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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (2. Band = 1. Abtheilung, 2. Hälfte): Die vier geistlichen Gebiete (Merseburg, Meissen, Naumburg-Zeitz, Wurzen), Amt Stolpen mit Stadt Bischofswerda, Herrschaft und Stadt Plauen, die Herrschaft Ronneburg, die Schwarzburgischen Herrschaften, die Reussischen Herrschaften, die Schönburgischen Herrschaften, die vier Harzgrafschaften: Mansfeld, Stolberg, Hohenstein, Regenstein, und Stift und Stadt Quedlinburg, die Grafschaft Henneberg, die Mainzischen Besitzungen (Eichsfeld, Erfurt), die Reichsstädte Mühlhausen und Nordhausen, das Erzbisthum Magdeburg und das Bisthum Halberstadt, das Fürstentum Anhalt — Leipzig: O.R. Reisland, 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.26561#0503
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Stadt Halberstadt. 108. Ordnung so die pfarvorwanten zu St. Johannis zu erhaltung der rechten armen etc. 489
Item, wen in diesen oben beschriebenen zue sich bescheiden und mit denen rat nehmen,
stücken was vorfelt, das er den nicht zue raten wie denne weiter möge zu ratende oder zue
weiss, so soll er die vörigen alterleute alle vier thuende sein.
108. Ordnung so die pfarvorwanten zu St. Johannis zu erhaltung der rechten armen dem Westendorf
und voigtei zum besten vorgeschlagen.
[Aus Staatsarchiv Magdeburg, Stift und Fürstenthum Halberstadt, Repert. 13, Nr. 848a, fol. 531—548.]

Es saget der sohn gottes Jesus Christus
(Matth. 4), unser aller heil and zu dem abgunstigen
und egennutzigen apostel Juda, ihr habt alle zeit
armen bei euch und, wen ihr wollet, konnet ihr
ihnen guets thuen, mich aber habt ihr nicht alle-
zeit (Gal. 6), darumb auch der heilig apostel
Paulus aufs vleissigst vermahnet, das wir guets
thuen sollen jederman, allermeist aber des glaubens
genossen (2. Cor. 8 et 9), und wir lesen auch
wahrlich, das die christen zu Macedinia zu zeit
des heiligen apostels Pauli, so arm und notturftig
sie auch selbst gewesen, haben sie dannoch die
armen daselbst reichlich erhalten, darmit sie der
andern viel zum exempel der nachvelge, das sie
sich auch für aller wohlthat gegen got miltiglich
und dankbar erzeigt, gereizet haben.
Darumb wollen wir christen sein, so mussen
wir das ja mit fruchten beweisen, ja wir mussen
umbgehen mit dem rechten gottesdienst. Das ist
mit rechten guten werken des glaubens, die uns
mit ernst von Christo bevohlen sind, nemlich, das
wir uns annehmen der notturft unsers nechsten,
wie er sagt (Johann. 15), darbei sollen alle leute
erkennen, das ihr meine junger seit, so ihr euch
unter einander liebet, und sollen nicht umbgehen
mit der munchen geukelwerk und ertichteten
gottesdienst, davon wir von got keinen bevehl
haben, aber notturft leibes und der seelen unser
bruder und schwestern, sie seind reich oder arm,
sollen wir uns annehmen, ihnen zu troste, in
sonderheit der notturftigen und armen, die keine
gesundheit oder gelt haben, und derhalben mussen
mannichfaltig noth leiden, denen zuhelfen sind
vor allen dingen schuldig die reichen, wie sie auch
Paulus darzu vermahnet (1. Timoth. 6), und alle
handwerksleute und arbeiter, denen got das gluck
und segen gibt, das sie sich mit ihrer hand er-
nehren kennen (Eph. 4).
Das aber seind die rechten armen, nemlich
arme hausleute, handwerksleute und arbeiter, die
da vleissig arbeiten und das ihre warten, und das
sie doch aus gottes verhengnis darneben schaden
empfahen, oder schlecht sonst ein unglück mit zu,
das sie arm sein, halten sich doch redlich, ver-
zehren nicht das ihre unnutze, verspielens und
versaufens auch nicht.
Item die aus krankheit ihres leibs oder ihrer
gliedmass nichts erwerben kennen.
Item witwen und weisen, die nichts haben,
Sehling, Kirchenordnungen. Bd. II.

kennen auch nicht arbeiten, oder erwerben, oder
haben sonst keine freundschaft, die sich ihrer an-
nimpt, so fern sie gotfurchtig sein, aufrichtig
wandeln und ein ehrlich leben fuhren und sind
nicht, wie Paulus von der geilen witwen schreibet,
sind sie aber jung, so soll man ihnen helfen, umb
gottes willen, ihrer gelegenheit nach, das sie wieder
ehemenner bekommen.
Item elenden frommen jungfrauen und ehr-
lichen dinst megden, die ein guet gezeugnis haben,
und ist niemand der sich ihrer annimbt, sondern
sind von jedermann verlassen.
Item, den kranken, die sonsten mechten ver-
derben , armuts wegen, soll man helfen zur ge-
sundheit.
Fur allen dingen aber, soll man versehen
und versorgen, die uns zu kommen, und bevohlen
sind (Gal. 6), wie Paulus sagt (1. Tim. 5): so
jemands die seinen, in sonderheit sein hausgenossen
nicht versorget, der hat den glauben verleuknet
und ist erger den ein ungleubiger. Darnach soll
man achtung geben uf die nachbarschaft und
andere bekanten in der gemeine, da wir sein, in
sonderheit auf die, so mit uns dem evangelio gleuben,
als Paulus lehret (Gal. 6), lasset uns guets thuen,
jedermann, allermeist aber an des glaubens genossen.
Letzlich das man auch gerne hilft denen, die
uns beleidiget haben, unsere feinde sind, so sie
unserer hülfe bedurfen, diesen und dergleichen
soll man dienen und helfen (Matth. 5).
Solcher und nicht der heuchler werk wird
der sohn gottes Jesus Christus, am jungsten tage
gedenken, wie geschrieben stehet mit diesem wort,
kompt her ihr gebenedeiten meins vaters, ererbet
das reich, das euch bereitet ist von anbegin der
welt, den ich bin hungerich gewesen, und ihr
habt mich gespeiset, ich bin durstig gewesen, und
ihr habt mich gedrenket, ich bin ein gast gewesen,
und ihr habt mich beherberget, ich bin nacket
gewesen, und ihr habt mich bekleidet, ich bin
krank gewesen, und ihr habt mich besuecht, ich
bin gefangen gewesen, und ihr seit zu mir kommen,
warlich ich sage euch, was ihr gethan habt einem
under diesen geringsten meinen brudern, das habt
ihr mir gethan.
Und so jemand were, der solchen christlichen
sache feind were, und nicht allein darzue nicht
helfen, sondern auch mit rat und that wider
solchen gottes dinst streben, in sonderheit, so er
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