Kirchenordnung 1556
der durch das evangelium dir Gottes gnad im hert-
zen zeigt und durch den heiligen geist dir freude gibt
an Gott und dich treibt zur anrüfung und zum ge-
horsam gegen Gott.
Wiewol nun die widergeburt also geschicht, so soll
doch für und für diser glaub vorleuchten, das du ver-
gebung empfahest und gerecht66, das ist, Gott ge-
fellig seyest umb des herrn Christi willen, der der
mittler ist und bleibt und stehet im heimlichen rat
göttlicher majestet und bittet für uns und tregt un-
sere seuftzen zum ewigen vater und hat gesprochen
Joh. 14. [6]: Niemand kommet zum vater denn
durch mich.
Wiewol aber etliche andere deutung suchen auf
das wort gerechtigkeit, so ist doch dises gantz offent-
lich, das wir allezeit für und für erstlich müssen ver-
gebung der sünden durch glauben empfahen, und
also hat das hertz trost und ist die person Gott ge-
fellig, Roman. 5. [1]: So wir gerecht worden sind
durch glauben, haben wir friden bey Gott. So ist
durchaus in aller propheten schrift und reden allein
dise form zu bitten und für Gott zu kommen aus-
gedruckt: Herr, erbarm dich mein durch deine
barmhertzigkeit [vgl. Ps. 51, 3]. Und ist darbey der
mittler mit ausgedruckten worten genant, als im
Daniel [9,18.17]: Nicht von wegen unsrer gerechtig-
keit erhöre uns, Gott, sonder aus deiner grossen
barmhertzigkeit, umb des herrn willen. Also sollen
wir auch bitten und soll der glaub auf den mittler
Jesum Christum, Gott und menschen, und auf sei-
nen verdienst und versünung gegründet sein und
das hertz festigklich glauben, das dich Gott gewiß-
lich annimpt von wegen diser seiner verheissnen
barmhertzigkeit und soll nicht in zweifel und zapp-
len bleiben. Daraus ist klar, das der trost auf dem
herrn Christo und seinem verdienst, nicht auf unsrer
reinigkeit oder wesentlichen gerechtigkeit stehet.
Was ist underscheid der warhaftigen leere in unsern
kirchen in disem artickel und der bepstlichen, fal-
schen leere?
Antwort:
Fürnemlich soll man dise drey underscheid mer-
cken:
60 Neuburg 1554: gerechtigkeit.
Der erst, die bepstlichen tichten wie die phariseer,
heyclen und türcken, ein mensch sey clarumb ge-
recht und Gott gefellig, wenn er in guten wercken
lebt, das ist, so er eerlich lebt in eusserlicher zucht.
Und tichten die papisten weiter darzu, das diesel-
bige werck vergebung der sünden verdienen, item
das sie vergebung der sünden verdienen mit iren
orclen, meßopfern etc., wie die phariseer tichteten,
ire opfer verdieneten vergebung der sünden etc.
Zum andern sprechen die bepstlichen: Dieweil
aber niemand weist, wenn er guter werck gnug habe,
so sollen alle menschen für und für im zweifel blei-
ben, ob sie vergebung der sünden haben und ob sie
Gott gefellig sind. Dieser zweifel ist eitel heidnische
blindheit.
Zum dritten tichten sie, ein mensch könde das
göttliche gesetz in disem leben erfüllen. Item sie
sagen nichts darvon, wie der mensch durch das evan-
gelium und heiligen geist neugeborn werde.
Dargegen aber ist die warhaftige leere in unsern
kirchen:
Erstlich, das uns vergebung der sünden gewißlich
allein umb des herrn Christi willen one unsere ver-
dienst aus gnaden geschenckt wirdt. Und ist ge-
wißlich abgötterey, so man dises vertrauen auf eigne,
menschliehe werck setzet, das sie vergebung der
sünden verdienen und Gottes gerechten und grossen
zorn versünen etc. Auch leeren diese kirchen, das der
mensch vor Gott nicht gerecht ist von wegen eigner
werck, ob sie gleich nach der widergeburt geschehen,
sonder umb des herrn Christi willen durch glauben.
Zum andern leeret man in unsern kirchen, das
man nicht im zweifel bleiben soll, sonder alle men-
schen, die in sünden widers gewissen leben oder one
glauben an den herrn Christum, die sollen gewißlich
schliessen, das sie in Gottes zorn sincl. Und so sie
nicht bekert werden, fallen sie in ewige straf. Auch
werden sie in disem leben mit leiblichen strafen,
blindheit und andern plagen gestraft werden. Dar-
gegen aber alle, die schrecken in irem hertzen emp-
finden67 vor Gottes zorn und wolten gern zu Gott
bekert sein und sich bessern, die sollen nicht im
zweifel bleiben, sonder sollen festigklich glauben,
das Gott inen ire sünd vergeben wölle aus gnaden
67 Mecklenburg 1554: fülen.
13 Sehling, Bd. XIV, Kurpfalz
193
der durch das evangelium dir Gottes gnad im hert-
zen zeigt und durch den heiligen geist dir freude gibt
an Gott und dich treibt zur anrüfung und zum ge-
horsam gegen Gott.
