Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (2. Band = 1. Abtheilung, 2. Hälfte): Die vier geistlichen Gebiete (Merseburg, Meissen, Naumburg-Zeitz, Wurzen), Amt Stolpen mit Stadt Bischofswerda, Herrschaft und Stadt Plauen, die Herrschaft Ronneburg, die Schwarzburgischen Herrschaften, die Reussischen Herrschaften, die Schönburgischen Herrschaften, die vier Harzgrafschaften: Mansfeld, Stolberg, Hohenstein, Regenstein, und Stift und Stadt Quedlinburg, die Grafschaft Henneberg, die Mainzischen Besitzungen (Eichsfeld, Erfurt), die Reichsstädte Mühlhausen und Nordhausen, das Erzbisthum Magdeburg und das Bisthum Halberstadt, das Fürstentum Anhalt — Leipzig: O.R. Reisland, 1904

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.26561#0221
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
40. Gräflich mansfeldische geistliche consistorial ordnung. Anno 1586.

207

ihnen gebühret, und die notturft erfodert, sollen
sie nicht zugelassen, sondern unterrichtet und ab-
gewiesen werden.
Von jungfrau schänden.
Sintemal jezt auch unzucht allenthalben sehr
gemein wird, also dass viel leichtfertige gesellen
sind, welche tag und nacht darnach trachten, wie
sie witfrauen und jungfrauen mögen schwechen,
zu fall bringen, und zu schanden bringen, der-
wegen soll auf solche leute mit fleiss achtunge ge-
geben werden, und wo solche fälle vorlaufen, da
sollen die thäter dahin gewiesen und gehalten
werden, dass sie nach gestalt der sachen die ge-
schwechten entweder ehelichen oder gebührlichen
begaben, und dass ferner dieselbigen der obrigkeit
auch heimgewiesen werden, und entweder mit ge-
fängnüss, verweisung, oder einer geldbusse mügen
gestrafet werden, domit doch der kirchen ihre
strafe, wo sie nicht verwiesen werden, im wenig-
sten nicht soll benommen sein.
Von ehescheiden.
Wenn sich junge leute nun verlobet haben,
und mit dem öffentlichen kirchgang und hochzeit
ihre ehegelübde volziehen, den pflegen abermal
viel schwere fälle mit einzufallen, die auch noth-
durftig und bescheidentlich müssen erwogen und
entschieden werden.
1. Trüge sich zu, dass einer klagte, er were
betrogen worden, denn er hette vermeinet seine
braut vermöchte viel, und were reich, welches
sich aber nun anders befinde, solches weil es ein
error fortunae ist und das wesen des ehestandes
nicht angehet, sollen von ihrer klage abgewiesen
werden.
2. Würde aber einer klagen, er finde seine
braut, es geschehe auch gleich für oder nach der
hochzeit, nicht jungfrau, sondern von einen andern
verrücket und schwanger, derowegen wolle er sie
nicht haben oder behalten, sondern von ihr ge-
schieden sein ;
Weil dieser fall sehr schwer und gefehrlich,
und gelehrten theologen und anderen rathschläge
und bedenken hiervon1) sein, sollen nach gelegen-
heit der fälle und personen dieselben in acht ge-
nommen und die abschiede und urtheil darnach
gefasset und begriffen werden.
Doch soll und muss der sachen gewissheit
und guter grund zuvor da sein, und nicht auf
bloss hören sagen und muthwillige verleimbdunge
böser leichtfertiger leute getrauet werden.
3. Etliche klagen zuweilen auch über täg-
lichen zank, schelten und uneinigkeit und wollen
derhalben auch geschieden werden.

1) E.: hiervon vorhanden.

Aber d. Luther erkennet solches für keine
genugsame ursach zur scheidung, sondern nur1)
für einen zu fälligen gebrächen wegen der ver-
derbten menschlichen natur, der mit gebet und
gedult müste überwunden und vertragen2) werden.
4. Ofte würd auch geklaget über grosse ge-
fahr leibes und lebens, die ein ehegemahl vom
andern zugewarten hat, item über3) gefahrliche
schwere krankheiten und gebrechen, damit der
eine theil beladen ist, und wird darauf die ehe-
scheidunge gesuchet.
In solchen fällen ist aber mal4) zu sehen auf
alle ümbstände der zeit personen, und ob solche
mängel können geändert und gebessert werden,
oder nicht, dass man sich nicht übereile. So sind
auch abermal in allen diesen fällen gelehrter leute
rathschläge und bedenken vorhanden, darnach
man sich mit richten könne, und soll darauf ver-
fahren.
5. Und in summa weil ehescheiden ein
schwer und gefehrlich werk ist, soll darzu nicht
geeilet, sondern zuvor wolbetrachtet werden, ob
auch die rechten ursachen der scheidung ver-
handen sind oder nicht; es soll auch mit fleiss
versuchet werden die versöhnung, und allezeit
lieber und mehr vor, denn wider den ehestand
gehandelt werden, praesertim in matrimonio con-
summato.
6. Wenn eheleute ordentlicher weise und
rechtmässig entschieden5) werden, denn soll dem
unschuldigen theile, da ers bedarf und will, wieder
zu freien erlaubet werden, es were denn sache,
dass ihrer zwei von wegen des einen theils saevitia
und grausamkeit auf eine anzahl jahr oder monat
vom tische, bette, von einander gesondert werden,
in welchen fall keinem theil, weil der andere
ehegatte lebet, mittlerzeit wiederümb zu freien er-
laubet sein soll.
Von6) weglaufen.
Weil auch in diesem fall der unterscheid
inter matrimonium initiatum et consummatum zu
bedenken ist, dass ezliche eheleute einander nach
der verlöbnüss verlassen, ehe sie ihren kirchgang
gehalten und das ehebette beschritten haben,
etliche aber einander verlassen, wenn nun die ehe
durch den kirchgang und ehelich bei wohnen
vollenzogen, dass sie eine zeitlang beieinander
gewohnet, hausgehalten und auch wohl kinder ge-
zeiget haben, dass als denn uf solche unterschiedene
fälle geschehen7), auch unterschiedliche zeit nach
gemeinen rechten gesezet werden, wie lange ein

1) E.: „nur“ fehlt. 2) E.: „und vertragen“
fehlt. 3) E.: über schreckliche. 4) E.:
abermal mit fleiss. 5) E.: rechtlich geschieden.
6) E.: Von desertionen und. 7) E.: gesehen.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften