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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (13. Band = Bayern, 3. Teil): Altbayern: Herzogtum Pfalz-Neuburg, Kurfürstentum Pfalz (Landesteil Oberpfalz), Reichsstadt Regensburg, Grafschaft Ortenburg, Herrschaft Rothenberg, Herrrschaft Wolfstein — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.30630#0603
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VI 1 Christliche Instructio des Thomas Stieber von 1574

Ordnung,
wie es bei den kranken soll gehalten werden.
Zum ersten sollen die pfarhern die kranken
examinirn, ob sie beten können und was sie für einen
verstand in Gottes wort haben. Das mag man ge-
brauchen sonderlich bei denen, so sich des abent-
mals enthalten und man nicht wissen kan, was sie
von christlicher lere für einen verstand haben.
Zum andern solle man sie unterrichten, das wir
alle sünder sind, auf das sie auch ihre sünde erken-
nen, sich auch für arme sünder halten, als die von
rechts wegen sollen ewig verloren und verdambt
werden.
Zum dritten soll man sie auch unterrichten, wie
man der sünden durch Christum ledig und los werde,
welcher sein teures blut vergossen hat zu vergebung
aller sünden, und das sie solche vergebung von Gott
herzlich begeren und andern auch von herzen ver-
zeihen und vergeben wollen.
Zum vierten soll man sie auch kürzlich unter-
richten von der einsatzung, nutz und gebrauch des
heiligen abentmals. Darauf soll die absolution folgen
dermaßen und dergestalt, wie oben vermeldet ist.
Darauf praite man den tisch ehrlich auf mit brot und
wein und mit einem aufgelegten tuech zuegericht
und geziert.
Zum fünften mag man dem kranken einen
schönen trostpsalm fürsagen, als das ist der 25. und
51. psalm und man erzele ihme auch darneben et-
liche schöne trostsprüch. Alsdann bete man mit ihme
das heilige Vaterunser, welches der krank dem pfar
hern soll nachbeten.
Zum sechsten soll der pfarherr recitirn den
ersten tail der wort des testaments Jesu Christi und
alsdann gebe er dem kranken den leib Christi. Dar-
nach nehme er den kelch und recitire auch den an-
dern tail des testaments Christi und auf solche wort
raiche er auch dem kranken das blut Christi und be-
schließe mit einem gebet oder danksagung. Neben
der danksagung mag man ihme auch fürbeten den
103. psalm oder einen andern psalm, zu disem handel

dienstlich. Man soll auch die kranken unterrichten
von der taufe, creuz und leiden und sie zur gedult
vermahnen, als unser kirchenordnung meldet (pag.
536).
Zum sibenden sollen die pfarhern, ehe sie von
den kranken gehn, dieselben frundlich anreden, wo
sie ferners trosts wurden notturftig sein und ihn gefer-
liche anfechtungen kummen, daß sie solches wöllen
eröffnen und sich darüber trösten und für sie bitten
lassen. Wie man aber den trost bei den kranken fü-
ren soll, findet man zwue schöne form im agend-
büchlein Viti Theodori (pag. 49 oder 517), welche
mit fleiß sollen gelesen und betracht werden. Wo
sichs aber wurde zuetragen, daß ein kirchendiener
zu einem kranken erfordert wurde und solcher kran-
ker in die züg fiele, so solle ihme das abentmal nicht
gegeben werden. Man solle ihme auch nicht in die
ohren schreien, als man für die zeit geton, sondern
man soll ihn Gott befelhen und mit den umbstehen-
den für ihn bitten auf dise weise und form, als Vitus
Theodorus in seinem agendbüchlein vermeldet und
anzaigt (pag. 678).
Von übeltätern, wie es damit soll gehalten
werden.
Was aber die übeltäter belangt, so man richten
will, sollen die pfarhern desselben orts solche arme
sünder etliche täg zuvor besuchen und sie unter-
weisen aus Gottes wort, daß sie zur rechten und
ernstlichen erkantnus ihrer sünden kommen und
lernen, wie sie Gott welle wider zu gnaden aufneh-
men, wenn sie Christum ihren Heiland erkennen, an
ihn glauben und umb seiner [willen] barmherzigkait
bitten, suchen und hoffen. An welchen man aber
solch erkantnus nicht spüret noch durch die bekent-
nus des glaubens merket, die muß man Gott befelhen
und sonst bei ihnen tun, was man kan. Wo aber Gott
genad gibt, daß sie ihre sünde und den glauben an
Christum bekennen und umb das heilig sacrament
bitten, so solle man ihnen dasselbig ein tag oder
zween zuvor geben und darneben vermahnen, daß

6 Sehling 11, 199f. 8 Sehling 11, 522.
7 Sehling 11, 510ff. u. 515ff.

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