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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Franz, Gunther [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (15. Band = Württemberg, 1. Teil): Grafschaft Hohenlohe — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1977

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https://doi.org/10.11588/diglit.30654#0031
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Befehl, dem Grafen sein „guttbedunken von ceremonien und satzungen cler menschen“ anzuzeigen.
Hertel bat Graf Ludwig Casimir, ihm weiterhin die päpstliche Messe zu erlassen, wohingegen er
Meßgewand, christliche Gesänge und Gebete willig halten wolle. 1553 wurde dann die Hohenlohi-
sche recht konservative Kirchenordnung verfaßt - vermuthch von Huberinus unter Beteiligung
von Hertel (Nr. 5). Diese Ordnung wurcle wahrscheinlich nur in Öhringen, Neuenstein und Um-
gebung verwendet. Huberinus starb am 6. 10. 1553; sein Nachfolger Johannes Munnellius (eigent-
lich Heyden und also kein Sohn des Humanisten) war eine Abenteurergestalt. Er geriet in Streit
mit den Stiftsherren, dem ehemaligen Pfarrer Ziegler und dem Organisten und wurde wegen seines
Lebenswandels schon im Januar 1555 entlassen. Johannes Thren precligte gegen die Messe der Stifts-
herren, konnte sich aber nur schwer behaupten 40.

Durch den Augsburger Religionsfrieden hatte die neue Religion die reichsrechtliche Billigung,
auf die die Grafen wie viele anclere deutsche Fürsten gewartet hatten. Wahrscheinlich hat Herzog
Christoph von Württemberg als kaiserlicher Kommissar zur Beilegung der erbitterten Teilungs-
streitigkeiten seinen Einfluß geltend gemacht, damit die Neuensteiner uncl Waldenburger Herrschaft
gemeinsam die Reformation einführten (Vertrag am 20. 6. 1555).

Herzog Christoph beurlaubte den Pfarrer von Güglingen für ein Jahr als Prediger nach Öhrin-
gen, um bei der Einführung der Reformation in Hohenlohe zu helfen (Schreiben vom 22. 1. 1556).
Matthäus Lilienfein aus Württemberg wurde Öhringer Stacltpfarrer. David Püttner (Pythonius)
aus Nürnberg war am 5. 3. 1556 durch Graf Ludwig Casimir für ein Jahr als Prädikant für die
Pfarrei Langenburg angenommen worden (Nr. 7 a), erhielt aber clie Versorgung cler wichtigen
Pfarreien Weikersheim uncl Neuenstein. Durch diese Wahl wirkten schon bei der Reformation wie
auch weiterhin in Hohenlohe die kirchlichen Einflüsse von Süden und Osten zusammen.

Auf den 25./26. Mai 1556 wurden alle Kirchendiener nach Öhringen berufen, wo ihnen mit-
geteilt wurde, daß die Reformation durchgeführt und die Messe abgeschafft werden solle (Nr. 8 a).
Es handelte sich um einen einschneiclenden herrschaftlichen Akt. iVb 5. Juni 1556 fand in Öhringen
am zentralen Ort das Examen und die Visitation von Pfarrern, Schultheißen, Gemeindevertretern
und Schulmeistern aus 41 Gemeinden statt (Nr. 8b).

Kloster Schäftersheim hatte sich von der Zerstörung im Bauernkrieg nicht mehr erholt und die
letzte Äbtissin von Gnadental war 1543 gestorben. Der Prior von Goldbach bei Waldenburg er-
schien nicht beim Öhringer Examen und nahm seinen Abschied. Nachdem die Grafen von Holien-
lohe die Aufsicht über das Öhringer Stift schon länger wahrnahmen, wurde die eigentliche Refor-
mation des Stifts erst seit dem 4. 2. 1556 vorgenommen. Die Stiftsherren verloren ihre Pfrünclen
und die Verwaltung und erhielten eine Rente mit der Verpfiichtung, sich ordentlich zu halten und
täglich die - im evangelischen Sinne reformierten - Horen (Stundengebete) zu singen (Nr. 9).
Kanonikate waren zum Studium junger Stiftsherren und dann als Zulage für vercliente Beamte und
zum Studium ihrer Söhne verwendet worden. Es wurde jetzt geregelt, claß die Stipendiaten von
beiden Herrschaften gemeinsam angenommen werden und sich verpfiichten müssen, später in den
Landesciienst zu treten (Nr. 10). Das Stiftsvermögen wurde daneben für die Besoldung von Geist-
lichen und für die Lateinschule verwendet, blieb also fast ungeschmälert dem geistlichen Bereich
erhalten.

Bei der Durchführung der Reformation 1556 wurde den Pfarrern ciie Brandenburg-Nürnbergi-
sche Kirchenordnung von 1533 übergeben. Zur Ergänzung wurde eine nicht erhaltene handschrift-
liche hohenlohische Ordnung erstellt. Die Ordnung für die Visitation von 1558 enthält die wichtig-
sten gottesdienstlichen Regelungen und eine interessante Ordnung der Kirclrenzucht durch die

40 PA 93, 3, 6.

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