Wiewol nun die widergeburt also geschicht, so soll
doch für und für diser glaub vorleuchten, das du ver-
gebung empfahest und gerecht66, das ist, Gott ge-
fellig seyest umb des herrn Christi willen, der der
mittler ist und bleibt und stehet im heimlichen rat
göttlicher majestet und bittet für uns und tregt un-
sere seuftzen zum ewigen vater und hat gesprochen
Joh. 14. [6]: Niemand kommet zum vater denn
durch mich.
Wiewol aber etliche andere deutung suchen auf
das wort gerechtigkeit, so ist doch dises gantz offent-
lich, das wir allezeit für und für erstlich müssen ver-
gebung der sünden durch glauben empfahen, und
also hat das hertz trost und ist die person Gott ge-
fellig, Roman. 5. [1]: So wir gerecht worden sind
durch glauben, haben wir friden bey Gott. So ist
durchaus in aller propheten schrift und reden allein
dise form zu bitten und für Gott zu kommen aus-
gedruckt: Herr, erbarm dich mein durch deine
barmhertzigkeit [vgl. Ps. 51, 3]. Und ist darbey der
mittler mit ausgedruckten worten genant, als im
Daniel [9,18.17]: Nicht von wegen unsrer gerechtig-
keit erhöre uns, Gott, sonder aus deiner grossen
barmhertzigkeit, umb des herrn willen. Also sollen
wir auch bitten und soll der glaub auf den mittler
Jesum Christum, Gott und menschen, und auf sei-
nen verdienst und versünung gegründet sein und
das hertz festigklich glauben, das dich Gott gewiß-
lich annimpt von wegen diser seiner verheissnen
barmhertzigkeit und soll nicht in zweifel und zapp-
len bleiben. Daraus ist klar, das der trost auf dem
herrn Christo und seinem verdienst, nicht auf unsrer
reinigkeit oder wesentlichen gerechtigkeit stehet.
Was ist underscheid der warhaftigen leere in unsern
kirchen in disem artickel und der bepstlichen, fal-
schen leere?
Antwort:
Fürnemlich soll man dise drey underscheid mer-
cken:
60 Neuburg 1554: gerechtigkeit.
Der erst, die bepstlichen tichten wie die phariseer,
heyclen und türcken, ein mensch sey clarumb ge-
recht und Gott gefellig, wenn er in guten wercken
lebt, das ist, so er eerlich lebt in eusserlicher zucht.
Und tichten die papisten weiter darzu, das diesel-
bige werck vergebung der sünden verdienen, item
das sie vergebung der sünden verdienen mit iren
orclen, meßopfern etc., wie die phariseer tichteten,
ire opfer verdieneten vergebung der sünden etc.
Zum andern sprechen die bepstlichen: Dieweil
aber niemand weist, wenn er guter werck gnug habe,
so sollen alle menschen für und für im zweifel blei-
ben, ob sie vergebung der sünden haben und ob sie
Gott gefellig sind. Dieser zweifel ist eitel heidnische
blindheit.
Zum dritten tichten sie, ein mensch könde das
göttliche gesetz in disem leben erfüllen. Item sie
sagen nichts darvon, wie der mensch durch das evan-
gelium und heiligen geist neugeborn werde.
Dargegen aber ist die warhaftige leere in unsern
kirchen:
Erstlich, das uns vergebung der sünden gewißlich
allein umb des herrn Christi willen one unsere ver-
dienst aus gnaden geschenckt wirdt. Und ist ge-
wißlich abgötterey, so man dises vertrauen auf eigne,
menschliehe werck setzet, das sie vergebung der
sünden verdienen und Gottes gerechten und grossen
zorn versünen etc. Auch leeren diese kirchen, das der
mensch vor Gott nicht gerecht ist von wegen eigner
werck, ob sie gleich nach der widergeburt geschehen,
sonder umb des herrn Christi willen durch glauben.
Zum andern leeret man in unsern kirchen, das
man nicht im zweifel bleiben soll, sonder alle men-
schen, die in sünden widers gewissen leben oder one
glauben an den herrn Christum, die sollen gewißlich
schliessen, das sie in Gottes zorn sincl. Und so sie
nicht bekert werden, fallen sie in ewige straf. Auch
werden sie in disem leben mit leiblichen strafen,
blindheit und andern plagen gestraft werden. Dar-
gegen aber alle, die schrecken in irem hertzen emp-
finden67 vor Gottes zorn und wolten gern zu Gott
bekert sein und sich bessern, die sollen nicht im
zweifel bleiben, sonder sollen festigklich glauben,
das Gott inen ire sünd vergeben wölle aus gnaden
67 Mecklenburg 1554: fülen.
13 Sehling, Bd. XIV, Kurpfalz
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