige Bericht“25 über ihr Vorgehen in Druck gegeben worden sein, da er
am 10. Okt. bereits gedruckt war. Doch sollte im Blick auf seine Tragweite der an sich bereits gefaßte
Beschluß über die Einführung der Reformation noch auf eine breitere Grundlage gestellt werden. So
wurde am 13. Oktober das Stadtregiment in seiner breitesten Gestalt - Innerer Rat, Äußerer Rat sowie
Ausschuß der Gemeinde (also, wenn alle erschienen, 88 Köpfe) - zusammengerufen. Es beschloß für
den 15. Oktober die Abhaltung öffentlicher Abendmahlsgottesdienste. Der Beschluß erfolgte, obwohl am
12. Okt. gerade noch ein vom Bischof erwirktes strenges Verbot des Königs Ferdinand eingetroffen war,
mit überwältigender Mehrheit. Lediglich vier Mitglieder des Inneren Rates stimmten dagegen bzw. blie-
ben von vornherein weg26. Als Veröffentlichung dieses Beschlusses diente der ,,Wahrhaftige Bericht“,
der jetzt ausgegeben wurde.
Eine Begleiterscheinung dieser Maßnahme - ihre Kehrseite gewissermaßen - war das am 14. Ok-
tober erlassene Verbot der bisher stillschweigend geduldeten häuslichen Abendmahlsfeiern27. Obwohl es
sich dem Buchstaben nach nur gegen sektiererische Feiern richtete, konnte es aber auch als Verbot alt-
gläubiger Messen auf reichsstädtischem Boden gedeutet werden, war aber kaum schon gleich so gedacht
gewesen.
Dagegen, daß dieser Erlaß tatsächlich veröffentlicht wurde, erhoben sich zwar schon sehr bald Zwei-
fel. Sie wurden aber sogleich als unberechtigt abgetan, da er zum wenigsten dem Bischof amtlich mit-
geteilt wurde28. Praktische Bedeutung hatte er ja ohnehin kaum, da von den darin als Grund für die Ver-
fügung genannten Mißständen oder Gefahren sonst nichts bekannt ist. Der Erlaß war also eigentlich nur
für den Bischof und den Kaiser bestimmt.
Am Nachmittag des 14. Oktober fanden dann Beichtgottesdienst und Beichte statt. Am 15. Oktober
hielten Forster, Zollner und Moser die Festgottesdienste - zunächst Predigt in der Dominikanerkirche,
dann Abendmahlsfeier in der Kapelle zur Schönen Maria29.
Die erste Gestaltung des evangelischen Kirchenwesens
Der ,,Wahrhaftige Bericht“1 über die Gründe, die zu dem bedeutsamen Schritt der Stadt Anlaß ge-
geben hatten, war von Dr. Hiltner verfaßt2. Er bot aber weit mehr als eine rechtliche Darlegung. Er sollte
zugleich das gottesdienstliche Leben der evangelischen Gemeinde regeln und der Öffentlichkeit zeigen. Zu
24* Augsburg 1496. - 1525 Zwickau Lehrer für Hebräisch, 1530 Wittenberg Prediger und Lehrer für Hebräisch, 1535
Augsburg St. Johannis (beim Dom) Prediger, 1537 Heilig Kreuz Prediger, 1539 Tübingen Professor, 1543
Nürnberg Propsteiverwalter und Vertreter Osianders, zur Durchführung der Reformation in Regensburg, 1543
Schleusingen Hofprediger, 1548 Merseburg Superintendent, 1549 Wittenberg Professor für Hebräisch und Prediger
an der Schloßkirche — † 1556. Verfasser eines großen Hebräisch-lateinischen Wörterbuches (Jos.Friedr. Rein,
Das gesamte augsburgische evang. Ministerium in Bildern und Schriften. Augsburg 1748, 22 (Bild).-Germann.—
ADB 7, 165. — RE 6, 129ff. - Schottenloher 6444-6451 - Simon, Nürnbergisches Pfarrerbuch Nr. 346).
25 Unsere Nr. III 1. — Siehe im nächsten Abschnitt! 26 Germann 375-378.
27 Unsere Nr. III 2. 28 Auf dem in Nr. III 2 genannten Entwurf Hiltners von gleichzeitiger Hand.
29 Widmann 194. - [Gemeiner] 135ff. - Theobald 1, 264-268.
1 Unsere Nr. III 1. - Es gibt, was bisher noch nicht beachtet wurde, zwei gleichzeitige verschiedene Drucke aus der
gleichen Druckerei. Sie unterscheiden sich in wenigen Kleinigkeiten. Der hier wiedergegebene Druck beginnt mit
24 Sehling Bayern III
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