Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (2. Band = 1. Abtheilung, 2. Hälfte): Die vier geistlichen Gebiete (Merseburg, Meissen, Naumburg-Zeitz, Wurzen), Amt Stolpen mit Stadt Bischofswerda, Herrschaft und Stadt Plauen, die Herrschaft Ronneburg, die Schwarzburgischen Herrschaften, die Reussischen Herrschaften, die Schönburgischen Herrschaften, die vier Harzgrafschaften: Mansfeld, Stolberg, Hohenstein, Regenstein, und Stift und Stadt Quedlinburg, die Grafschaft Henneberg, die Mainzischen Besitzungen (Eichsfeld, Erfurt), die Reichsstädte Mühlhausen und Nordhausen, das Erzbisthum Magdeburg und das Bisthum Halberstadt, das Fürstentum Anhalt — Leipzig: O.R. Reisland, 1904

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.26561#0222

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
208 Die vier Harzgrafschaften: Mansfeld, Stolberg, Hohenstein, Regenstein und Stift und Stadt Quedlinburg.

theil dem andern noch warten solle, ehe man zu
rechtlichen process schreite, und dem verlassenen
theile citationes zuerkennet werden mügen, und
hierinnen sollen unsere consistoriales also unter-
schiedlich verfahren.
Von desertion der verlobten.
Anfanglich sollen sie den parteien, die einander
verlassen haben, es sei in welchen fall es wolle,
inhibiren und verbieten, zu keiner andern ehe zu
schreiten, bis zuvorn das verlassene theil von dem
ersten ehegatten durch urtheil und recht losge-
theilet, würde aber1) solch verbot überschritten2),
so soll derselbige von uns derhalben ernstlich ge-
strafet werden.
Also auch, da ein kirchendiener in unser
grafschaft und gebieten vor endlicher lostheilunge
der verlassenen person dieselbige zu einer andern
ehe wissentlich dieser unser ordnunge zu wider
auf bieten oder copuliren würde, soll derselbige
von seinem ampte und kirchen dienst abgesezet
oder sonst nach gelegenheit und3) consistorii er-
mässigung ernstlich gestrafet werden.
2. Die entlaufene person soll nicht ehe con-
demniret, und die andere losgekant4) werden,
sie sei denn zuvor ordentlicher weise durch öffent-
liche angeschlagene edicte citiret, und (da man
ihrer mächtig sein kan) gehöret, damit man eigent-
lich erfahren müge, welches theil an solcher
trennunge schuldig und ursache habe;
3. Würde aber vorgewendet, sie sei todt,
soll so viel müglich davon gute kundschaft gebracht
werden;
4. Es sollen auch mit fleiss unterschieden
werden die fälle, wenn eines hinter des andern
wissen vom andern zeucht, oder wenn es mit
beider wissen und willen geschiehet.
5. Also muss auch geschehen und bedacht
werden, ob eines aus noth und erheblichen ur-
sachen oder ohne noth, nur aus lauter leicht-
fertigkeit und troz von dem andern laufe und sei.
6. Aus dieser ungleichheit der fälle muss
auch genomen werden und gesezet die zeit, wie
lange eins dem andern nachzuwarten schuldig sei,
und weil bei juristen und theologen hier ungleich-
heit vorfället, so ordnen, sezen und wollen wir,
wann der breutigam die braut oder die braut den
breutigam verliesse, und geschehe solches aus er-
heblichen noth wendigen und erheblichen ursachen,
und würde daneben eine gewisse zeit bestimmt,
zur wiederkunft und zu haltunge des ehelichen
beilagers, so soll derselbigen zeit erwartet
werden.

1) E.: es. 2) E.: überschreiten.
3) E.: und unseres consistorii ermessung.
4) E.: los erkant.

7. Wenn aber zur wiederkunft und haltunge
des ehelichen beilagers keine zeit bestimmet, und
der breutigamb oder die braut bliebe über jahres
frist aussen, erklärte sich auch nicht gegen den
verlassenen theil durch schriftliche oder mündliche
werbunge, so soll der anwesende theil nach ver-
fliessunge eines jahres frist unserm consistorio
solches supplicirende zuerkennen geben, darauf
soll supplicanten citation mitgetheilet werden, ent-
weder an die obrigkeit, darunter der deserirende
theil sich verhielte, oder wann man, wo er anzu-
treffen were, nicht wüste, durch ein offen edict,
welches in dreien benachbarten herrschaften
öffentlich anzuschlagen, auch von der canzel ab-
zulesen, und sollen darinnen dem abwesenden
theile, drei monat zeit angesezet werden, vor
unsern consistorio zuerscheinen, und seines ab-
sentirens redliche und erhebliche ursachen vor-
zubringen und auszuführen.
8. Bliebe er darüber auf den angesezten tag
aussen, so soll auf beschuldigten ungehorsamb und
des andern theils gehorsamb1) ansuchen der ab-
wesende wiederümb durch ein offen angeschlagen
edict an der kirchen alhier zu Eisleben peremp-
torie citiret werden, auf das nechste consistorium,
so innerhalb monats frist darnach geholten wird,
zuerscheinen2), seine ehehaft einzuwenden, und
da die erheblich, nachmals auf die klage zu ant-
worten, mit verwarnunge, wo er als dann abermals
ungehorsamb aussen bleiben würde, dass alsdenn
er für einen muthwilligen desertorem durch ur-
theil und recht erkant, und das gehorsame theil
des versprochenen ehegelöbnüss von ihme los-
gesprochen werden solle;
9. Erscheinet er alsdann, und bringet seines
vorigen aussenbleibens erhebliche ursachen und
ehehaften vor, soll er mit seiner antwort auf die
klage nachmals gehöret, und darauf ferner in güte
verfahren oder in der sachen rechtlich bescheid
gegeben werden;
10. Bliebe er aber als denn auch ungehorsamb-
lich aussen, soll auf beschuldigten ungehorsam in
der haubt sache geurtheilet, und er vor einen
desertorem erkleret, und in der obrigkeit strafe
als ein muthwilliger desertor seines ehegattens
vertheilet, und den andern anwesenden gehorsamen
theile, sich im namen gottes anderweit zu ver-
ehelichen nachgegeben werden.
Von desertion der eheleute.
11. Gleichergestalt soll es auch gehalten
werden, wenn mann und weib, so albereit nach-
gehaltenen beilager eine zeitlang beieinander ge-

1) E.: des andern gehorsamen teils.
2) E.: „zu erscheinen“ fehlt.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften