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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Bergholz, Thomas [Bearb.]; Goeters, J. F. Gerhard [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (19. Band = Rheinland-Pfalz, 2, 2. Teilband): Die Reichsstädte Landau, Speyer und Worms - die Grafschaften Leiningen, Sayn und Wied - die Wild- und Rheingrafschaft - das Fürstentum Pfalz-Simmern - die Grafschaft Pfalz-Veldenz (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.30660#0158
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Fürstentum Pfalz-Simmern

2. Die Reformation in Pfalz-Simmern

Herzog Johann II. verblieb, wie schon erwähnt, bis zu seinem Tod im alten Glauben, wovon auch das
wenige Wochen vor seinem Tod verfasste Testament ein deutliches Zeugnis gibt.8 Friedrich II. dagegen
ergriff unmittelbar nach seinem Regierungsantritt reformatorische Maßnahmen. Zwar ist kein Reformati-
onsmandat für Pfalz-Simmern erhalten, aber es ist durch seine zeitgleichen Maßnahmen in der Hinteren
Grafschaft Sponheim belegt, dass Friedrich noch im Juli 1557 die Reformation ein- und eine erste Visitation
seiner Herrschaftsgebiete durchführen ließ.9 Einer der Visitatoren war der erste Simmerner und nachmalige
wild- und rheingräfliche Superintendent Nikolaus Beuck.10 Diese Visitation wurde mit der kurpfälzischen
Kirchenordnung Ottheinrichs von 1556 durchgeführt, die von da an bis 1598 in Simmern verbindlich
blieb.11 Denn nach dem Wechsel Friedrichs nach Heidelberg blieben seine beiden Brüder beim lutherischen
Bekenntnis, während Friedrich selbst bekanntlich mit der neuen Kirchenordnung von 1563 zum Calvinis-
mus überging. Obwohl Reichard als überzeugter Lutheraner galt und z.B. stets an der CA invariata fest-
hielt,12verweigerte er dem Konkordienbuch seine Unterschrift, aber wohl kaum aus theologischen, sondern
eher aus konfessionspolitischen Gründen.

8 Vgl. Bauer, Fürstentum, S. 178.
9 Vgl. Sehling, EKO XVIII, S. 623f. Das Schreiben
Friedrichs an den Sponheimer Amtmann ohne Quellen-
angabe (und mit der ersten Seite als Faksimile) abge-
druckt bei: Wagner, Durchführung, S. 17-19. Der Text
lautet, unter Korrigierung einiger offensichtlicher
Druckfehler bei Wagner, folgendermaßen:
Lieber getreuwer. Nachdem unns unnser gewißenn dahin
weiset, auch fur Got unns schuldig erkennen, solche greuliche
abgotterei unnd mißbreuch, so sich bißhero inn allenn Kir-
chenn deins ampts gehaufft unnd ann unnderloß nit an
sonnder nachtheil unnd ewigem verderbenn viler seelen gewe-
set, unnsers hochsten vermegenns außzurheutenn unnd an
dero stat ein Got wol gefelligen diennst, damit zuvorderst Got-
tes ehr gesuchet unnd unnsere armenn unnderthann mit dem
allein seligmachenden wort unnsers hernn unnd erloßers
Jesu Christi zu dem ewigen lebenn gespeiset unnd geweidet
werdenn, anzurichtenn unnd inn das werk zu bringen; so
haben wir unns entlich entschloßenn, hinfurther mit hilff des
almechtigenn, auch darstreckung des unnsern an alle fur-
nempste orthe deins ampts gelerte, gotsfurchtige unnd
fromme lerer unnd predicanten uffzustellen unnd zu verord-
nen, die unnser christlichenn religion unnd glaubenn gemeß
das wort Gottes verkundigenn unnd die Sacramenta rei-
chenn, auch sonnsten der gemeinde mit einem gotseligen
lebenn unnd wanndel furgehenn unnd gute exempla gebenn
sollenn.
Dieweil dann der jetzig vermeinte gotsdiennst der meß unnd
anderer mißbreuch, so noch zur zeit bei dir unnd in deines
ampts kirchenn inn ubung unnd schwannck ist, Gots wort
unnd bevelch zum hochstenn zuwider, wißenn wir inn dem-
selbigenn für unnsere persone keinswegks zu bewilligen oder
zu gestatten, dir derohalbenn mit ernnst befehlennde, du
wollest allenn pfarhernn deins ampts unverzucklich vonn
unnsernt wegenn anzeigenn, das sie unns vor unnser person
ann solicher abgotterei kein willen oder gefallen thun, sonn-
der vonn hertzenn unnserm freundtlichenn liebenn vetternn
[d.i. Markgraf Philibert von Baden als Condominus der
Hinteren Grafschaft Sponheim] unnd inenn allenn wun-

schenn wolltenn, das der almechtig iro liebtenn unnd sie
erleuchten unnd zu warem erkenntnis bringenn, damit unn-
ser Christliche religion inn unnsern kirchenn einmutigli-
chen bekannt, der gotsdiennst christlicher Iheer unnd dem
wort gottes gemeß angericht unnd alle spaltung, welche wir
doch hinfurter biß uff weitere gnade sehenn unnd gestattenn
müssen, inn unnsern kirchenn auffgehabenn unnd zu
christlicher begerter verayns einmal gebracht unnd erhal-
tenn werdenn mogte.
So wir aber die unnsern predicantenn allenn armen, verfur-
ten unnd ihrgeleitenn Christenn zu gutem auffzustellenn
unnd zu erhaltenn gedenncken, ist unnser ernnstlicher be-
felch, du wollest als balt unns in unnser cantzlei alhier alle
pfarhenn, caplanei, altarien unnd al anderer geistlicher
guter, gefel, zinß, renten, gulten etc. schrieftlich uberschi-
cken, auch danebenn uber denn halbenn Marggrevischen
theil aller gefelle keinem meßpfaffen mher oder weiter nichts
folgenn lassenn. Dann wir hinfurther bedacht sein, solche
halbe gefelle fur unnser antheil zu erhaltung obermeltenn pre-
dicannten unnd seelsorgern, auch zu pflanzung gotlichs
worts unnd des rechtenn gottesdienst anzuwennden unnd all-
enthalbenn inn deinem ampt die verordnung zu thun, das
beide, die underthanen unnd predicanten, sich nichts zu
beclagenn, sunnder Got dem almechtigenn fur solche erzeigte
gnade unnd erleuchtung billichenn dancken unnd Christenn
werdenn.
Welchs du gleicher gestalt einem jedenn pfarher von unn-
serntwegenn anzuzeigenn unnd zu berichtenn hast, damit
sich ein itweder, so hinfurther mit denn ubrigen halben
gefellen sich nit begnugen oder seinen vermeinten Gottes-
dienst fallen lassenn wolte, sich seiner gelegenheit nahe zum
ehestenn versehenn unnd underbringen moge. Des verlas-
senn wir uns zu dir unnd thust hierann unnser ernnstlicher
bevelch, wil unnd meinung. Datum Siemern, denn 16. Juli
anno [15]57.
10 Zu Beuck vgl. Teil Wild- und Rheingrafschaft, S. 520,
Fußnote 13.
11 Abgedruckt in: Sehling, EKO XIV, S. 113-220.
12 Antwortbrief zum Bergischen Buch vom 21. Dezember

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