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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 1. Teilband = Baden-Württemberg, 3): Schwäbisch Hall, Heilbronn, Konstanz, Isny und Gengenbach — Tübingen: Mohr Siebeck, 2007

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https://doi.org/10.11588/diglit.30656#0244
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Heilbronn

1528 in der Kilianskirche an Stelle der Frühmesse durch Wilhelm Doel an 32 Männer und 46 Frauen aus-
geteilt.32 Es steht zu vermuten, dass man in Heilbronn die Haller Abendmahlsordnung übernahm, die
Johannes Brenz-zu dem man in Heilbronn zahlreiche persönliche Kontakte pflegte-in seiner ersten Kir-
chenordnung für Schwäbisch Hall 1527 skizziert hatte.33
Dem Heilbronner Rat kamen jedoch einige Wochen später Bedenken und er stand im Begriff, sein
Zugeständnis an die Neugläubigen wieder zurückzuziehen. Lachmann protestierte energisch gegen diesen
Schritt. Seine Drohung, vom Predigtamt zurückzutreten, bewog den Rat schließlich, das evangelische
Abendmahl beizubehalten.34 Auch die politischen Verhältnisse in der Reichsstadt trugen entscheidend dazu
bei, dass das evangelische Abendmahl und die Reformation schließlich dauerhaft in Heilbronn verankert
wurden: 1528 trat der altgläubige Bürgermeister Konrad Erer altersbedingt von seinem Amt zurück, als
sein Nachfolger wurde am 24. Juni Hans Riesser gewählt. Riesser, seit 1522 im Heilbronner Rat, war ein
Freund von Johann Lachmann und erklärter Anhänger des neuen Glaubens. Er war die treibende Kraft im
Rat und gab Lachmanns Beschwerde bezüglich des Abendmahls gerne statt, indem er wenige Tage nach
seiner Wahl das evangelische Abendmahl wieder zuließ.35 Im Sommer 1528 wurde es also endgültig in
Heilbronn eingeführt.

3. Heilbronner Katechismus 24. August 1528 (Text S. 238)
Wie in Schwäbisch Hall sollte auch in Heilbronn im Rahmen des Gottesdienstes nicht nur das Abendmahl
gefeiert, sondern der Katechismus gelehrt werden, wie es bereits im Mandat vom Mai 1528 (Nr. 2) verfügt
worden war. Hierfür entwarf Johann Lachmann einen Katechismus, den er zur abschließenden Redaktion
dem Heilbronner Schulmeister Kaspar Gretter36 übergab. Der Heilbronner Katechismus gehört mit Brenz’
Haller Katechismus von 1528 zu den ältesten Lehrtexten dieser Art in Deutschland.37 Am 24. August 1528
erschien die Schrift unter dem Titel „Katechesis oder underricht der Kinder, wie er zuo Haylprunn gelert
und gehalten wirdt“ im Druck. Obwohl der Drucker nicht namentlich genannt ist, konnte nachgewiesen
werden, dass die Ausgabe in Augsburg bei Philipp Ulhart d. Ä. angefertigt worden war.38
Der Katechismus enthält Fragen zu Taufe, Zehn Geboten, guten Werken, Glaubensbekenntnis, Gebet,
Abendmahl und Beichte. Als Anhang zu diesen klassischen Katechismusstücken, die sich auch in Brenz’
Katechismen von 1528 und 1535 finden,39 hat Gretter einen besonderen Schlussabschnitt mit dem Titel
„Wie ain Christenlich kind sich den tag hinein halten soll“ verfasst, in dem er Anweisungen für die tägliche
Zwiesprache der Kinder mit Gott, ihren Umgang mit den Erwachsenen sowie eine Anleitung zum christli-
chen Leben gibt.40
Gretter widmete den Katechismus Hans Riesser, dem dapfferen und gotseligen Patron dises buochlins, der
wenige Wochen zuvor zum Bürgermeister gewählt worden und ein erklärter Förderer der Reformation

32 UB Heilbronn IV, S. 419f.; Dürr, Chronik, S. 96;
Weckbach, Bangen, S. 65; Schmolz, 450 Jahre,
S. 194f.; Jung, Lachmann, S. 78.
33 Diese Vermutung wurde erstmals bei Brecht/Ehmer,
Reformationsgeschichte, S. 159 angeführt, vgl. oben,
S. 44.
34 UB Heilbronn IV, S. 425-428.
35 Zu Hans Riesser siehe von Rauch, Riesser, S. 189;
Weckbach, Bangen, S. 67.
36 Zu Kaspar Gretter siehe Figge, Gretter, S. 53-64;
Weismann, Katechismen, S. 77 Anm. 18; Cohrs,
Katechismusversuche II, S. 313f.

37 Graner, Reformation, S. 19f.; Weckbach, Bangen,
S. 65; Reu, Süddeutsche Katechismen, S. 294. Zur
Geschichte der Heilbronner Lateinschule vor der Refor-
mation siehe Röcker, Lateinschule, S. 31-58.
38 Vgl. Schmolz, 450 Jahre, S. 197-200; Weismann,
Katechismen, S. 77.
39 Vgl. oben, S. 81 und 93. Der Frage, welche Quellen Gret-
ter für den Heilbronner Katechismus benutzte, geht
Weismann, Katechismen, S.-77-79 und S. 520f. aus-
führlich nach.
40 Siehe unten, S. 260; vgl. Schmolz, 450 Jahre, S. 200.

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