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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Bergholz, Thomas [Bearb.]; Goeters, J. F. Gerhard [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (19. Band = Rheinland-Pfalz, 2, 1. Teilband): Die Reichsstädte Landau, Speyer und Worms - die Grafschaften Leiningen, Sayn und Wied - die Wild- und Rheingrafschaft - das Fürstentum Pfalz-Simmern - die Grafschaft Pfalz-Veldenz (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.30659#0455
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13. Kirchenordnung 1590

Caput XVI.
Wie sich die Pfarrkinder gegen ihre Seelsorger halten sollen, etc.

Die Pfarrkinder sollen ire Pfarr- und Kirchendiener
als getreuwe Seelsorger für ire Christliche Vätter
halten, durch welcher Dienst sie im Gehör Göttli-
ches Worts und rechtem Gebrauch der Hochwirdi-
gen Sacramenten widerumb und neuw geborn Kin-
der Gottes werden. Derowegen sie dieselbigen wehrt
und in ihren gebürenden Ehren halten, sie lieben
und in allen guten Willen erzeigen, mit ihnen in
Frieden und guter Einigkeit leben sollen, wie der
Apostel lehret, 1. Thess. 5, da er schreibet: Wir bit-
ten euch, lieben Brüder, daß ihr erkennet, die an
euch arbeiten und euch vorstehen in dem Herrn und
euch ermahnen, habt sie desto lieber umb ihres
Wercks willen und seyt friedsam mit ihnen.205 Und
abermals 1. Timoth. 5: Die Eltesten, die wol für-
stehen, die halte man zwyfacher Ehren wehrt, son-
derlich die da arbeiten im Wort deß Herren und in
der Lehr.206 l189|
Darnach, wann sie Vermög ires tragenden Ampts
mit ihnen zu reden und zu handlen haben, ihnen je-
derzeit auch freundtlichen und gebürenden Be-
scheidt geben, ihr Straff und Vermahnung, so sie
auß Gottes Wort thun, zum besten auffnemmen und
dabey bedencken, daß sie solches thun müssen und
bey Verlust ihrer Seligkeit und zwyfacher Verdam-
niß derselben schüldig seyn, dadurch auch anders
nichts dann der Zuhörer Seligkeit gesucht wirdt.
Sollen derhalben sie nicht anfeinden, verrahten, ver-
lachen, mit schimpfflichen Worten, Liedern und Ge-
berden verspotten, viel weniger schmehen, schen-
den, lestern oder sich sonsten unterstehen an ihnen
zuvergreiffen und sich darbey deß Spruchs Christi
erinnern: Wer euch verachtet, der verachtet
mich.207 Wie Wir dann auch solche Verachtung der
Kirchendiener umb ihres Ampts willen nicht zu dul-
den gemeynt, sondern an den Ubertrettern mit al-
lem Ernst andern zum Exempel und Abschew zu
straffen gedencken, Sondern sie sollen als fromme
Pfarrkinder Lehre und Christlicher Vermahnung, so
205 1Thess 5,12f.
206 1Tim 5,17.
207 Lk 10,16.

sie auß Gottes Wort thun, gehorsamlich folgen, be-
sonders wann sie der grewlichen Lastern als Gottes-
lästerung, Zauberey, Unzucht, Füllerey, Hoffart,
Neidt, Haß, Zanck, Ha- |190| der gestrafft und deß
erschrecklichen Zorns, Drawung und Straffen Got-
tes erinnert werden, damit Gott die Verächter seiner
treuwen vätterlichen Verwahrnungen heimgesucht
und härtiglichen allzeit gestrafft hat, etc.
Nach dem auch Christus, Matth. cap. 10, saget: Ein
jeder Arbeiter ist seines Lohns wehrt208, Deßglei-
chen S. Paulus, 1. Cor. 9: Wer dem Altar dienet, der
soll vom Altar leben. Item: Der Herr hat befohlen,
daß, die das Evangelium verkündigen, sollen vom
Evangelio leben.209 Und abermals Gal. 6: Der unter-
richtet wirdt mit dem Wort, der theile mit allerley
Guts dem, der ihn unterrichtet.210 Derowegen sollen
die Pfarrkinder ihren Kirchendienern mit Willen
und gern, was zu ihrer Unterhaltung gebürlich, be-
sonders aber, was hierzu gestifftet und verordnet,
geben und ohne Verwegerung und alle Schmelerung
folgen lassen.
Da auch den Pfarrherren und Kirchendienern an
Gütern, Zehenden oder Renthen etwas entzogen we-
re, seyn Wir geneigt, nach dessen Befinden ernstlich
zuverschaffen, daß solches wider zu den Pfarren ge-
bracht werde, etc.
Als auch viel Klagen fürfallen, daß die Pfarrherrn
und Kirchendiener ihr gebürlich Opffer von |191| den
Pfarrkindern mit schwerer Mühe und Arbeit ermah-
nen, zun zeiten auch gar nichts bekommen mögen
und der Kirchendiener Besoldung gar unbillich hier-
durch geschwächt, So soll hinfort ein jeder Mensch,
der zwölff Jahr erreicht, er habe communiciert oder
nicht, seinem Pfarrherrn alle Quartal einen und also
das gantze Jahr vier Pfenning Opffergelt unweger-
lich zugeben pflichtig seyn. Damit sie auch nicht
mutwillig verzogen oder in andere Wege verforthei-
208 Mt 10,10.
209 1Kor 9,13f.
210 Gal 6,6.

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