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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (2. Band = 1. Abtheilung, 2. Hälfte): Die vier geistlichen Gebiete (Merseburg, Meissen, Naumburg-Zeitz, Wurzen), Amt Stolpen mit Stadt Bischofswerda, Herrschaft und Stadt Plauen, die Herrschaft Ronneburg, die Schwarzburgischen Herrschaften, die Reussischen Herrschaften, die Schönburgischen Herrschaften, die vier Harzgrafschaften: Mansfeld, Stolberg, Hohenstein, Regenstein, und Stift und Stadt Quedlinburg, die Grafschaft Henneberg, die Mainzischen Besitzungen (Eichsfeld, Erfurt), die Reichsstädte Mühlhausen und Nordhausen, das Erzbisthum Magdeburg und das Bisthum Halberstadt, das Fürstentum Anhalt — Leipzig: O.R. Reisland, 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.26561#0271
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43. Kirchen-Ordnung für das Gericht Wintzingerode oder Bodenstein.

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Im anfange des amts oder kinderlehre sollen
die prediger singen von dem stück christlicher
lehr, das gehandelt werden soll, allermassen1)
sollich gesang in den psalmenbüchern herrn
d. Lutheri und anderer gottseliger leute zu finden,
darnach die blossen wort der funf hauptstucke,
ohne abbruch und zusatz unvorendert ablesen,
wie sie in der obenberurten agend stehen, und
folgends die predigt furnemen und ofte in der-
selbigen die auslegung eines jeden stucks ge-
handelt wird, aus dem kleinen catechismi Lutheri
repetiren und wiederholen, darmit also dem ge-
meinen volk beide die auslegung und der rechte
verstand zu itzgemeltem ende2) wol bekand werde.
Es sollen auch die prediger alle ihre predigten
auf den catechismum accomodiren und appliciren
und nach vorrichter sontaglicher catechismus-pre-
digt sollen sie das gehandelte evangelium, in
welch’ stuck es in sonderheit gehore, examiniren
und die vornemsten heuptstucke und sprüche, so
traktiret worden, von dem jungen volke erfragen
und forschen , wie dan dessen (gott lob) an etz-
lichen orten fleissige ubung geschihet, wie wir
desselben gewissen bericht haben, und daher3)
um so viel desto ernster gemeint sein, das dem-
selben ehe von allen unsern pastorn mit grossem
ernst und vleiss gemess gelebet werden soll.
Nach deme auch leider wenig leute, sonder-
lich von den alten, den morgensegen konnen,
soll derselbig hinfuro neben dem abentsegen den
kindern und alten zuweilen des sontags, zuweilen
in der wochen fleissig vorgesprochen und geleret
werden.
Es sollen auch keine leute copulirt oder zum
brauch der heiligen sacramenten zugelassen werden,
sie können dan fertig auswendig den catechismum
mit der auslegung, die alten aber, so wege ihres
unvermugens und schwachheit ihres heupts es
nicht lernen können, sollen zum wenigsten die
blossen wort der funf heuptstücke und den andern
artikul unsers christlichen glaubens von der er-
losung auswendig konnen oder aber sonsten auf
unverhoffentlichen fall christlich, eiferig angelob-
nuss und bekantnuss thun, solches mit hochstem
fleisse zu lernen, darmit hirinnen kundlich und
nicht unbedachtsamb, sondern mit christlicher be-
scheidenheit dispensirt möge werden. Wir wollen
auch, dass sich sowol die alten als die jungen zur
predigt des catechismi unseumlich finden. Es sollen
auch alle tenze und spielwerk und andere leicht-
fertigkeit, so zwischen den beiden sontags predigten

1) „allermassen — leute zu finden“ von Reichhelm’s
Hand in den Text geschrieben.
2) „zu itzgemeltem ende“ von derselben Hand an
den Rand geschrieben.
3) „und daher—gelobet werden soll“ von derselben
Hand in den Text geschrieben.
Sehling, Kirchenordnungen. Bd. II.

und auch zum oftermal unter dem catechismo
pflegen geschehen, genzlich abgeschaffet und ernst-
lich bei vermeidung unnachlessiger straf verboten
sein.
Auch sollen die prediger durchaus keine
kinderler oder übung des catechismi vorseumen,
sondern, wie oben gemelt, alle sontage vleissig
treulich uben und denselbigen einbilden und alle
ihre muhe dahin wenden, das godt dardurch ge-
ehret und geweiset werde, 1. Cor. 101): Thut
alles zur gottes ehre.
Von der wochen predigt.
Darmit die zuhorer auch in den vornembsten
articuln unserer christlichen und wahren religion
recht und wol mögen geleret und unterrichtet
werden, das sie eigentlich wissen, worinne die
seligkeit stehe, welchs die rechte und wahre er-
kentnus gottes sei, so sollen die pastores wochent-
lich des sontags epistel fein richtig erkleren und
auslegen, darzu sie dan vornemlich den donnerstag
nemen und auf denselbigen die wochenpredigt
vormittags2), nachmittags aber die kinderlehr
allermassen im nehisten vorgehenden titul zu finden
verrichten sollen.
Es soll auch furnemlich mit allem fleiss die
litanei alle vier wochen einmal des donnerstags
nach der wochenpredigt und dan alle quartal oder
virteljahrs des sontags nach gehaltener predigt
offentlich in der versamlung des volks mit an-
dechtigem herzen gesungen und nach der vermanung
des apostels Pauli 1. Tim. 2 allerlei not und an-
liegen der christenheit dem lieben gott darin3)
furgetragen werden.
In der fasten sol man die historiam des leidens
und sterbens Christi zeitlich und den donnerstag
nach invocavit anfahen, und anstatt der episteln
in der wochenpredigt dem volk zu erkleren fur-
nemen, und mit sonderlichem ernst dahin be-
fleissigen, das dieselbe vor der marterwochen ab-
solvirt und zum ende gebracht werde, und end-
lich auf den charfreitag wiederum ganz repetiren
und widerholen, mit andacht laut und deutlich
von nutz und brauch des leidens und todes
Christi kurzliche trostliche erinnerung thun.
Auch soll man jerlich auf den grunen don-
nerstag die lere von dem heiligen abentmal vleissig
einfeltig, richtig, sonderlich der schönen trostlichen
erclerung d. Lutheri in seinem kleinen catechismo
gleichformig, dormit es die zuhorer und kinder
desto besser vornemen mögen, verlernen.
1) 1. Cor. 10 V. 31.
2) „vormittags — verrichten sollen“ von Reichhelm
an den Rand geschrieben.
3) „darin“ von derselben Hand in den Text ge-
schrieben.

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