Einleitung
42q. Ordnung für Leib- und Wundärzte (Text S. 588)
Da der Kirchenrat im Herzogtum Württemberg auch die Aufsicht über das Gesundheitswesen des Landes
ausübte71 und der gemeine Kasten72 für die Finanzierung des Gesundheitswesens aufkam, wurden die Richt-
linien zur Ausbildung und Amtsausübung von Ärzten ebenfalls in die Große Kirchenordnung aufgenom-
men. In der Vorrede wird beklagt, dass sich allerlei Scharlatane auf dem Gebiet der Medizin umtun und
damit mehr Schaden als Nutzen anrichten. Um diesen unhaltbaren Zuständen abzuhelfen und den Lan-
deskindern eine angemessene medizinische Versorgung zukommen zu lassen, sollte in vier zentral gelegenen
Städten des Landes - in Stuttgart, Göppingen, Calw und Bietigheim - jeweils ein an der Universität
ausgebildeter Arzt für innere Krankheiten (Leibarzt) angestellt und ergänzend in jeder der genannten
Städte eine Apotheke eingerichtet werden.73 Zur Ausbildung der Leibärzte sah Herzog Christoph Auslands-
stipendien vor: Zwei besonders begabte und lernwillige Medizinstudenten sollten für zwölf bis 24 Monate in
Italien studieren, da das medizinische Können dort als besonders fortschrittlich galt.
Ähnliches war für die Ausbildung der Chirurgen (Wundärzte) vorgesehen. Zwei oder drei der begabtes-
ten Tübinger Medizinstudenten sollten Stipendien erhalten, um bei praktizierenden Chirurgen famulieren
zu können. Auch sie sollten zwei oder mehr Jahre auf Kosten des gemeinen Kastens in Italien studie-
42r. Ordnung der Schreib- und Rechenschulen (Text S. 591)
Ähnlich wie bei den Ärzten ging Herzog Christoph auch hinsichtlich der Ausbildung der Schreiber und
Rechner im Land vor. In drei Zentren des Herzogtums - in Stuttgart, Tübingen und Urach - sollten Schreib-
und Rechenschulen eingerichtet und von besonders qualifizierten Schulmeistern geführt werden. Diese
Schulen sollten den Nachwuchs an Schreibern (Modisten) und Rechnern für die verschiedenen Verwal-
tungsstellen des Landes ausbilden.75 Die Stuttgarter Modistenschule bestand bis ins 18. Jahrhundert.76
In die herzogliche Kanzlei sollten nur solche Stadtschreiber befördert werden, die einen vorbildlichen,
christlich und moralisch einwandfreien Lebenswandel führten und die erforderlichen Latein- und Rechen-
kenntnisse nachweisen konnten. Bevorzugt sollten diejenigen angestellt werden, die die Artes liberales und
die Institutiones imperiales, also die Grundlagen des römischen Zivilrechts, studiert hatten.
Die Schulreform, die seit Einführung der Reformation und insbesondere unter Herzog Christoph in
Württemberg mit den Bestimmungen der Großen Kirchenordnung 1559 in Angriff genommen wurde,
wirkte besonders nachhaltig durch die Schaffung eines allgemeinen Schulwesens, das nicht nur den finan-
ziellen und sozialen Eliten des Landes, sondern auch der Allgemeinheit zugute kam.77 Dies lässt sich an der
Zunahme der Anzahl allgemeiner Schulen ablesen. 1559 gab es in Württemberg 180 Orte mit deutschen und
lateinischen Schulen, 1581 waren es schon 270 und um 1600 waren es 400 Schulorte.78
Mit den in der Großen Kirchenordnung vorgestellten Bildungseinrichtungen gewann das württember-
gische Schulsystem im 16. Jahrhundert eine Vorbildfunktion, das von anderen Territorien - etwa vom Her-
71 Als beratende Sachverständige dienten die herzoglichen
Leibärzte in Stuttgart und die Professoren der Medizi-
nischen Fakultät der Universität Tübingen, Gerber,
Lehre und Praxis, S. 3.
72 Die württembergische Kastenordnung von 1552 ist
ediert bei Sehling, EKO XVI, S. 200-222.
73 Gerber, Lehre und Praxis, S. 2; Mehring, Medizinal-
ordnung, S. 259-263.
74 Mehring, Medizinalordnung, S. 260f.
75 Brecht/Ehmer, Reformationsgeschichte, S 335; Eh-
mer, Bildungsideale, S. 20; ders., 450 Jahre, S. 134.
