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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 2. Teilband = Baden-Württemberg, 4): Reutlingen, Ulm, Esslingen, Giengen, Biberach, Ravensburg, Wimpfen, Leutkirch, Bopfingen, Aalen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.30657#0327
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30. Eheordnung 1600

30. Eheordnunga
12. November 1600

Obwol ein ersamer rath, unser gebietend und gun-
stig herrn, hievor zu offter- unnd mehrmaln, wie
auch die liebe voreltern (gebens auch die kayserliche
rechten zu1) uß gueten, stattlichen vorbethrachtun-
gen und redlichen, erbarn ursachen vernunfftige,
guete gesatz unnd ordnungen wider das unbedacht-
same und unbesonnene, auch leichtfertige zusamen
heurathen der ledigen, jungen personen, sön und
döchtern von burgern unnd einwohnern fürkommen
und allerhand daruß erwachsende beschwerlichhei-
ten, sowol in volgendem ehestand selbst alls auch im
burgerlichen stand und weßen, verhuetet bleiben
möchten, gemacht und under die burgerschafft und
innwohnern der statt publiciert2, so hat doch ein er-
samer rath ohn langen hero mit sonderem mißfallen
erfahren, und endtpfindet es zwar sein bürgerschafft
mit teglichem weheclagen selbst am herpsten augen-
scheinlich und an der hand, das bißhero solche der
oberkeitt guete, vernunfftige und wolmeinende ver-
ordnungen sowol bey den ältern selbsten alls den
jungen, ledigen personen nit in achtung gehabt, be-
dacht unnd vor augen gehalten, sonder allerdings
bey dem gemeinen hauffen in ein gentzlichen miß-
brauch gezogen worden, alls do sich söhn und döch-
tern nit allein für sich selbsten,3 sonder auch gueten
theils mit dero öltern, pflegern und freunden4 vor-
wissen zusamen verheurath haben, do mann eint-
weder gaar nit gewußt, womit mann sich in ein ehe-
lich thun und narung richten, oder, do mann schon
denn anfang darzu gehabt, jedoch weder erfahrung
noch verstand inthalben gewesen, das mann ge-
wußt, was das heurathen uff sich trage | unnd was

a Textvorlage (Handschrift): StadtA Ulm A [1776].

1 Vgl. Inst. 1, 21, ClCiv I, S. 8; Inst. 3, 19, 9, ebd., S. 37,
Dig. 26, 8, ebd., S. 386f.; Cod. Just. V, 4: 8, 18 und 20
= ClCiv II, S. 195f.
2 Vgl. Art. XI und XII der Zuchtordnung von 1581, siehe
oben, S. 233 Anm. c und d und S. 228 Anm. t.

der ehestand in der narung unnd haußhaltung erfor-
dert hete.
Allso, so bald mann zusamen kommen, das ehe
lang das zusamen bringen durch jugent ohn erfah-
rung und unverstand gleich hie durch bracht wor-
den, das solche uff beederlay weg zusamen komne
personen niemand uff der welt, weder der oberkeitt
noch inen selbsten, auch irem nechsten nit nutzlich
worden, sonder das sie nit allein gleich denn öltern
und freunden widerumben in die hilff gefallen, son-
der auch der oberkeit und allmuoß heußern vilfaltig
uberlestig worden5, neben dem auch das mehrmalen
böse, mißthetige handlungen und sachen daruß er-
folgen haben muessen.
Solches denn vorigen gueten und wolbedachten
ordnungen zuwider eingerissene unzeitige, unbe-
dachte unnd unbesonnene, auch leichtfertige zusa-
men heurathen unnd ubler mißbrauch des hailigen
ehestandts in eines ersamen raths statt und gebiet
unnd daruß erfolgends, vast6 unsägliche mehrerley
unheil von newem, und sovil nach Gott muglich sein
kan, zufürkommen, so hat ein ersamer rath (neben
erhollung voriger ordnung unnd aber insonderheit
seines gesatz, welches er, ein ers. rath, in anno 1581
von straff offenbarer laster, auch leichtfertigen ver-
heurathens und anderer unzucht unnd allso des
jungsten in den truck verfertigen und publicieren
hat lassen7, anjetzo und von newem ferners statu-
iert), gesetzt unnd geordnet und thut das hiemit in
crafft diß, das fürterhin und von dato an | von
handtwerckhern unnd gewerbern in der statt (dann
in seinem gebiet uff dem land hat ein ersamer rath

3 Zur elterlichen Eheeinwilligung siehe Kaiser, Eheein-
willigung, bes. S. 123-129.
4 Verwandten.
5 Zur Last gefallen.
6 Überaus.
7 Zuchtordnung vom 12. Januar 1581, siehe oben, Nr. 20.

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