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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Franz, Gunther [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (15. Band = Württemberg, 1. Teil): Grafschaft Hohenlohe — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1977

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https://doi.org/10.11588/diglit.30654#0030
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Graf Wolfgang (I., 1532-1545) war der erste Graf von Hohenlohe, der in seiner Herrsehaft
Weikersheim (mit Schillingsfürst) evangelische Pfarrer bestellte. Er soll schon 1535 reformatorische
Maßnahmen durchgeführt haben. Belegt ist, daß er 1544/45 evangelische Geistliche nach Nassau
und Schäftersheinr berief, nachdem das Stift Neumünster in Würzburg als Patronatsherr semer
diesbezügliclien Aufforderung nicht nachkam 34.

Während die Vorgänge im Amt Weikersheim nur eine Episode bildeten, führte die Berufung
eines evangelisehen Predigers in Öhringen zur Reformation cler Hauptstadt und schließlich der gan-
zen Grafschaft. Auf Bitten der Bürgerschaft berief 1544 Graf Albrecht den lutherischen Theologen
Caspar Huberinus aus Augsburg auf die Stiftspräclikatur, obwohl die Grafen noch nicht zu einer Got-
tesdienstreform bereit waren (Nr. 1). Es wurden lutherische Lieder gesungen (Nr. 2) und Huberinus
konnte evangelisch predigen. In verschieclenen häufig nachgedruckten Bänden veröffentlichte er
seine Öhringer Precligten, die auch ein Zeugnis seiner Rechtgläubigkeit bilden sollten 34a. In einem
Werk druckte er auch Vermahnungen und Gebete, die er 1544-1550 beim Öhringer Gottesdienst ver-
wenclet hatte (Nr. 3). Nachdem er mehrere Rufe nach auswärts erhalten hatte, konnte Huberinus
1556 den Grafen ein Ultimatum stellen. Während der katholische Gottesdienst cler Stiftsherren fort-
bestand, konnte jetzt lutherischer Abendmahlsgottesdienst gehalten werden. Der von der Herr-
schaft bewilligte evangelische Stadtpfarrer konnte nicht gewonnen werden 35, so daß Kilian Burck
aus Baumerlenbach und Simon Knaus aus Ivupferzell bei der Reichung der Sakramente bis 1551
helfen mußten. 1546 wurde auch die Öhringer Lateinschule refonniert und Johannes Ruthenus
eingestellt. Hie Öhringer Schulordnung vom 6. 2. 1549 (Nr. 4) zeigt sich vom Interim, das nach clem
Siege Kaiser Karls V. am 30. 6. 1548 in Augsburg erlassen wurde, nicht beeinflußt. Hie Grafen
Albrecht und Georg vertrieben aber clie lutherischen Pfarrer in der ehemaligen Herrschaft Graf
Wolfgangs in Weikersheim und Umgebung. In 12 Thesen zum Interim führte Huberinus aus, daß
man clie Zeremonien annehmen könne, wenn das Abendmahl unter beiderlei Gestalt zugestanden
sei, die Predigt und der Glaube freigegeben würden 36.

1550 wurde (zum mindesten im Waldenburger Teil) clie Reichung des Abendmahls unter beider-
lei Gestalt gestattet uncl ließ es sich auch Graf Georg nach der Einsetzung Christi reichen 37. In einem
offiziell altgläubigen Territorium cliente also das Interim als Mittel cler Reform und Überwindung
der konfessionellen Spaltung. In Augsburg waren im August sämtliche evangelische Geistliche ver-
trieben worden. Auf Wunsch des Kaisers Karl V. und seines Kanzlers A.Perrenot cle Granvelle
wurde Huberinus von Graf Ludwig Casimir als Interimsgeistlicher nach Augsburg beurlaubt 38. Ne-
ben Huberinus als 1. Geistlichen wurden zwei weitere Prediger und ein Helfer berufen. Weihnachten
1551 wurde der Gottesdienst aufgenommen. Hie ,,Ordnüng der communion“ lehnte sich an clie
Kirchenorclnung Ottheinrichs von Pfalz-Neuburg an 39. Schon am 4. April 1552 zogen die evangeli-
schen Fürsten in Augsburg ein. Außer Huberinus fanden zwei weitere Augsburger Interimisten
Aufnahme in Hohenlohe: H'ieron.ymus Hertel als Hofprediger Ludwig Casimirs in Neuenstein und
Thomas Wiedmann in Untermünkheim. Ende 1552 oder Anfang 1553 erhielt Hertel mehrmals den

34 Bossert, Beiträge 198. Acta in Sachen 241 f.

34a Die Widmungsvorreden sind abgedruckt in G.Franz, Kaspar Huberinus. Der Öhringer Reformator als inter-
national bekannter Brfolgsautor, WP 59 (1975), 26—51.

35 PA 93, 3, 6. Abgedruckt Wibel, 3, CD 346-353.

36 Wibel, 3, CD 343-345 nach F.J.Beyschlag, Sylloge variorum opusculorum. T. 1. Halae Suevorum 1729,
554-557.

37 Leichenpredigt von Iluberinus in: Acta in Sachen 347—353.

38 F.Roth, Kaspar Huberinus und das Interim in Augsburg. In: Beiträge z. bayr. Kirchengeschichte 11 (1905),
201-218.

39 Stadtarchiv Regensburg Eccl. 1/10, Bl. 465-471.

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