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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (2. Band = 1. Abtheilung, 2. Hälfte): Die vier geistlichen Gebiete (Merseburg, Meissen, Naumburg-Zeitz, Wurzen), Amt Stolpen mit Stadt Bischofswerda, Herrschaft und Stadt Plauen, die Herrschaft Ronneburg, die Schwarzburgischen Herrschaften, die Reussischen Herrschaften, die Schönburgischen Herrschaften, die vier Harzgrafschaften: Mansfeld, Stolberg, Hohenstein, Regenstein, und Stift und Stadt Quedlinburg, die Grafschaft Henneberg, die Mainzischen Besitzungen (Eichsfeld, Erfurt), die Reichsstädte Mühlhausen und Nordhausen, das Erzbisthum Magdeburg und das Bisthum Halberstadt, das Fürstentum Anhalt — Leipzig: O.R. Reisland, 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.26561#0554
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540

Das Fürstenthum Anhalt.

recesse vom 5. Mai 1589. Die Stände wünschen die Errichtung eines Consistoriums. Die
Landesherren haben ihnen ein solches 1572 und 1589 mehr oder weniger bestimmt zugesagt,
aber während des ganzen 16. Jahrhunderts hat Anhalt ein Consistorium nicht erhalten. Es hat
bei der oben geschilderten Verfassung sein Bewenden gehabt. Die Ehesachen wurden nach
wie vor an auswärtige Gerichte zum Spruche verschickt, oder direct vom Hofe aus erledigt.
Andere Functionen eines Consistoriums versah ebenfalls die Regierung. Die Hofräthe sind es,
welche z. B. am 18. Februar 1581 zur Investitur der neu ernannten Superintendenten die Pfarrer
einberufen (Dessau, Superintendentur-Archiv, I. Hauptabtheilung, 3. Unterabtheilung, Nr. 1);
sie sind es, die die kirchlichen Beamten, bis zum Küster herunter, ernennen. So wird die Be-
stallungsurkunde für den Küster zu Törten vom Kanzler Biedermann unterschrieben. Wir
drucken diese Urkunde, welche zugleich eine Küsterordnung darstellt, nach dem Original
(Dessau, Superintendentur-Archiv, I. Hauptabtheilung, 7. Unterabtheilung, 8) erstmalig ab.
(Nr. 130.) Eine ähnliche Bestallung für den Küster zu Kühnau vom 1. Mai 1586 findet sich
Dessau, Superintendentur-Archiv, I. Hauptabtheilung, 7. Unterabtheilung, 6.

109. Die von Nicolaus Hausmann verfasste Ordnung. 1532.
[Aus Zerbst, St.A., G.A.R. V, 209, 9. Vgl. oben S. 499.]

Des hern pfarners ordnung, in der
kirchen.
Ordenunge in der kyrche zu Dessau, wachen,
leuten, singen, lesen, predigen, beten, teufen,
beichten und communiciren in heusern, hochzeit
halten, begrebnus und ander ubunge belangende etc.
Ufs erst wirt von nothen sein, das dem heiligen
Sanct Paulo nachgegangen werde, der zun Co-
rinthern am 14. c. spricht in der ersten episteln
und seint die letzten wort: Lasset alles züchtig-
lich und ordentlich zugehen. Nu ist kein besser
zucht1) dan fru aufstehen und auch leiplich wachen,
dan davon wirt der mensch den ganzen tag nüchtern
und geschickt, auch lustig zu allen sachen aus-
zurichten und sunderlich got zu dinen. Darümb
auch unser g. h. ire f. g. semptlich und besundern
haben für bequem angesehen, weil zuvor fru alzeit
die winkelmessen gehalten wurden (dan man wust
es nicht besser) und dennocht das volk darzu
quam, so solts nu vil bequemer sein zur zeit des
evangelii und warheit Jesu Christi das volk im
zaume und gotisfurcht zu gewenen. Dasselbige
mag nu nicht füglicher gescheen, dan am morgen
fru, auf das fleisch ein wenig eingezogen und ge-
todet, durch den geist, darnach alle ordenunge
mit lust und libe mochten folgen zur besserunge
des armen einfeldigen volks und sunderlich der
jugend und gesinde. Amen.
Leuten2).
Man sal teglich alle morgen, heilige und
werkeltage, es sei im winter oder im summer, fru
leuten. Doch der winter3), wan die tage kurz sein,
mus sein zimliche stunde haben, als zwischen 5
und sechsen wirt das erste puls geläutet und ers
1) Am Rande der Handschrift sind die Stichworte
hervorgehoben, wie folgt: Vigilia. 2) Quotidie ad
matutinas pulsus. 3) hiems.

sechs schleget, das lezt; und wans sechs geschlagen,
eher die metten wirt angehaben, sal fluchse pro
pace geschlagen werden, do bei das volk kan
merken, das zeit ist zu kommen ane vorzug.
Dinstag, dornstag und sunabent1) wirt auf ein halb
stunde die prediget gehalten in der wochen und
die metten gesungen, wie zuvor, aber montag,
mitwoch und freitag2) wird nach den psalmen eine
deuzsche lection aus dem alden oder neuen testa-
ment furgelesen werden umb besserunge des volks,
drauf ein latinisch responsorium oder deuzsches
lidlein gesungen, folgende das deuzsch benedictus,
ein chor umb einen andern oder gar deuzsch mit
dem gemeinen volk, dornach eine antiphen, cat-
echismus, litanie oder was sich reimen wirt und
die zeit leidet, mit beschlus einer collecten zur
danksagunge und dem segen3) drauf gegeben.
In der fasten4) werden am montag, mitwoch
und freitage auch die deuzsehen litanie gesungen,
dan in diser zeit sunst vil geistliches gesanges
und ubunge gehalten, dan unser her Christus hat
sich zum leiden die zeit bereitet und uns erloset,
billich, das wir uns auch (doch mit christlicher
freiheit) mit messikeit leiplich und geistlich er-
zeigen, der wolthat nicht zu vorgessen.
Im summer5), wan der tag lang ist, wirt man
zum ersten umb 4 leuten und wans schir halben
weg wil schlaen auf fünfe, das lezte puls gehalten
werden und darnach, wie oben vormelt, da pacem6),
anzuzeigen, das zeit ist zum tempel, und in des
mit gebetet, das der ewige got wolde uns erstlich
durch den glauben an Christum im herzen fridlich
machen für im und gnade geben, das eusserlich
in der welt auch mochte (wo’s wider sein veter-
lichen willen nicht wer) in einikeit und fride zu-
1) Conciones 3. 2) Aliis diebus ordo.
3) Benedictio. 4) Quadragesima. 5) Aestas.
6) Da pacem.
 
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