76 Schmid, Volksschulwesen, S. 25f.
77 Ehmer, Brenz als Reformator, S. 262.
78 Ebd., S. 262f.
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42q. Ordnung für Leib- und Wundärzte (Text S. 588)
Da der Kirchenrat im Herzogtum Württemberg auch die Aufsicht über das Gesundheitswesen des Landes
ausübte71 und der gemeine Kasten72 für die Finanzierung des Gesundheitswesens aufkam, wurden die Richt-
linien zur Ausbildung und Amtsausübung von Ärzten ebenfalls in die Große Kirchenordnung aufgenom-
men. In der Vorrede wird beklagt, dass sich allerlei Scharlatane auf dem Gebiet der Medizin umtun und
damit mehr Schaden als Nutzen anrichten. Um diesen unhaltbaren Zuständen abzuhelfen und den Lan-
deskindern eine angemessene medizinische Versorgung zukommen zu lassen, sollte in vier zentral gelegenen
Städten des Landes - in Stuttgart, Göppingen, Calw und Bietigheim - jeweils ein an der Universität
ausgebildeter Arzt für innere Krankheiten (Leibarzt) angestellt und ergänzend in jeder der genannten
Städte eine Apotheke eingerichtet werden.73 Zur Ausbildung der Leibärzte sah Herzog Christoph Auslands-
stipendien vor: Zwei besonders begabte und lernwillige Medizinstudenten sollten für zwölf bis 24 Monate in
Italien studieren, da das medizinische Können dort als besonders fortschrittlich galt.
Ähnliches war für die Ausbildung der Chirurgen (Wundärzte) vorgesehen. Zwei oder drei der begabtes-
ten Tübinger Medizinstudenten sollten Stipendien erhalten, um bei praktizierenden Chirurgen famulieren
zu können. Auch sie sollten zwei oder mehr Jahre auf Kosten des gemeinen Kastens in Italien studie-
42r. Ordnung der Schreib- und Rechenschulen (Text S. 591)
Ähnlich wie bei den Ärzten ging Herzog Christoph auch hinsichtlich der Ausbildung der Schreiber und
Rechner im Land vor. In drei Zentren des Herzogtums - in Stuttgart, Tübingen und Urach - sollten Schreib-
und Rechenschulen eingerichtet und von besonders qualifizierten Schulmeistern geführt werden. Diese
Schulen sollten den Nachwuchs an Schreibern (Modisten) und Rechnern für die verschiedenen Verwal-
tungsstellen des Landes ausbilden.75 Die Stuttgarter Modistenschule bestand bis ins 18. Jahrhundert.76
In die herzogliche Kanzlei sollten nur solche Stadtschreiber befördert werden, die einen vorbildlichen,
christlich und moralisch einwandfreien Lebenswandel führten und die erforderlichen Latein- und Rechen-
kenntnisse nachweisen konnten. Bevorzugt sollten diejenigen angestellt werden, die die Artes liberales und
die Institutiones imperiales, also die Grundlagen des römischen Zivilrechts, studiert hatten.
Die Schulreform, die seit Einführung der Reformation und insbesondere unter Herzog Christoph in
Württemberg mit den Bestimmungen der Großen Kirchenordnung 1559 in Angriff genommen wurde,
wirkte besonders nachhaltig durch die Schaffung eines allgemeinen Schulwesens, das nicht nur den finan-
ziellen und sozialen Eliten des Landes, sondern auch der Allgemeinheit zugute kam.77 Dies lässt sich an der
Zunahme der Anzahl allgemeiner Schulen ablesen. 1559 gab es in Württemberg 180 Orte mit deutschen und
lateinischen Schulen, 1581 waren es schon 270 und um 1600 waren es 400 Schulorte.78
Mit den in der Großen Kirchenordnung vorgestellten Bildungseinrichtungen gewann das württember-
gische Schulsystem im 16. Jahrhundert eine Vorbildfunktion, das von anderen Territorien - etwa vom Her-
71 Als beratende Sachverständige dienten die herzoglichen
Leibärzte in Stuttgart und die Professoren der Medizi-
nischen Fakultät der Universität Tübingen, Gerber,
Lehre und Praxis, S. 3.
72 Die württembergische Kastenordnung von 1552 ist
ediert bei Sehling, EKO XVI, S. 200-222.
73 Gerber, Lehre und Praxis, S. 2; Mehring, Medizinal-
ordnung, S. 259-263.
74 Mehring, Medizinalordnung, S. 260f.
75 Brecht/Ehmer, Reformationsgeschichte, S 335; Eh-
mer, Bildungsideale, S. 20; ders., 450 Jahre, S. 134.
76 Schmid, Volksschulwesen, S. 25f.
77 Ehmer, Brenz als Reformator, S. 262.
78 Ebd., S. 262f.
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